Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Der Geiz, der Bruder von Schwester Habsucht und Neffe von Tante Gier (Seite 2 von 3)

Fühlingsolle

Jetzt, wo die Firma lange genug erloschen ist, kann man’s ja veröffentlichen: Die Anzeige aus den Nürnberger Kino-News (Rückseite, war bestimmt nicht billig) hab ich lange über meinen Arbeitsplatz in der Werbeagentur aufgenagelt, als Mahnmal zum Korrekturlesen. Außerdem war die kleine Schnelle auf dem Bild, die man bestimmt im Express treffen konnte (und wahrscheinlich sogar mal getroffen hat), ganz ansehnlich. Man schrieb 1994.

Fühjahrsmode reduziert, Bebop 1994

Bebop: Charlie Parker & Dizzy Gillespie: Hot House, April 1952.

Weltgeist ab 1 Cent

Die Zeit hab ich lange gelesen. Die einzige Zeitung, die ich jemals abonniert hab; ein halbes Leben ist das her.

Nun wäre weder damals noch heute ein nachlässig recherchierter Zeitungartikel ein Grund, gleich die ganze Zeitung zu kündigen, und bestimmt war der Herr Allmaier auch nur emotional aufgewühlt, schließlich sollte es keine knallharte Reportage, sondern nur ein besonders persönlich gefärbter Erlebnisaufsatz werden oder wie sie heute auf der Hamburger Journalistenschule dazu sagen, und er spricht es ja sogar selber aus, dass er kein Trottel ist:

Heute kommt der Büchermann und bringt meine Freunde weg. Manche von ihnen begleiteten mich über vierzig Jahre. Sie schenkten mir Einsichten und munterten mich auf. Wenn ich heute kein Trottel bin, dann ist das ihr Verdienst.

Ich habe den Büchermann selbst bestellt; sein Zettel lag im Postkasten. Im Grunde ist er Entrümpler. Töpfe, Schuhe, kaputte Uhren … all das nimmt er kostenlos mit, aber seine Spezialität sind Bücher.

Wer da noch recherchieren könnte, wenn in Deutschland wieder die nächsten Freunde abgeholt werden. Wir lesen gerade — online — Bücher: Weg damit. Unsere Bücher sind nichts mehr wert. Warum trennen wir uns nicht einfach von ihnen? Michael Allmaier bestellt den Entrümpler.. So etwas wie

Ich habe versucht, sie zu verkaufen. Mit einem Rucksack voller Kunstbände zog ich ins nächste Antiquariat. Der Antiquar war ein müder Mann hinter einem Rechner. Seufzend tippte er eine ISBN nach der anderen in sein Bewertungsprogramm ein. Ich sah ihm über die Schulter: 85 Cent, 1,10 Euro, 4 Cent, so ging das in einem fort. Dann sagte er: “Ich gebe Ihnen 12 Euro – für das hier und das und das.” In meiner Frustration habe ich ihm die Übrigen geschenkt. Er war taktvoll genug, sie nicht schon vor meinen Augen wegzuwerfen.

Sie glauben, das lag an meinen Büchern? Probieren Sie es aus. Sie müssen nur die App Momox aufs Smartphone laden und damit den Barcode scannen, dann bekommen Sie ein Angebot für jedes Ihrer Bücher. Oder zumindest die Gewissheit, dass es nicht einmal seine Transportkosten einspielen würde. Nicht, dass Literatur jemals eine gute Geldanlage war. Aber vor zehn Jahren zahlten Antiquariate einem vielleicht ein Viertel des Neupreises; und selbst auf dem Flohmarkt waren noch ein, zwei Euro pro Band drin. Heute stehen neben den Hausmülltonnen “Bitte mitnehmen”-Schachteln, aber niemand greift zu.

hätte trotzdem nicht kommen dürfen. Offenbar kann Herr Allmaier seit über vierzig Jahren lesen, da hat er bestimmt auch nicht erst vorletzte Woche seine Schultüte für die Journalistenschule geköpft, kann vielmehr auf dem Stand vom Donnerstag, dem 11. Februar 2016 satte 303 Einträge allein bei der Zeit vorweisen. Ein richtig gescheiter Bub ist er da. Und dann kann er nicht den Wert von Büchern einschätzen — nicht derer, die er kaufen will, nicht derer, die er verkaufen will.

Warum fällt das Ausmisten so schwer? Weil jedes Buch eine Seele hat, sage ich mir. Es bewahrt die Gedanken eines Menschen, vielleicht sein Lebenswerk. Ich hüte es nicht nur für mich, sondern für uns alle.

Das wäre eine noble Gesinnung gewesen in der Ära vor dem Offsetdruck oder im Kambodscha der Roten Khmer. Im Deutschland von 2016 ist es schlichter Quatsch. Bei uns wird jedes halbwegs erfolgreiche Werk so oft gedruckt, gesammelt, erfasst und geteilt, dass selbst Verbote oder Verbrennungen seine Spur nicht tilgen könnten. Forschen Sie doch mal im Internet nach dem rarsten Werk Ihrer Sammlung. Wahrscheinlich finden Sie es günstig bei Amazon.

Ja, zu solchen Schlüssen gelangt man wohl, wenn man “unsere” Bücher nach dem Preis auf Amazon beurteilt. Dabei muss man es nicht einmal so ideell sehen, dass jedes Buch gleich den Weltgeist persönlich symbolisiert.

Das Leben ist einfach zu kurz für Texte, die nicht von jemanden erschlossen werden mussten. Nicht trotzdem, sondern deswegen muss auch bei mir ein Buch raus, wenn eins reinkommt. Das ist meine Lösung, eine von einer Million möglichen; dass keine davon etwas mit Geldanlage oder Reichtum zu tun hat, weiß man vorher. Wenn es die anständigen Ausgaben, die leider alle als “Klassiker” laufen, mit nachgewiesenen Kommentaren endlich als eBook oder iBook oder wenigstens zuverlässigen Online-Volltext gibt, reden wir nochmal. Von wegen

Ein paar Passworte öffnen ihnen den Zugang zu allem, was sie lesen wollen, schneller, als ich meinen Hocker an die Regalwand schiebe.

Wenn das so wäre, hätte ich ein sehr flaches Telefon in der Hemdtasche und läse den lieben Tag aktuelle Bestseller. Mancher weiß sich nichts Schöneres, und die Katze frisst die Mäuse roh.

Moment mal – Fleckhaus? Ich schalte viel zu spät. Nelly ist tatsächlich die Tochter des berühmten Buchgestalters Willy Fleckhaus. Sie nimmt mir nicht krumm, dass auf meinem Ramschhaufen etliche Suhrkamp-Bände liegen, alle mit seinem Design. Sie kennt das ja aus Kindertagen, den Überfluss an Büchern. “Die kamen gebindeweise an und wurden meist nicht mal ausgepackt.”

