Ist doch egal, welches Land du bist…^^

 

 

Dubistd

Auszug aus dem “Manifest” von Du bist Deutschland:

[…]
Du machst aus zwei Menschen eine Familie.
Aus der kleinsten Wohnung…
…einen Abenteuerspielplatz…
…und aus Nudeln mit Tomatensauce ein Festessen.
Wir brauchen mehr von Deiner Sorte.
Weil ohne Dich die Gegenwart keinen Spaß bringt.
Und die Zukunft bereits vergangen ist.

Du bist Deutschland.

“Weil ohne Dich die Gegenwart keinen Spaß bringt.”
Hm. Könnte es sein, dass wir unser Dasein schon so freudlos, stressig, genervt hingewirtschaftet haben, dass uns jetzt problemlos Kinder eingeredet werden können für den “Spaß”. Früher war es das Snowboarden für die wilde Spaßgeneration, ich erinnere mich an: “No risk, no fun!” und den Kampfruf  der one-eighties “shread ready!!” (Immer schön an den emotionalen Spaß-Benefit denken, näch… liebe JvM, Kemper Trautmann, oder welcher Texter sich diese hölzerne Herleitung ausgedacht hat).

Nichts gegen Kinder, habe selber. Nur das mit dem Wort “Spaß” geht mir quer. (Wir sind schon eine tolle Spaßgesellschaft, Steinzeitler mit der Empfindsamkeit wie 5m Feldweg sein “gib Gas –  ich will Spaß!!” ucka_ucka.)

Wie wär’s denn mit dem Wort Freude.

Ich weiß, das kommt spaßorientierten Koksnasen schwer von den Lippen. Aber dann hätte mich das Manifest, das sprachlich dürr und nicht stimmig ist, einen Hauch mehr überzeugt. Wo ist die Poesie, das ist doch an den meisten Stellen die Effizienz-Sprache eines verkaufsorientierten Salesfolders. Ich fass es nicht.

Das ist Poesie, das ist ein Manifest, das berührt:

Von den Kindern

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.

Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.

Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,

Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,

Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.

Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,

Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.

Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.

Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.

Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.

Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er
spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit
fliegen.

Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;

Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.

Khalil Gibran

 

Und: Nein, da bin wortklauberisch mit dem oberflächlichen Spaß. Komme mir keiner daher. Es ist nicht in Ordnung, Es IST ein Unterschied, die ganze Überzeugungskraft* dieses Manifests leidet. Ungläubigen hält mein Mann gern gegen einen geringen Aufpreis ein kleines Sprachseminar.  Wer kein Geld hat, möge mit Wikipedias Freude vorlieb nehmen:

Sie ist eine Beglückung, eine helle oder heitere Stimmung, ein Frohgefühl. In der Freude fühlt man sich wohl (zumindest eine begrenzte Zeit), es sind im Augenblick alle seelischen Bedürfnisse erfüllt.Freude ist eine spontane, innere, emotionale Reaktion
auf eine angenehme Situation, eine Person oder Erinnerung. Sie kann
sehr verschiedene Formen und Stärken von angenehmen Gefühlen annehmen.
Sie kann sich nach außen auf der ganzen Skala zwischen einem Lächeln und einem Freudenschrei äußern.Sie ist eine Beglückung, eine helle oder heitere Stimmung, ein Frohgefühl. In der Freude fühlt man sich wohl (zumindest eine begrenzte Zeit), es sind im Augenblick alle seelischen Bedürfnisse erfüllt.

 

Spaß hingegen ist:

… eine im Deutschen seit dem 16./17. Jahrhundert belegte Substantivbildung aus dem italienischen spasso (Zerstreuung, Zeitvertreib, Vergnügen). Das Wort wurde, angelehnt an das italienische Original, zunächst auch als Spasso geschrieben. Heute wird mit etwas macht Spaß eine Tätigkeit beschrieben, die gerne gemacht wird, die Freude bereitet. Mit jemandem einen Spaß treiben bezeichnet, dass dieser Person ein Streich gespielt wird. Der Spaß ist eine Äußerung über die gelacht werden kann, ja soll, und gilt als Bestandteil des Humors. Das Wort wird auch synonym zu Jux, Scherz und Witz verwendet. Zugehörige Adjektive sind spaßig und spaßhaft. Als Gegenbegriff gilt der Ernst.

So, jetzt habe ich Sie sehr deutsch zum Unterschied zwischen Spaß und Freude belehrt. War mir ein Vergnügen, da verstehe ich keinen Spaß, gracie.

*Apropos Überzeugungskraft. Genau wie bei der ersten Kampagne leidet das Walk the Talk. OK, es gibt Elterngeld, all das. Wer jedoch Angst hat, einen Pfeil in die Zukunft zu werfen, weil die Jobs wegbrechen oder einem Heuschrecken von heute auf morgen das Heim nehmen können, den wird kein noch so hohes Elterngeld locken können. Denn Kinder hat man ein Leben lang, nicht nur die ersten 14 Monate. Wem die Zukunft verbaut wird, der mag auch Kindern daher keine Unzukunft geben – egal mit was für Werbespaß und kurzfristigen Geldspritzen da hohl geworben wird. Kinder gern bekommt man nicht wegen Geld und Funfunfun, Kinder bekommt man gern, wenn man fest glaubt, dass man ihnen in seinem Land eine lebenswerte Zukunft bieten kann, weil man die pure Lust verspürt, sich fortzuplanzen. Kann mir einer sagen, ob ein PIN-Briefträger oder eine Gastronomiearbeiterin mit Miniwohnung große Lust hat, sich heutzutage fortzupflanzen. Müssen sie nicht eher aufpassen, selber abzurutschen und sind sie nicht dann ausschließlich mit ihrer eigenen Existenzsicherung beschäftigt? Nein, ich bin ganz und gar nicht zufrieden mit diesem Spot: Umsetzung schlecht, Sprache schlecht, der ausgearbeitete Benefit ein Witz, das Walk the Talk ein Windchen. Unglaubwürdig. Vielleicht ganz nett für einige Akademikerinnen, die nach der Uni jetzt sowieso nichts finden und derweil Kinderpause machen (so wie bei uns im Glockenbachviertel). So wird’s sein. Vielleicht kriegen/haben wir ja eine Akademikerinnenkinderschwemme. Wird ein Mitnahmeeffekt sein. Blöd bloß, dass man mit diesen besterzogenen und gutinformierten Kindern aus gutem Stall nicht unbedingt später in 15 Jahren so einfach die ausbeutbaren Billigzeitarbeiter kriegt, die unsere sich dem Mindestlohn verweigernde Wirtschaft will, um weiterhin Gewinne einzufahren.

Das “Wir brauchen mehr von Deiner Sorte.”  klingt nachgerade wie: wir brauchen mehr Konsumenten (mehr Kanonenfutter, industrielle Reservearmeen) sonst läuft die Wirtschaft nicht. Deshalb wird der Spot am Ende auch gedreht worden sein. Arm.

Walk the Talk wäre, diesen Skandal hier abzuschaffen. Das wäre ein Anfang