Das unsägliche, um nicht zu sagen: in den postmodernen Versionen brunzdumme Donaulied hatte ich nicht mal in meiner aktiven Lagerfeuerzeit im Repertoire-Ordner stehen, weil das selbst mir zu flach war. Heute kann man eine Online-Petition namens Bierzeltsexismus Aktion gegen das Donaulied unterzeichnen, damit der Unfug nicht mehr öffentlich aufgeführt werden darf. Wenn es einen durchaus dazu drängt, kann man auch eine Online-Petition namens Rettet das Donaulied unterzeichnen, damit der Unfug aus lauter Tradition doch weiterhin öffentlich aufgeführt werden darf, aber den Link können Sie selber suchen.

Angeblich waren seit “vor 1828” Versionen mit bis zu 24 Strophen in Umlauf, gern aus der Sicht eines Mädchens, das ihren Geliebten sucht. Ursprünge sind begründbar aus einer ähnlich lautenden Singspiel-Arie aus dem Donauweibchen von Ferdinand Kauer 1790; mithin wäre es der Definition nach kein Volkslied, allenfalls ein verderbter Gassenhauer. Die volkstümlicher Weise leichtfertig gut geheißene, ja heldenhaft gesehene Vergewaltigung wurde erst nach 1945 in die Texte getragen, ein virulenter Bierzelthit wurde der Liedtypus aus männlicher Perspektive nach 1970. Eine gängige Einspielung von Mickie Krause verschleiert immerhin die die offene Vergewaltigung, die genannte Petition richtet sich gegen die gedankenlosesten, möglicherweise triggernden Versionen und wahrscheinlich aus rechtlicher Durchsetzbarkeit nur gegen die Aufführung “in Passauer Bierzelten und Kneipen”. Befürworter des traditionellen Sexismus machen geltend, der Schmarrn gehöre als Volkslied “einfach zur Bierzelt- und Kneipenstimmung” dazu.

Bedeutend wirksamer als Aufführungsvorschriften egal von welcher Seite empfinde ich die Version der Frauen-Formation die 7, die den Text nach Jahrhunderten wieder in eine weibliche Sichtweise rückt. Dass sie ausgerechnet am 4. Juni 2020 auf YouTube hochgeladen wurde, deutet auf ihre ideologische Stoßrichtung hin, was in Ordnung geht; dass dabei in der Überschrift flüchtiger Weise das “ich” ausgelassen wurde, deutet auf eine gewisse “weibliche” Verhuschtheit, was noch viel mehr in Ordnung kommen muss. Der Anfang dazu ist durch die Umdeutung und den neuen Text gemacht.

Erschütternd genug war der “Das Lied aus Sicht des Mädchens” online nicht aufzufinden, deshalb erscheint der Text unten, dem Video abgelauscht. Er kommt einem Volkslied erfreulich nahe und klingt glaubwürdig genug wie etwas, das so in Des Knaben Wunderhorn oder dem Deutschen Liederhort stehen könnte. Dabei wurde der Text für diese feministisch gedachte Gegenversion wesentlich komplexer als das vorgefundene Original gebaut: Die Strophen haben vier statt nur zwei Verse, die handlungstragenden Inhalt — also mehr als das berüchtigte “Ohoho-ho lalala” — vermitteln; dazu wurde ein Refrain eingeschaltet, der aus der Strophenmelodie ausbricht und inhaltlich auf einer übergeordneten Ebene spielt. Das hat objektiv sehr viel mehr Substanz als der Bierzeltkracher.

Beim Nachspielen behält die Melodie auch auf Moll heruntertransponiert die üblichen drei Gitarrengriffe, also nur unverzagt zugeklampft; das obligate Solo bietet sich auf Mundharmonika an, gern vom selben Aufführenden mit Bob-Dylan-Ständer. Das offizielle Cello-Solo aus dem Video, vermutlich erfunden und vorgetragen von Lena Kranjc, wird voraussichtlich wieder nicht zur Mutter aller Cello-Soli ausgerufen, sollte es aber.

Auf gegenwärtigem Stand hat die Petition von Corinna Schütz schon gewonnen. Das ist schön, aber für die Praxis gar nicht so erheblich: Keine Bierzeltunterhaltung, die eine gewisse Reststimmung aufrechtzuerhalten strebt, wird das Zeug je wieder spielen können. Das haben, hoch sollen sie leben, Corinna Schütz, Maria Voss und Lena Kranjc geschafft.

——— die 7:

Einst ging ich am Ufer der Donau entlang

Text: Maria Voss; Musik: Lena Kranjc, Maria Voss, 2020:

1.: Einst ging ich am Ufer der Donau entlang,
ohoho-ho lalala.
Der Fluss und sein Rauschen ein kraftvoller Klang,
ohoho-ho lalala.
Die Sonne so freundlich, das Gras satt und dicht,
||: ich legte mich hin, eilig, hatt’ ich es nicht. :||

2.: Ich schloss meine Augen und sanft schlief ich ein,
ohoho-ho lalala.
Versäumend und träumend, so muss Urlaub sein,
ohoho-ho lalala.
Ein Schatten jeoch störte kalt meinen Schlaf,
||: ich regte mich nicht, weil mich sein Blick traf. :||

Refrain: Lass die Gläser klingen, die Burschen singen,
aus voller Brust klingt ein Lied.
Lass die Mädchen sich wiegen, im Takt sich verbiegen,
feuchtfröhlich tönet das Lied.

[Cello-Solo.]

3.: Er lächelte zynisch, erstarrt lag ich dort,
ohoho-ho lalala.
Er strich sich durchs Haar und dann war er fort,
ohoho-ho lalala.
Der Fluss rauscht vorbei, doch ich höre ihn nicht,
es kreischt in mir, meine Seele zerbricht.

Refrain: Lass die Gläser klingen, die Burschen singen,
aus voller Brust klingt ein Lied.
Lass die Mädchen sich wiegen, im Takt sich verbiegen,
feuchtfröhlich tönet das Lied.

Noch ein Wort an die Traditionalisten, die kein traditionelles Volkslied von einer weitertradierten Unsitte unterscheiden können: Bei den rüden, sexistischen Versionen der unbesonnenen 1980er Jahre konnte ich öfters einen kumpelhaften Anerkennungserfolg mit der letzten Strophe einheimsen:

Da hast du fünf Mark und nun scher dich hier raus,
ohoho-ho lalala,
und wasch dir die Klitsche mit Schmierseife aus,
ohoho-ho lalala.

Aber von mir habt ihr das nicht, ihr Anfänger.