Vielleicht entürmpelt dann, wenn “wir” endlich “unsere” Bücher ausmisten, die Urenkelin vom Gutenberg (mit 1 t).

Bibliothek deutscher Knauserer

Als Kathrin Passig, die grande vieille dame des Webloggens (ich darf das sagen, ich bin der Ältere) noch cool war, was nach ihrem Bachmannpreis nachgelassen hat und sich deshalb auf 2006 festlegen lässt, konnte sie außer Entbehrlichem wie One-Rope-Bondage, Fußfetischismus oder dem Beschriften von Backup-CDs immerhin auch Bücher als Geldanlage empfehlen.

Gut, das war 2001, da wurden Gegenstände und Dienstleistungen sowieso noch gegen Geld gehandelt. Seit das meiste Geld dem Umlauf entzogen wurde, ist mit Büchern das passiert, was Frau Passig 2001 dem Elektroschrott bescheinigt hat: Da muss man sogar die — selbstverständlich ehrenamtlich ihre Tagesfreizeit hinbringenden — Hausfrauen bei Oxfam anbetteln, dass sie einem das ganze Altpapier als “Bücherspende” abnehmen.

Seit 1985, als das Ding erschienen ist, spare ich auf die erste und einzige vollständige — und vor allem: anständig kommentierte — Ausgabe Phantasus von Ludwig Tieck. Vor 31 Jahren hat dieser sechste von zwölf Einzelbänden der Gesamtausgabe 198 D-Mark gekostet, seit dem Zusammenbruch der europäischen Währungen 2002 kostet er 102 Euro; man kann also gar nicht sagen, dass er in über einer Generation wesentlich teurer geworden wäre. Leider ist die Leinenausgabe in einen durchsichtigen, dennoch hässlichen Plastikeinband gewandet, was dem geschätzten Erdölaufwand einer Fahrt mit einem VW durch die Euro-Zone entspricht, und dann am Ende noch bei dem verführerisch naheliegenden Amazon.de, also überhaupt nicht zu verantworten ist.

Es muss deshalb heutzutage die streichelweiche Lederausgabe sein, für 164 Euro. Dafür kriegen Sie den in literaturwissenschaftlicher Pionierarbeit erschlossenen zuverlässigen, maßgeblichen Text, “nach Erstdrucken ediert, die wichtigen Abweichungen von den Handschriften und der von Tieck selbst veranstalteten Gesamtausgabe werden im Kommentar ausgewiesen. Erstmals werden die Texte durch grundlegende Kommentare erschlossen”, auf über 1500 Seiten alleredelsten, bei Schoeller & Hoesch eigens für die Bibliothek entwickelten alterungsbeständigen Dünndruckpapiers, in rotes Leder gebunden (man korrigiere mich, aber es müsste Schaf sein) und im vertrauenerweckend stabilen Schuber, und bei der einzuschätzenden Drehzahl sollte es mich nicht wundern, wenn Sie bis heute bei Verlagsbestellung aus der Erstauflage bedient werden. In dieser Art ist jeder Band der Bibliothek Deutscher Klassiker: leider. Jeden. Cent. Wert.

Die 164 sind der Neupreis. Sollte ich Sie also gerade zu einer mittelgroßen Geldanlage animieren, dann möglichst nicht ausgerechnet bei Amazon.de: Wenn Sie das Ding ohne Aufpreis und diskutierwürdigen Premium-Status auf den nächsten Tag in einem kuschligen Buchlädchen bestellen, kriegen Sie wahlweise vom Inhaber oder der hübschesten Azubine auf den Mund geschmatzt oder wenigstens die Tür aufgehalten. Was die 164 vormals in D-Mark waren, hat mich anno 1985 gar nicht groß interessiert: Damals wäre ich mir sogar vermessen dabei vorgekommen, die Bierdosen mit 0,33 statt der im im Literpreis effizienteren 0,5 Liter wegzulitern.

Gebraucht gibt’s die Lederausgabe schon mal um 95 Euro, die im Laufe des Klimawandels indiskutabel gewordene Leinenausgabe für 65. Für einen 47-Jährigen wie einen ehemals 17-Jährigen immer noch ein Haufen Holz für 1500 Seiten angehendes Altpapier, das ich bei meinem Lebenswandel vielleicht noch 20 bis 30 Jahre ausnutzen kann, wofern weder meine Sehkraft noch mein Auffassungsvermögen wesentlich nachlässt, und auf das meine mir persönlich bekannten Erben garantiert keinen Wert legen werden.

PS: Der Diels/Kranz ist genauso theoretisch erhältlich: alle drei Bände, zweisprachig, in halbwegs ordentlichem Zustand bei Amazon.de ab 182 Euro, bei anständigen Leuten für 200 aufwärts. Noch theoretischer gibt’s Die Gelehrtenrepublik von Klopstock: als abkopierten Nachdruck eines nicht näher ausgewiesenen Fraktur-Schinkens von einer amerikanischen Klitsche, die einen für ihr bisschen Bindearbeit ganz schön aufkommen lässt, und für den man sich lieber selber ein Stündchen an den Münzkopierer der Unibibliothek stellt und den Stapel dann zum Copyshop trägt. Mitnichten erhältlich sind Der Geheimnisvolle von E.T.A. Hoffmann, Isle of the Cross von Herman Melville, Das Kind und die Stadt von Franz Kafka und Clemens von Thomas Mann, wofür aber kein heutiger Verlag etwas kann. Das Trauerspiel dabei ist ja: Wenn einem nach hundert Jahren endlich doch noch die Abflussrohre unter dem Kellerboden wegrosten, müssen auch auf einmal ein paar Tausend für nix da sein.

So hätte das bestimmt Kathrin Passig als Studentin gehalten, als sie noch Bücher gekauft hat, statt ihnen als überzähliges Material, das sich gerade noch bedingt zur Wanddämmung eignet, zugunsten unkopierbarer Textdateien, die auf einem Fernsprechapparat gespeichert werden, Hausverbot zu erteilen. Und ich hätte Dosenbier gekauft — hab ich wahrscheinlich sogar, meine Erinnerung an diese Zeit verschwimmt vor allem in den Teilen, welche die Wochenenden anbelangen. Aber damals war sogar ich noch cool.

PPS: Gibt es eigentlich Buchhändlerwitze? “Ein Grossist heißt nicht Großist, weil er groß ist” oder so?

2 + 2 – 2 + 2 = 7 (BWL für Spätromantiker)

“Der Wolf wieder”, sagt Vroni, “mit seinen Kinder- und Hausmärchen. Was hast’n wieder für einen Schauerkram aufgetrieben?”

