Bei allem berechtigten und verbreiteten (was selten genug zusammentrifft) Bahn-Bashing muss einem im fortgeschritttenen Alter doch endlich auffallen: Man kann nirgends so flüssig und nachhaltig lesen wie im Zug. Einen eigenen Sitzplatz vorausgesetzt, auf Hin- und Rückfahrt. Der Verwandtschaftsbesuch dazwischen ist im Preis fürs Bayernticket mit drin, aber gegen solche Schmerzen hilft der Glühwein ganz gut.

Für die Rückfahrt sind wegen des Glühweins nicht die Eichendorff-Gedichte, die man sich auswendig merken muss, sondern der Charles Dickens. Auf allen Ausgaben steht nämlich vorne drauf: “Weihnachtsgeschichten”, manchmal auch “Weihnachtserzählungen”, jedenfalls ein Plural. Das bedeutet: Der Mann hat noch mehr von dem Zeug geschrieben als das ewige A Christmas Carol. In Prose. Being a Ghost Story of Christmas (mit dem ansonsten nichts verkehrt ist).

Als Soundtrack drängt sich in diesem Sinne mein wichtigster Musikus des Jahres 2019 auf: Der altgediente Mundharmonika-Recke Adam Gussow, der mit der Zeit immer verblüffender wie ein abgemagerter Clint Eastwood aussieht, seit er sich in die YouTube-Tutorials zurückgezogen hat, einem dort didaktisch nichts schenkt, aber so hilfreich wirkt wie sonst nur noch die Soundvideos mit Soloklavier von Bach und Mozart.

Adam Gussow entstammt der Generation, die noch das Tuten einer Sirene mit dem Erscheinungsbild eines Eisenbahnzuges verbindet. Seine meisten anderen Videos handeln in C-Dur, für den Zug benutzt er ein Beißblech in A-Dur:

Das war’s für 2019. Gussow würde sagen: See you down the road.