“Was würdest du tun, wenn du noch genau eine Stunde zu leben hättest?”

Bitte, Wolf. Ich muss mich hier konzentrieren. Noch so ein Ding, und du kannst dir die Antwort selber ernsthaft überlegen.”

“Da kommst du gar nicht drauf, warum ich frag, oder?”

“Weil du nix zu tun hast.”

“Weißt du, was heut für ein Tag ist?”

Wolf!”

“Erst mal Wochenenend. Außerdem Halloween…”

“… und Samhain, Reformationstag und dein Namenstag. Lässt du mich jetzt weiterarbeiten?”

“Mein Namenstag kommt schon in die Nähe. Außerdem hast du Hochzeitstag.”

“Ach du je.”

“Mein Namenstag ist ein nicht gebotener Gedenktag.”

“Das wird schon seine Ordnung haben.”

“Sicher. Weil es nur der Todestag vom Regensburger Bischof ist. Da wollten sie nicht so sein.”

“Ich hab dich an einem Todestag geheiratet?”

“Das wird schon seine Ordnung haben.”

“Sicher. Damit ich jetzt in Ruhe arbeiten kann. Danke.”

“Nein, damit für ein Gleichgewicht gesorgt ist.”

“Stirb und Werde.”

“Man merkt, dass dein Hirn grade im Training steht.”

“Meine Finger auch.”

“Um damit auf meine Eingangsfrage zurückzukommen…”

“Wooohooolf…”

“Eben. Womit wir alle Ingredienzien für einen gedeihlichen Hochzeitstag beisammen hätten: Die Antwort darauf, was man in seiner letzten Erdenstunde tun würde, ein Gleichgewicht, ein geübtes Hirn, geübte Finger, und du sagst ziemlich oft meinen Namen.”

“Also recht, meine Herrn. Damit endlich Ruhe herrscht.”

“Nicht Ruhe, geschätzte Grafikabteilung.”

“Am hellichten Tag…”

“Richtig. Damit wir bis 22 Uhr fertig sind.”

“Wieso? Dann geht’s doch erst los mit den weniger jugendfreien Sachen.”

“Und mit der Zimmerlautstärke.”

“Wegen Gleichgewicht, ne.”

“Es ist Hochzeitstag. Und Wochenend. Und Halloween.”

“Zum Fürchten.”

“Zum Lautsein!”

“Geschätzte Textabteilung, es ist der neunte Hochzeitstag.”

“Aha. So viel weißt du noch.”

“Das Hirn ist zum Neuschaffen und als Lagerhalle.”

“Und als erogene Zone.”

“Hey!”

“Vor neun Jahren hast du das auch noch gewusst.”

“Aber nicht so pritschenbreit gesagt.”

“Nein. Sondern angewandt.”

“Herrschaften, nach neun Jahren…”

“Wo wir so schön im Training stehen.”

“Wovon halt.”

“Eine Homepage könntest du heut auch immer noch designen.”

“Braucht kein Mensch mehr.”

“Drei Tage nach Geocities. Zeit fürs Wesentliche.”

“Ohne Comic Sans MS und tanzende Tomaten mit Sonnenbrillen.”

“Wenn ich dich also mal ins Gleichgewicht nehmen dürfte.”

“Wolf! Ich bin doch viel zu schwer!”

“Nicht schwerer als was du die ganze Zeit da treibst.”

“Wolf! Nicht mal runtergefahren hab ich! Darf ich fragen, wo mich hinträgst?!”

“Dein Schlafzimmer, falls du dich dran erinnerst. Runterfahren musst du nicht, du musst aufdrehen.”

“Sind wenigstens die Vorhänge zu?”

“Nö. Wenn ich’s so offensichlich mach, zickst du mir erst recht.”

“Und jetzt sind die Fenster offen?”

“Wird doch bald finster.”

“Wolfwolfwolf…”

“Ganz so leise find ich jetzt auch übertrieben.”

“Was hast du denn alles vor? Ganzkörper-Fishnets, die großen Duracell und neongrüner Zehennagellack sind leider aus, du Monster.”

“Erzähl ruhig weiter, das dient der Stimmung. Ich such derweil auf Youtube die Playlist mit den richtigen Liedern und lass durchlaufen. Du entschuldigst kurz.”

“Hast du tatsächlich die Dings…”

“Die Ich-leg-jetzt-die-Vroni-flach-CD, sag’s doch ruhig, wir sind doch unter uns.”

“Die hast du jetzt echt veryoutubt?”

“Du wolltest ja keine Ich-leg-jetzt-die-Vroni-flach-CD.”

“Nicht, wenn du das Wort dafür verwendest!”

“Das war dein Wort.”

“Is ja zum Fürchten.”

“Halloween.”

“Hallowolf.”

Sucker love is so unkind: Placebo: Every You Every Me, aus: Without You I’m Nothing, 1998.

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