“Und was für einen”, sag ich, Die beiden Wanderer. Das willst du gar nicht kennen.”

Das sicherste Mittel. “Lies mal vor”, sagt Vroni.

Die beiden Wanderer nach der siebten Auflage letzter Hand 1857. Den Anfang lass ich mal weg.

Johann Gottfried Seume, Spaziergang nach Syrakus. Titelblatt der Erstausgabe, gezeichnet von Johann Christian Reinhart, 1803Als sie eine Zeitlang gewandert waren, kamen sie an einen großen Wald, durch welchen der Weg nach der Königsstadt gieng. Es führten aber zwei Fußsteige hindurch, davon war der eine sieben Tage lang, der andere nur zwei Tage, aber niemand von ihnen wußte, welcher der kürzere Weg war. Die zwei Wanderer setzten sich unter einen Eichenbaum und rathschlagten wie sie sich vorsehen und für wie viel Tage sie Brot mitnehmen wollten. Der Schuster sagte “man muß weiter denken als man geht, ich will für sieben Tage Brot mit nehmen.” “Was,” sagte der Schneider, “für sieben Tage Brot auf dem Rücken schleppen wie ein Lastthier und sich nicht umschauen? ich halte mich an Gott und kehre mich an nichts. Das Geld, das ich in der Tasche habe, das ist im Sommer so gut als im Winter, aber das Brot wird in der heißen Zeit trocken und obendrein schimmelig. Mein Rock geht auch nicht länger als auf die Knöchel. Warum sollen wir den richtigen Weg nicht finden? Für zwei Tage Brot und damit gut.” Es kaufte sich also ein jeder sein Brot, und dann giengen sie auf gut Glück in den Wald hinein.

In dem Wald war es so still wie in einer Kirche. Kein Wind wehte, kein Bach rauschte, kein Vogel sang, und durch die dichtbelaubten Äste drang kein Sonnenstrahl. Der Schuster sprach kein Wort, ihn drückte das schwere Brot auf dem Rücken, daß ihm der Schweiß über sein verdrießliches und finsteres Gesicht herabfloß. Der Schneider aber war ganz munter, sprang daher, pfiff auf einem Blatt oder sang ein Liedchen, und dachte “Gott im Himmel muß sich freuen daß ich so lustig bin.” Zwei Tage gieng das so fort, aber als am dritten Tag der Wald kein Ende nehmen wollte, und der Schneider sein Brot aufgegessen hatte, so fiel ihm das Herz doch eine Elle tiefer herab: indessen verlor er nicht den Muth, sondern verließ sich auf Gott und auf sein Glück. Den dritten Tag legte er sich Abends hungrig unter einen Baum und stieg den andern Morgen hungrig wieder auf. So gieng es auch den vierten Tag, und wenn der Schuster sich auf einen umgestürzten Baum setzte, und seine Mahlzeit verzehrte, so blieb dem Schneider nichts als das Zusehen. Bat er um ein Stückchen Brot, so lachte der andere höhnisch und sagte “du bist immer so lustig gewesen, da kannst du auch einmal versuchen wies thut wenn man unlustig ist: die Vögel, die Morgens zu früh singen, die stößt Abends der Habicht,” kurz, er war ohne Barmherzigkeit. Aber am fünften Morgen konnte der arme Schneider nicht mehr aufstehen und vor Mattigkeit kaum ein Wort herausbringen; die Backen waren ihm weiß und die Augen roth. Da sagte der Schuster zu ihm “ich will dir heute ein Stück Brot geben, aber dafür will ich dir dein rechtes Auge ausstechen.” Der unglückliche Schneider, der doch gerne sein Leben erhalten wollte, konnte sich nicht anders helfen: er weinte noch einmal mit beiden Augen und hielt sie dann hin, und der Schuster, der ein Herz von Stein hatte, stach ihm mit einem scharfen Messer das rechte Auge aus. Dem Schneider kam in den Sinn was ihm sonst seine Mutter gesagt hatte, wenn er in der Speisekammer genascht hatte “essen so viel man mag, und leiden was man muß.” Als er sein theuer bezahltes Brot verzehrt hatte, machte er sich wieder auf die Beine, vergaß sein Unglück und tröstete sich damit daß er mit einem Auge noch immer genug sehen könnte. Aber am sechsten Tag meldete sich der Hunger aufs neue und zehrte ihm fast das Herz auf. Er fiel Abends bei einem Baum nieder, und am siebenten Morgen konnte er sich vor Mattigkeit nicht erheben, und der Tod saß ihm im Nacken. Da sagte der Schuster “ich will Barmherzigkeit ausüben und dir nochmals Brot geben; umsonst bekommst du es nicht, ich steche dir dafür das andere Auge noch aus.” Da erkannte der Schneider sein leichtsinniges Leben, bat den lieben Gott um Verzeihung und sprach “thue was du mußt, ich will leiden was ich muß; aber bedenke daß unser Herrgott nicht jeden Augenblick richtet und daß eine andere Stunde kommt, wo die böse That vergolten wird, die du an mir verübst und die ich nicht an dir verdient habe. Ich habe in guten Tagen mit dir getheilt was ich hatte. Mein Handwerk ist der Art daß Stich muß Stich vertreiben. Wenn ich keine Augen mehr habe, und nicht mehr nähen kann, so muß ich betteln gehen. Laß mich nur, wenn ich blind bin, hier nicht allein liegen, sonst muß ich verschmachten.” Der Schuster aber, der Gott aus seinem Herzen vertrieben hatte, nahm das Messer und stach ihm noch das linke Auge aus. Dann gab er ihm ein Stück Brot zu essen, reichte ihm einen Stock und führte ihn hinter sich her.

Noch weiter?”

“Wolf!” gruselt sich Vroni, “das ist ja fürchterlich!”

“Gelle? Hätte heut nicht mal eine Jugendfreigabe.”

“Aber echt mal. Wieso hat nicht jeder einfach für vier Tage Brot gekauft?”

“Wieso jetzt für vier?”

“Weil du genausowenig rechnen kannst wie dein tapferes Schneiderlein.”

“??”

“Na, denk doch mal nach. Sie haben zwei Möglichkeiten. Eine davon ist möglicherweise falsch. Und wann finden sie heraus, ob sie falsch war?”

“Du meinst …”

“Nach zwei Tagen, genau. Und was unternehmen sie dann?”

“Besser machen?”

“Kluger Wolf. Und dazu müssen sie die gleichen zwei Tage wieder zurück. Macht vier. Wenn sie wieder da sind?”

“Kaufen sie Brot für sieben Tage?”

