Update zu Saufspiele für Bücher-Geeks:
Es ergeht Empfehlung für die Unternehmung und die Website Book Riot — zusammen mit der Frage, warum sowas wieder nur auf Englisch wächst.
Hierzuland mag einem nicht einmal eine halbwegs würdevolle Entsprechung für das allfällige englische bookish einfallen, das im Bookweb (“Im was??”) ständig und für alles gebraucht wird. Hätten Sie gewusst, was ein TBR ist? Soll ich’s sagen, während Sie sich von Trockenblutreaktion zu Total Business Return hangeln? Das heißt to be read und bezeichnet den Stapel ungelesener und angefangener Bücher, der sich neben Ihrem Sofa türmt. — Ach, da türmt sich gar nix mehr, seit Sie Ihre unvollständige Harry-Potter-Sammlung der Stadtbücherei auf die Theke gekippt und noch ein Dankeschön dafür erwartet haben? Na, dann wundert mich auch nix. Dichter und Denker my ass.
Deshalb kommt wohl auch kein deutschsprachiger Kulturverbraucher auf den Gedanken, dass er ein Reading Life (übersetze: Leseleben?) führen, geschweige denn es bereichern könnte. Mir fällt ja selber schwer, die Tiny Tasks aus der Überschrift zu übersetzen (“Warum ist das Katzenklo nicht gereinigt? Du kennst doch deine Aufgaben!”), aber ich übersetze aus dem Book Riot (“Buchtumult”?) mal die 40 Tiny Tasks For a Richer Reading Life. Schaden wird’s schon nicht.
Ein paar von den 40 will man umgehend schon längst gleich ein paarmal mitgemacht haben, ein paar sind nur im englischsprachigen Umgang möglich (aber offensichtlich haben Sie ja Zugang zum Internet), ein paar kosten Überwindung, und ein paar will ich kopfschüttelnd beiseite lassen. Üblicherweise entspricht das aber dem Geist solcher Anleitungen: Man darf immer guten Gewissens weglassen, womit man sich unwohl fühlt.
1. Lass dich eine Viertelstunde früher wecken als sonst. Das reicht, um in Ruhe ein Gedicht zu lesen. ((Eine von den guten Ideen.))
2. Geh in deine zuständige Bücherei und lass dir von der Bibliothekarin etwas empfehlen — vor allem wenn das letzte Mal schon länger her ist.
3. Setz dich über ein Vorurteil übers Bücherlesen hinweg und denk absichtlich darüber nach.
4. Lies ein Buch aus einer Richtung, die du verachtest. ((Gibt’s eigentlich noch die Landserheftchen?))
5. Frag jemanden, vor dem du Respekt hast, was du lesen sollst, und fang sofort damit an.
6. Verschenk das Buch, das am längsten auf deinem TBR-Stapel liegt ((siehe oben)).
7. Melde dich freiwillig zu einer öffentlichen Einrichtung, die Lesefreude und Lesekompetenz fördert. ((In Deutschland bleibt’s damit wohl bei der Stiftung Lesen.))
8. Lies ein Buch, das von außen verstörend auf dich wirkt.
9. Lass dich auf eine Reading Challenge ein.
10. Entnimm deinem Bestand zehn Bücher und spende sie, ohne neue Bücher dafür einzutauschen. ((In München empfehle ich die Oxfam-Läden.))
11. Lies einem Lieblingsmenschen laut vor. ((Aber frag ihn vorher.))
12. Schreib eine Liste mit deinen eigenen Schnittstellen von Bücherlesen und Liebe.
13. Beschaff dir das Hörbuch zu einem Buch, das du vor Jahren nicht zu Ende gelesen hast — und hör es auch an. ((Vorsicht mit Hörspielbearbeitungen. Romane aller Richtungen und Längen sind gerne gekürzt. Mach dich schlau über den Grad der Verstümmelung, aber lass dich nicht abhalten: Jemand, der hoffentlich dafür bezahlt wurde, hat über dein Hörbuch so und nicht anders entschieden, und er konnte es begründen.))
