In meiner jungen, wilden Zeit frisch nach der Hochschule war Text in der Praxis ich rede jetzt nicht von wunderschönen, typografischen Ausflügen, sondern vom "Muss-Text" für mich so etwas wie eine öde zerfurchte Fläche. Text war: lästig, mein Feind. Muss-Texte waren die Seuche, sie waren die grässlichen Kratzer im Image. Sie erschwerten mir mein Grafikerleben enorm.
Bis ich meinen Mann kennenlernte.
Ab da verstand ich langsam, dass Text guter Text das schlüssige Bild im Kopf ist. Ohne das weder eine Konzeption noch eine kurze Copy etwas Gescheites wird.
Mittlerweile fange ich gar kein Design mehr an, ohne zuerst die Dinge mit Worten zu beschreiben, zu erklären, zu drehen, zu wenden, ins Licht zu halten, neu zu formen. Die bildhaften Assoziationen, die dabei herauskommen, sind wunderbarer Nährboden für Geschichten und deutlich mehr Gestaltungsideen als vorher.
Nächster Schritt nach dem Umformen von Design in Worte wäre, die Worte in Musik zu münzen: Musik ist noch viel empfindlicher für jedes Hertzchen Misston. Und sobald die lyrische Äußerung der Musik am nächsten steht, bekommt “Poetry is not for sissies” einen tiefen bis geldwerten Sinn; man sagt das so dahin, als ob’s nix als lustig sein sollte.
“I wish our clever young poets would remember my homely definitions of prose and poetry; that is, prose — words in their best order; poetry — the best words in their best order.”
Sagt Coleridge am 12. Juli 1827 zu Tische. Könnte ein Werbermeeting gewesen sein, gell?
Nun, ich will nicht bereits vorhandenes Design nach dessen Schöpfung in Worte umformen. Das ergäbe in dieser Richtung keinen Sinn.
Sinn ergibt nur, wenn ZUERST das Wort, der Gedanke da war. Und die Grafik danach kommt.
Viele Grafiker gestalten aber schon mal und haben keine Ahnung, was sie mit ihren Formen und Farben überhaupt sagen wollen. Und der Texter solls dann richten und nachträglich etwas “Content” reinkleben. Diese Idiotie, der ich früher selbst anhing (eigene Dummheit, schlechte Professoren…? Wohl beides), zu geißeln ist mein Punkt.
Genauso wie viele Grafiker sowieso einen großen Fehler machen, wenn sie sich zu früh an den Rechner setzen. (Früher: …zu früh den teueren Reinzeichen-Rapidographen schwangen.)
Ohne vorher zumindest einen zusammenhängenden Gedanken (das Wort eben) zu formulieren. Nur einen Gedanken. Nämlich den, was denn das zukünftig zu Schaffende in seinem Innersten zusammenhalten soll.
Meistens hält es leider nichts zusammen, außer die schöne, aber dünne hohle Hülle und des Gedankens angekränkelte Blässe.
Dass das nicht so sein muss, das habe ich von dir gelernt. Danke dir dafür!
Zwei kleine Gedanken von mir als Ergänzung:
1. Es ist dabei aber absolut wichtig den Text in eine gut lesbare Form zu bringen, denn wenn die Lesetypografie nicht stimmt nutzt der beste Inhalt nichts. Als Beispiel sei hier die Deutschstunde von Siegfried Lenz angeführt, das ich neulich mal wieder in der Ausgabe der 70er Jahre herauskramte. Ein vom Inhalt absolut wunderbares Buch, allerdings in einer serifenlosen, zu kleinen Antiqua und noch dazu im Blogsatz gesetzt. Als jungen Menschen, damals, störte mich das nicht, ich schlief nur regelmäßig beim Lesen ein. Jetzt bekomme ich Kopfschmerzen davon.
2. Es ist meine ich immer wichtig, drauf hinzuweisen, dass Design Gedankenarbeit ist und das die Gestaltung nur ein kleiner Teil des gesamten Prozesses ist, wie eben auch das Ideensammeln in textlicher Form. Erst aus dem Zusammenspiel aller Prozessschritte wird dann irgendwann Design. Leider verwechseln die meisten Menschen heute Design und Gestaltung.
Wunderschönen Tag noch
Cornelius