“Quatsch, du BWL-Genie! Sie kaufen nochmal Brot für zwei Tage und nehmen den anderen Weg.”

“Ah, logisch.”

“Die Chance, dass sie falsch laufen, beträgt grade mal fünfzig Prozent. Ganz gut für eine Lebensentscheidung, find ich. Und selbst wenn sie ihren zweiten Versuch nutzen müssen, brauchen sie insgesamt immer noch Brot für sechs Tage, nicht für sieben.”

“Genial.”

“Märchenhaft genial. Wie geht deine Schauergeschichte überhaupt weiter?”

“Moment, da haben wir die Anmerkungen der Brüder Grimm selber, in der dritten Auflage 1856. Die stehen im dritten Band der großen Reclam-Ausgabe:

Georg Friedrich Kersting, Caspar David Friedrich auf der Wanderung ins Riesengebirge, 18. Juli 1810Nach einer Erzählung aus dem Holsteinischen, die besser und vollständiger ist als die in den früheren Ausgaben unter dem Titel die Krähen sich befindet und einer Überlieferung aus dem Meklenburgischen folgte. Bei Pauli in Schimpf und Ernst Cap. 464 eine einfache Darstellung. Ein Diener wird von seinem Herrn an einen Baum gebunden: böse Geister, die sich Nachts da versammeln, sprechen daß ein Kraut welches unter dem Baum wächst, das Gesicht wieder gebe. Nachdem er sich geheilt hat, macht er damit eines reichen Mannes Tochter wieder sehend und erhält sie mit großen Gütern zur Ehe. Sein voriger Herr will sich auch solchen Reichthum verschaffen, geht zum Baum, wo ihm des Nachts die Geister die Augen ausstechen. In der Braunschweiger Sammlung (S. 168–180) mit dem unsrigen übereinstimmender, aber schlecht erneuert. Krähen die, auf dem Baume sitzend, von Augen aushacken sprechen, auch in Helwigs jüdischen Legenden Nr. 23, hier, indem sie dem Blinden sagen was er thun soll, gleichen sie den Vögeln die dem Sigurd guten Rath geben (s. Fafnismâl und Anmerk. zu Str. 32). Der frischgefallene Thau der das Gesicht wieder gibt, ist das Reine, das alles heilt, der Speichel, womit der Herr dem Blinden das Gesicht wieder gibt, und das unschuldige Kinder- oder Jungfrauenblut, wodurch die Miselsüchtigen genesen; vergl. Altd. Wälder 2, 208 und armer Heinrich S. 175 ff. In der Braunschweiger Sammlung kommt das Märchen S. 168–180 vor, in dem Büchlein für die Jugend S. 252–263. Bei Pröhle Märchen für die Jugend Nr. 1. Dänisch bei Molbech Nr. 6 mit eigenthümlichen und guten Abweichungen. Norwegisch bei Asbjörnsen Bd. 2. Böhmisch bei Gerle Bd. 1, Nr. 7 St. Walburgis Nachttraum oder die drei Gesellen. Ungarisch bei Gaal (Nr. 8) die dankbaren Thiere, bei Mailath die Brüder (Nr. 8), bei Stier die drei Thiere S. 65. Serbisch mit einer eigenthümlichen Einleitung bei Wuk Nr. 16. Im Heftpeiger des persischen Dichters Nisami kommt eine offenbar verwandte Erzählung vor, welche Hammer in der Geschichte der schönen Redekünste Persiens (Wien 1818) S. 116. 117 aus der Handschrift bekannt gemacht hat. Chair wird von einem treulosen Reisegefährten Scheer, den er für seinen Freund hält, erst seines Vorraths an Wasser, dann auch seiner Augen beraubt und mishandelt. So bleibt er liegen, bis ein schönes kurdisches Mädchen ihn findet, verpflegt und heilt. Der Jüngling heilt die Tochter des Wesirs und Sultans und läßt sichs wohlgehen, bis er eines Tages seinem alten Gefährten begegnet, dem er verzeiht, der aber von einem Kurden getödtet wird.

Der Schneider bleibt auf einem Galgenberg unter zwei Gehängten liegen. Die unterhalten sich, und er kriegt mit, dass er sich mit dem Tau, der von ihnen ins Gras tropft, die Augenhöhlen waschen muss, damit er wieder sieht. Das macht er, freut sich und kämpft sich zur Königsstadt durch, hilft unterwegs ein paar Tieren, kriegt von jedem einen Wunsch frei und wird am gleichen Tag Hofschneider wie der Schuster, der nicht mehr sein Kumpel ist …”

“… denk ich mir …”

“… Hofschuster wird. Unterwegs hat er übrigens vier Tieren geholfen, nicht wie üblich dreien.”

“Kommt da die Vierzahl rein, die sie bei ihrer Lebensmittelplanung vernachlässigt haben?”

“Glaub ich jetzt nicht. So buchhalterisch geht’s nicht. Ist doch bloß ein Märchen.”

“Eben, mein Lieber, eben. In denen geht’s normalerweise gerecht zu. Dass der Schneider mit Hilfe seiner dankbaren Tiere alles schafft und die Königstochter und das halbe Reich kriegt, setz ich voraus. Was wird aus dem Schuster, dem Kameradenschwein?”

“Der

Moritz von Schwind, Abschied im Morgengrauen, 1859mußte die Schuhe machen, in welchen das Schneiderlein auf dem Hochzeitfest tanzte, hernach ward ihm befohlen die Stadt auf immer zu verlassen. Der Weg nach dem Wald führte ihn zu dem Galgen. Von Zorn, Wuth und der Hitze des Tages ermüdet, warf er sich nieder. Als er die Augen zumachte und schlafen wollte, stürzten die beiden Krähen von den Köpfen der Gehenkten mit lautem Geschrei herab und hackten ihm die Augen aus. Unsinnig rannte er in den Wald und muß darin verschmachtet sein, denn es hat ihn niemand wieder gesehen oder etwas von ihm gehört.

Glücklich damit?”

“Joh, das geht okay. Ist ein langes Märchen, oder?”

“Ziemlich, und richtig detailverliebt ausgeschrieben – also schon aus der Werkstatt von Wilhelm, nicht Jacob Grimm. Da braucht’s Brot für sieben Tage.”

“Für vier bitte. ‘Das Brot wird in der heißen Zeit trocken und obendrein schimmelig.’ Und Zwiebeln fehlen.”

“Ist doch bloß ein Märchen.”

“Eben, mein Lieber, eben.”

“Geh ja schon.”