14. Lies das Lieblingsbuch von deinem besten Freund — egal was für eins.
15. Mach ein Eselsohr.
16. Schreib an den Rand.
17. Frag deinen ältesten Verwandten oder Freund nach seinem Lieblingsbuch. Lies es sofort und erzähl ihm davon.
18. Lies im Freien.
19. Lass bei der Hausarbeit ein Hörbuch laufen. ((Beim Staubsaugen empfehlen sich die Hörspielfassungen, um die ist’s nicht so schade. Nachteil: die Stimme von Iris Berben; Vorteil: gebügelte Unterhosen und Handtücher.))
20. Lies ein Theaterstück. Nimm dir die Zeit für die bildliche Vorstellung, wie du es inszenieren würdest.
21. Lies ein Buch wieder, das du in der Schule zum Kotzen fandest. Und gleich nochmal! ((Ist das noch SM oder schon Rebirthing?))
22. Entschuldige dich bei jemandem, mit dem du überheblich oder abfällig über Bücher geredet hast. ((Von wegen, ich war noch viel zu nett!))
23. Lies ein Buch aus einem Land, in das du noch nie wolltest. ((Südamerika müsste einiges hergeben.))
24. Lies eine Gedichtsammlung von einem einzigen Autor. Von vorne bis hinten. Zweimal. ((Empfehlung der Woche: Jan Wagner: Regentonnenvariationen, Hanser Berlin, 2014.))
25. Verschenk das Lieblingsbuch aus deiner Kindheit auf deiner nächsten Babyparty. ((Das soll mittlerweile auch im deutschen Sprachraum gehen.))
26. Verschenk das Lieblingsbuch aus deinen Zwanzigern an deinen Lieblingsstudenten. ((Persönlich würde ich ja eine Studentin nehmen, aber wahrscheinlich wäre das in meinem Fall zu anzüglich.))
27. Lies ein Buch von jemandem, der ganz anders als du aussieht. ((Toni Morrison soll trotz Nobelpreis ganz gut sein, aber Alice Walker guckt auf ihren Bildern freundlicher.))
28. Lies ein Buch von jemandem, der dich in Jahrmillionen nicht verstehen würde. ((Aber ohne Geld für den Sarrazin auszugeben. Für Mein Kampf gibt’s seit 2016 Ausreden. Glaubwürdige.))
29. Lies eine Seite aus der heiligen Schrift einer Religion, in der du nicht erzogen bist.
30. Hör einen Podcast über Bücher.
31. Geh zur nächsten Autorenlesung in deiner Stadt, auch wenn du den Autor nicht kennst. Vor allem wenn du den Autor nicht kennst.
32. Schreib von Hand einen Brief an einen lebenden Schriftsteller, den du bewunderst. ((Aber bitte jetzt nicht alle auf einmal mit Fee Katrin Kanzler anbandeln, gell.))
33. Besuch das Grab eines toten Schriftstellers, den du bewunderst. ((Wer in <u<Wien oder Paris wohnt, ist im Vorteil. München geht noch.))
34. Fahr irgendwohin, das du nur aus Büchern kennst.
35. Brich einem Buch das Kreuz. Mach schon! Du kannst es!
36. Lies einen Superhelden-Comic. Vor allem nach einer Ewigkeit wieder oder zum allerersten Mal. ((Ich fürchte leider, der Sandman zählt hier nicht.))
37. Schau die Verfilmung von einem Buch an, das dir gefallen hat, und versuch sie um ihrer selbst willen zu mögen.
38. Lern ein Gedicht auswendig.
39. Lies das Buch wieder, das mit 16 dein Leben über den Haufen geworfen hat.
40. Rede mit jemandem über Bücher, mit dem du noch nie über Bücher geredet hast.
Soundtrack: Tracey Ullman: Kindle Killed The Library Book, 2016:
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