Die Frage ist doch: Was treibt einen ansonsten weitgehend gesunden Mitteleuropäer dazu, Belletristisches zu schreiben? Die Antwort klingt immer noch so pointiert wie ein Lichtenbergischer Aphorismus, aber der Einfluss im Übermaß genossener Fertiggerichte auf das kulturelle Schaffen kann gar nicht überschätzt werden.
Die sublimierte Version davon müsste lauten: Es ist der Drang, Kinder in die Welt zu setzen, um an seiner eigenen Unsterblichkeit zu arbeiten. Freudscher Sexual- und Todestrieb begegnen sich im Schreiben von Pubertätsgedichten und allem, was man danach erst recht nicht mehr lassen kann.
Dass man einen Satz Schreibzeug im Gegensatz zu einer 35 Jahre lang andauernden Kindererziehung in jeder Kneipe hinterhergeschmissen kriegt, erklärt das verzweifelte Anschwellen der Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt. Ein Gutes hat es: Die glauben, sie könnten schreiben, nehmen die Heilsvertröstungen der Weltreligionen auf ein besseres Leben nach dem Tod selbst in die Hand und müssen nicht mehr auf wehrlose Theologen schimpfen.
Nun hält diese Überlegung nur bis zum Abschluss der eigenen Erziehung. Hat man die 35 überschritten, wandert der Schwerpunkt der persönlichen letzten Dinge zu der Frage: Wie ist die Unsterblichkeit zu vermeiden, oder radikaler: Herrscht nicht vielleicht irgendwann mal Ruhe? Oder hilft nicht mal mehr Sterben was und geht das dann so weiter?
Todessehnsucht sieht anders aus. Trotzdem interessiert mich, ohne dass ich mir dabei zynisch vorkomme, ob ich vor der Kreuzigung auch noch ausgepeitscht werden muss. Und wie hoch der Einfluss im Übermaß genossener Fertiggerichte auf das kulturelle Schaffen eingeschätzt werden darf.
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