Bilder: Johann Christian Reinhart: Titelblatt der Erstausgabe Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus, 1803;
Georg Friedrich Kersting: Caspar David Friedrich auf der Wanderung ins Riesengebirge, 18. Juli 1810;
Moritz von Schwind: Abschied im Morgengrauen, 1859.

Dieses Dokument wird das römische Reich bis in seine Grundfesten erschüttern!

Die schlechte Nachricht zuerst: Die ganze Woche ist nichts Gescheites passiert. Die gute Nachricht ist: Sonst eigentlich auch nichts.

Etwas anderes zu behaupten hieße nach Ansicht einiger verwirrter Menschen (you know who you are), sich mit der “Lügenpresse” gemein zu machen, und wenn man noch andere Hobbys hat außer Bloggen, muss man ja aufpassen, von welcher Seite der — nennen wir es “Wind” — weht.

Greifen wir also zurück auf die wichtigste Nachricht der letzten Woche: Der neue Asterix ist da. Das wird noch viele Wochen bis Jahrzehnte wichtig bleiben, immerhin war seit 1959 noch keiner der insgesamt 36 Bände jemals vergriffen.

Und es will auch was heißen, dass zumindest die Süddeutsche Zeitung, die Welt und die Münchner tz am selben Tag (22. Oktober 2015) ihre Feuilletons damit so groß wie möglich aufgemacht haben: nämlich, dass Ehapa diesmal viel mehr in die PR investiert hat. So prominent wurde meiner Erinnerung nach weder der letzte Band “bei den Pikten” beworben, als Texter und Zeichner ausgewechselt wurden, noch die letzten paar, allerdings nicht besonders relevanten Heftchen, die Albert Uderzo noch allein gestemmt hat.

Vom angemieteten Jubel mal abgesehen, scheint sich die Anschaffung allerdings endlich mal wieder zu rentieren: Gut, der Plot ist nicht dermaßen tarantino-raffiniert wie der “Arvernerschild” und der Humor nicht so übermütig wie “als Legionär“, aber Ferri & Conrad schlagen sich langsam recht ordentlich (was ja in den meisten Heften bisher die Hauptsache war).

Endlich wieder ein Asterix mit dem Zeug zum Klassiker — gerade mit dem betont aktuellen Problem aus Datenschutz und Geschichtsklitterung. Das wird in zehn Jahren als Retro-Science-Fiction durchgehen, so wie heute die Comics von 1975, in denen im Jahr 2000 alle bunte Taucheranzüge anhaben, mit dem Ein-Mann-Raumschiffchen unter Glaskuppeln umherfliegen, sich gegenseitig mit Laserpistolen ausknipsen und es hoffnungsfroh “die Zukunft” nennen.

Die genannten Feuilletons verkünden als Ladenpreis 12 Euro. Das gilt fürs Hardcover — braucht kein Mensch. Unvorsichtigerweise hat der Verlag fürs Softcover noch nie bei der Papier- und der Druckqualität was nachgelassen, damit kommen Sie mit 6,50 weg. Ich warte wie immer, bis das Softcover ein Lutschbonbon kostet (woher ich dann alles über die Handlung weiß, wenn ich’s noch gar nicht gekauft hab? — Mein Gott, 1979 haben sie beim Hugendubel “Leseinseln” eingerichtet). Ab einem gewissen Grad der Zerlesenheit sehen sie sowieso viel authentischer aus: “Pro captu lectoris habent sua fata libelli.”

Könnte das nicht mal der alte Pirat sagen?

Der Papyrus des Cäsar in der Süddeutschen, der Welt und der tz vom 22. Oktober 2015

Bild unter Verwendung hoffentlich genügend verfremdeten, aus Gründen des Urheberrechtsschutzes nur sekundär und extra mies wiedergegebenen Bildmaterials des Ehapa Verlags: Meins. Für jede weitere Verwendung von Asterixbildern, die über verschwommenes Erinnern hinausgeht, müssen Sie den Ehapa Verlag fragen.

Bargeldlos durch die Nacht

Auf dem 181. Oktoberfest, das war das anno 2014, wurden 7,7 Millionen Maß Bier verkauft. Nach Rechnung des kritischen Oktoberfestverbrauchers wurden demnach ungefähr 3,85 Millionen Litern Bier ausgeschenkt.

Von diesen nicht mal vier Millionen läuft eine geschätzte Million über Biermarken, und von Freibier wird man ja nicht besoffen — vor allem dann nicht, wenn auch noch ein halbes Hendl dabei ist. Die restlichen drei Millionen vertrocknen nach kurzem Körperkontakt mit Amerikanern, die bis soeben gedacht haben, “Bud” wäre ein Bier, auf den Geh- und Bahnsteigen im Umkreis von fünf Kilometern um die Theresienwiese.

“2014 hat also gar niemand auf der Wiesn besoffen sein können“, deduziere ich Vroni.

“Dann ist ja gut”, versucht sie sich nicht an meine damalige Heimkehr zu erinnern. Dabei reden wir gar nicht mal von 2014, es muss so gegen 2001 gewesen sein. Ich war jung und verbrauchte das Geld.

“Was machen wir heuer?” frage ich weiter, vorausschauend, in die Zukunft, zu neuen Taten, wie immer.

“Wieso? Was sollen wir heuer machen? Machen wir nicht dauernd irgendwas?”

“Das ist mein Spruch. Was machen wir heuer mit der Wiesn?”

“Die Frage ist: Was macht die Wiesn mit dir?”

“Sollten wir denn nicht irgendwas um die Wiesn machen?”

“Hm … Einen möglichst großen Bogen?”

In den meisten Fällen gibt es Sinn, wenn wir einfach machen, was sie sagt.

Musikantn geigt’s auf

Da verstehen sie sich wieder parteienübergreifend, die Schwollköpfe von der CSU und SPD (doch, echt, München hat eine SPD, und sie regiert sogar): Wenn man bei der Kultur was einsparen kann, warum soll man das dann nicht machen? Weil mir mir san und dahoam dahoam is, bauen wir den Konzertsaal im Gasteig (2387 Sitzplätze) bloß irgendwie und dennen den Herkulessaal (1270 Sitzplätze) a wengl ertüchtigen (das heißt wirklich so), dass die Geigenhanseln nicht grad auf dem Gang zum Schiffhäusl proben müssen und irgendwie eine Dings, eine Akustik dabei hergeht. Nicht dass wieder der Bernstein daherkommt und ihm wie bei der Gasteig-Eröffnung 1985 nix anderes einfällt als wie: “Burn it.”

Die Begründung ist, dass für die schwere Musik auf den Klassikkonzerten doch eh grad das Publikum wegstirbt. Haben sie beschlossen und wahrscheinlich grüabig dabei was zu lachen gehabt, die grauhaarigen Eminenzen.

Deswegen werden wahrscheinlich auch die Jugendprogramme für klassische Musikausbildung weggespart, damit sich das nicht so hinzieht mit der biologischen Lösung. Wenn einer zugeschaut hat, wie lang das Deutsche Theater umgebaut worden ist und der Umbau vom Umbau hinterher, werden wir das eh nimmer erleben, dass wir die eine Generation lang brachliegende Philharmonie im Gasteig eröffnen brauchen. Bis dahin hat schon längst jeder vergessen, dass man Klassik gleich gar abonnieren kann.

Wozu auch. Letzthin hat doch die Milla aufgemacht, wo sie weniger Klassik spielen und dafür viel mehr Augustiner umsetzen. Da hat man doch gesehen, dass sich der Markt selber regelt: Wo eine Musi spielt, da kommen die Leut dann schon dahergeströmt bis in den Keller obe, und wie sich ein privates Engagement rentieren kann: In einen alten Abwasserkanal unter den Glockenbachvorstadtkellern haben die sich ihren Konzertsaal drin hineingemeißelt und fragen auch nix nach einer Akustik! Der Beckenbauer hat sich sogar ganz allein ein neues Bayernstadion am Arsch von der Heide hingestellt — und wird das jetzt benutzt oder nicht? Inzwischen kriegen die Kabarettkasperl und die, wo ein bisserl schön singen können, jedes Jahr ihre Armenspeisung, die wo der Ude noch eingeführt hat. Eine Infrastruktur und eine Nachverdichtung (das heißt auch wirklich so) mit Wohnungen für die solchernen, wo sich München wenigstens noch leisten können, wenn sie schon da sind, also beides auf einmal kann man halt net haben.

Hoffentlich ist es uns noch vegönnt zu erleben, wie einst das Oktoberfest saniert werden muss. Das hat den Vorteil, dass es jedes Jahr aufgebaut und wieder abgerissen wird, damit man auf der gleichen Fläche auch noch mit dem Frühlingsfest und dem Winter-Tollwood eine Kassa machen kann, aber es sollte mich wundern, wenn sie da mit dem Material und den Installationen nicht sparen täten, was geht. Wenn dann die Amis da sind, die zeitlebens ihr Budweiser für Bier gehalten haben, und es haut in einem Jahr nicht mehr recht hin mit dem Bier vorn rein und Vergiftungsfälle hinten raus, wird dann die Wiesn auch in ein paar untergenutzte Mehrzweckhallen im Umland ausgelagert?

Einen Papp natürlich. Das Oktoberfest bringt man viel besser im Schlachthof unter, keinen Kilometer weit von der bisherigen Wiesn entfernt, inzwischen schon selber ein kultureller Austragungsort mit Tradition, und die Speiberei von den Russen und Australiern kann man alle Abend mit dem Schlauch in den Gulli in der Mitte nausspritzen. Einen Konzertsaal zuwegens dem Weltruf — ja, noch was? Senft obendrauf?

So richtig zufrieden scheint bis jetzt keiner mit dem, was passieren soll, das heißt: Da wird schon noch ein Kompromiss rumkommen. Muss ja, wenn man in so einer Demokratingsda wohnt, wo immer gleich jeder Dahergelaufene seine Bürgergoschen mit neihängen darf. Im Gasteig lassen sich ohne größeren Aufwand gleich ein paar Discos einbauen wie in den Kunstpark Ost, ist ja eh gleich gegenüber von der Kinder- und Jugendbibliothek; der Herkulessaal taugt noch als Speis für die übrigen Räume von der Residenz, die wir dann für Events einzeln vermieten, und die Allerheiligen-Hofkirche geben wir der Edeka her, die eh schon die Schrannenhalle haben wollt, als Gastro Erlebnis Welt.

Ein paar Millionen für dem Mozart sein Gejammer, damit ein Publikum, das jetzt dann bald hin ist, in einer Akustik mit einer Weltklasse seine Hörgeräte scharf stellen kann. Vielleicht noch Kindertagesstätten für Familien, die eh alle nach Erding ziehen? Wie wenn’s nicht reicht, dass wir alle Jahre den besoffenen Chinesen hinterherräumen.

Es heißt ja nicht: “München hat nach Beerdigungsgefiedel gedröhnt und nachher nach Magensaft gestunken”, sondern: “München leuchtete.” Vergangenheit, hammer uns?

Cot almahtico

DER HERR hat mich gehabt im anfang seiner wege / Ehe er was machet / war ich da. Jch bin eingesetzt von ewigkeit / von anfang vor der Erden. Da die Tieffen noch nicht waren / da war ich schon bereit / Da die Brunne noch nicht mit wasser quollen. Ehe denn die Berge eingesenckt waren / vor den Hügeln war ich bereit. Er hatte die Erden noch nicht gemacht / vnd was dran ist / noch die Berge des Erdbodens. Da er die Himel bereitet / war ich daselbs / da er die Tieffen mit seim ziel verfasset. Da er die Wolcken droben festet / da er festiget die Brünnen der tieffen. Da er dem Meer das ziel setzet / vnd den Wassern / das sie nicht vbergehen seinen Befelh. Da er den grund der Erden legt / da war ich der Werckmeister bey jm / vnd hatte meine lust teglich / vnd spielet fur jm allezeit. Vnd spielet auff seinem Erdboden / Vnd meine lust ist bey den Menschenkindern. SO gehorcht mir nu meine Kinder / Wol denen / die meine wege behalten. Höret die Zucht vnd werdet Weise / vnd lasset sie nicht faren.

Sprüche Salomo, 8,22–33.

Das ist Wessobrunn.

Ortsmitte Wessobrunn

Wasserwerk Wessobrunn

Das ist der Weg nach Wessobrunn.

Gates of Wessobrunn

Gates of Wessobrunn

Gates of Wessobrunn

Gates of Wessobrunn

Gates of Wessobrunn

Gates of Wessobrunn

Das sind die Wessobrunnerinnen.

Wessobrunnerinnen Kühe

Das ist das Kloster Wessobrunn.

Kloster Wessobrunn mit Grauem Herzog

Und das, das ist das Wessobrunner Gebet. Neuhochdeutsch, kann man ja noch lesen.

Klosterkirche Wessobrunn, Gebet

Und das ist das Wessobrunner Gebet nochmal in Älter. Althochdeutsch, kann man ja gar nicht lesen. Saualt. So weit von unserer Sprache weg, dass man Holländisch, Plattdeutsch oder das Gegrummel aus dem Landkreis Nürnberger Land besser versteht. So alt ist das Gebet.

Wessobrunner Gebet, Gebtetsstein unter der Gebetslinde auf dem Lindenfleck

Eine von den Wurzeln der deutschen Literatur, kann man ruhig so sagen.

Wessobrunner Gebet, Gebetsstein unter der Gebetslinde am Lindenfleck

Muss man unbedingt mal hin, ist ja ein Geschenk, sowas, dass sich das so erhalten hat. Der Zettel, wo das Wessobrunner Gebet draufsteht, liegt heute ja schon in München, in der Stabi, Clm 22053, 65v und 66r, aber erst seit 1806 oder so, seit dem Napoleon. Haben also sogar die Säkularisierung überlebt, das Kloster und das Gebet, und sehen heute noch gut aus und können einwandfrei benutzt werden.

Und dann kommt da so’ne Frau.

Die Missions-Benediktinerinnen von Tutzing verkaufen das Kloster Wessobrunn an Martina Gebhardt

Nach 99 Jahren haben sich die Missions-Benediktinerinnen von Tutzing entschlossen, das Kloster Wessobrunn zu verkaufen.

Martina Gebhardt, Inhaberin der Firma Martina Gebhardt Naturkosmetik GmbH und MG Naturkosmetik Produktions GmbH, wird mit Ihren Gesellschaften in das 7 km entfernte Kloster Wessobrunn ziehen und dort Produktion, Heilpflanzenanbau, Vertrieb und Tagungshotel einrichten.

Im Weiteren sind Räume für Kunst, Manufakturen und Ausstellungen geplant.

Klingt komisch, ist aber so. Wo die freundlichen Schwestern seit eineinviertel Jahrtausenden auf die Quelle der deutschen Literatur aufgepasst haben, da darf jetzt eine neue Schwester kommen und ihre freizeitayurvedischen Duftseifen zusammenkochen, neben ihrem Tagungshotel mit Aufenthaltsraum, Tischtennis und Beamer. Haben sich eben doch ein paar Wertsetzungen verschoben seit der Zeit vor Karl dem Großen.

Eingang Klosterbücherei Wessobrunn

Klosterführung Bücherei Wessobrunn

Da muss man nämlich ganz gut aufpassen, liebe Kinder, wie es auf dem Zettel, auf dem das Wessobrunner Gebet draufsteht, drunter noch weitergeht. Diesmal lateinisch, also noch ältere Sprache, und gehört deswegen schon nicht mehr richtig zum Gebet dazu. Da steht nämlich:

Qui non vult peccata sua penitere | ille venit iterum ubi iam amplius | illum non penitebunt | nec illorum | se ultra erubescit.

Das heißt auf Neuhochdeutsch, damit es die Frau Gebhardt auch versteht:

Wer seine Sünden nicht bereuen will, kommt dereinst dorthin, wo sie ihn nicht mehr reuen können und er sich ihrer nicht mehr schämen kann.

Und so kommt man übrigens aus Wessobrunn wieder weg.

Bushaltestelle Wessobrunn Kloster, SOS

Bushaltestelle Wessobrunn Kloster

Du musst kein Schwein sein,
auch wenn der SPIEGEL das sagt.

DEM KATER SÎN BLOG: Hier spricht der Kater.

Trust and belief are two prime considerations. You must not allow yourself to be opinionated.

Only the gentle are ever really strong.

James Dean

Man kommt schon ohne Betrug oder ohne andere zu nerven in der Welt zu etwas. Einfach nur mal ausprobieren! Es tut gar nicht weh.

Ein tendenziöser Artikel auf SPIEGEL Online diese Woche zeigte mir, wie wichtig doch auch seine Kommentaristen sind.

Zeigte der SPIEGEL-Artikel “dank” eines “Whistleblower”-Verkäufers reißerisch auf, wie stark auf Einkäufer- und Verkäuferseite erfolgreich, da höchst-kreativ, getrickst und betrogen werde – bis hin zum dreisten Doppelfake, der Fake-Ausstellung angeblich gefakter China-Produkte, um Preise des starken Lieferanten stark zu drücken.

Rührte sich darauf ein Kommentarist, was das vom Autor und dem Interviewten soll. Und ob man auch bedacht hat, dass solches als gängige Geschäftspraktik gepriesene ruppige und bis ins illegale betrügerische Geschäftsverhalten nicht von Dauer ist. Beständige und vertrauensvolle Kunden-Lieferantenbeziehungen könnte so jedenfalls nicht entstehen und er selber hätte geschäftlich nur positive Erfahrungen mit nachhaltigerem Umgang.

Was soll ich sagen: ich auch.

Danke an diesen Kommentaristen. Ich mag es, wenn Kommentaristen geistig heller sind als derlei trübe Artikelschreiber. Und wünsche mir ebenfalls keine entfesselte Zockerbande als einkaufende Kundschaft, sondern vernünftige bodenständige Menschen und handle selbst ebenso.

Mit Schwein sein, kann man gern schnell reich werden wollen. Aber dann gehen Sie bitte woandershin. Ausgang nächste Tür rechts. Aber gerne! Nichts zu danken.

Hängebauchschwein mit blauen Augen, sich ausruhend

Dieses Hängebauchschwein, das sich gerade ausruht, bedankt sich auch. Diese Augen! blau und sehr menschlich. Der Vergleich solcher Menschen mit einem Schwein ist aber eigentlich eine Beleidigung. Für das Schwein.

 

 

 

Neulich in der Schnapsabteilung

“Und du bist sicher, dass du eine Sauferei mitbringen willst? Blumen tun’s nicht?”

“Wir können ruhig was beitragen.”

“Gibt’s nix bei denen?”

“Schnittblumen sind von vornherein tot. Vom Schnaps haben sie länger was.”

“Mindestens bis zum übernächsten Mittag.”

“Sie sollen ihn ja nicht exen.”

“Wenn’s der richtige ist …”

“Schau lieber mit. Du schaust doch sonst gern Schnaps an.”

“Aber ohne die surrealen Preisschilder.”

“49,99? Find ich ziemlich reell.”

“Umso schlimmer.”

“Ein Schnäppchen.”

“Nein, ein Schnäpschen. Billiger als die Entgiftung hinterher.”

“Die sind nicht mal in Facebook. Ich sag doch, dass die den schon nicht exen.”

“Sondern was? Das Waschbecken putzen?”

“Mit dem Plempel für 21,99 vielleicht.”

“Was aus der Gegend, wie wär’s?”

“Zwetschgenwasser, Bärwurz oder so?”

“Sehr witzig.”

“Da ist was. Bayerischer Whisky.”

“Wird man von dem weißblau?”

“Und so viel davon.”

“Slyrs, Coillmór, Stonewood … Jeder davon der einzige bayerische Whisky.”

“Das behaupten die gar nicht. Du wirst nochmal verrecken an einem Kalauer.”

“Oder an einem Whisky, der Speyburn heißt.”

“Genau das mein ich. Der ist schottisch.”

“Hab ich dir mal erzählt von dem schottischen Bier, das Brunswicks heißt?”

“Ja, etwa wöchentlich.”

“Feiner Stoff.”

“Außer wenn man ihn bestellen will.”

“Schottland ist gut. Schottland ist cool. Besser als England.

“Machen die Whisky? British Blend?”

“Der da ist aus Sauf-Wales.”

“Gehört Wales zu Britannien?”

“Geographisch vielleicht. Zum Saufen gehören sie alle.”

“Vor allem der Whisky.”

“Welchen nehmen wir jetzt? Die werden ja alle sechs Jahre einen Zwanziger teurer.”

“Da haben wir ja noch Chancen auf dem Markt.”

“Wenn wir Whisky werden.”

“0,7 Liter auf 89 Euro runtergesetzt?! Ham dien Sprung?”

“Dafür 48,5 PS.”

“Komm, wir gehn Blumen kaufen.”

“Dann nehmen wir doch den.”

“Four Roses?”

“Ja, der is gut.”

Soundtrack: Marius Müller-Westernhagen Johnny W. aus: Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz, 1978. Platten kann man ja heute nicht mehr schenken.

Man muss nehmen, was man kriegen kann.

Das sagt sich so dahin.

Muss man?
Gier in harten Zeiten (und auch sonst), das Erstbeste zu nehmen. Die Gier der Bänker, die Gier der Konsumenten: Wir nehmen, was wir kriegen können, sonst nimmt es ein anderer.

Bild: Zirkuslichter. Der Zirkus des Lebens.
Zirkuslichter – Der Zirkus des Lebens und die Flammen der Hölle
(Bild: Vroni Gräbel, interpretierende Fotografie nach Art von Gerhard Richter beim Besuch des wunderbaren Zirkus Roncalli 2013)

Hieronymus Bosch assoziierte da keinen Zirkus, sondern einen Heuwagen als Symbol für Hab und Gut:

Hieronymus Bosch: Der Heuwagen (Mittelflügel), um 1500
Ein flämisches Sprichwort sagt: „Die Welt ist ein Heuhaufen – ein jeder pflückt davon, soviel er kann.” (Quelle: Wikipedia, Commons)

 

Ludwig Tieck is coming home

Vorher: Aus dem Antiquariat Stefan Küpper, Duisburg. Wölfchen-Anhänger aus Thoddys Wolf-Kinderclub, ca. 1999:

Briefkasten

Nachher: Ludwig Tieck: Frühe Erzählungen und Romane, Winkler-Verlag München, 1963: Franz Sternbalds Wanderungen, Waldlied, 1798:

Ludwig Tieck, Franz Sternbald, Doppelseite

     Waldnacht! Jagdlust!
Leis und ferner
Klingen Hörner,
Hebt sich, jauchzt die freie Brust!
Töne, töne nieder zum Tal,
Freun sich, freun sich allzumal
Baum und Strauch beim muntern Schall.

     Kling nur Bergquell!
Efeuranken
Dich umschwanken,
Riesle durch die Klüfte schnell!
Fliehet, flieht das Leben so fort,
Wandelt hier, dann ist es dort –
Hallt, zerschmilzt, ein luftig Wort.

     Waldnacht! Jagdlust!
Daß die Liebe
Bei uns bliebe,
Wohnen blieb’ in treuer Brust!
Wandelt, wandelt sich allzumal,
Fliehet gleich dem Hörnerschall: –
Einsam, einsam grünes Tal.

     Kling nur Bergquell!
Ach betrogen –
Wasserwogen
Rauschen abwärts nicht so schnell!
Liebe, Leben, sie eilen hin,
Keins von beiden trägt Gewinn: –
Ach, daß ich geboren bin!

Artgerechte Haltung

Kapuzinerkloster Isarvorstadt, Innenhof

Das Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses e.V. (ifp) ist in einem ehemaligen Kapuzinerkloster mitten in München beheimatet. Quelle Wikipedia Creative Commons, Author Ulla Schmitz

Kapuzinerkloster Isarvorstadt, Innenhof

Irgendwo in den Tiefen der Blogosphäre

hat es mir mal den Vorwurf “Heuchlerin” eingetragen, als ich auf einem fremden Blog fand, dass es eine gute Sache sei, ob man jetzt Veganer sei oder nicht, sich zusätzlich für Animal’s Angels einzusetzen. Weil ich fand: Alleine vor sich hin vegetarisch oder vegan zu leben reicht nicht ganz aus, wenn man wirklich das Leid der Tiere verringern will.

Denn das vegetarische Dasein eines Teils der Bevölkerung kratzt trotzdem nicht die, die mies mit den Tieren per Massentierhaltung und Massentransport umgehen. Das kratzt trotzdem nicht die homines oeconimici, die den wachsenden Fleischhunger außerhalb unserer Landesgrenzen mit möglichst minimalen Kosten = maximalem Erlös brutal und ohne Gefühle ausnützen.

Weltfrust versus Achtsamkeit

Egal, woher der Forist sich das Recht nahm, persönlich zu diffamieren: Empathie, Mitfühlen mit den Wesen auf dem Erdball war es wohl nicht. Persönlich diffamieren ist eher die Lust, sich ein Ventil im Internet zu schaffen, um seinen allgemeinen oder persönlichen Lebensfrust loszuwerden.

Artgerechte Haltung sollte doch eigentlich beim Menschen beginnen. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn man sich selbst nicht mag, wer gar voller Selbsthass ist, kann seinen Nächsten auch nicht leiden. Wie man mit sich selbst umgeht, lässt demnach auf ebensolchen entweder respektvollen oder schlimmen Umgang mit Menschen und Tieren schließen.

Es hat sich zwar einiges geändert seit der vorletzten Jahrhundertwende, wenn man an die miesen Produktionsbedingungen für die Arbeiter in der Gründerzeit denkt.

Doch ganz ist es aus den Arbeitsleben nicht verschwunden, dass Menschen unter unzumutbaren Umständen arbeiten müssen. Großraumbüros mit üblem Neonlicht, die allein schon deswegen stressen, sind noch das Wenigste. Ein Luxusproblem – verglichen mit den Zuständen in globalisierten Produktionsstätten.

Es muss um die Zeit der New Economy gewesen sein

Mir hat  – erneut Luxusproblem natürlich – die Art des Umgangs meiner letzten Ex-Cheffin mit ihren Mitarbeitern nicht gefallen. Sie hat ihre eigenen Leute vor ihren Kunden in die Pfanne gehauen. Alle. Sie hat nach erschöpfenden Pitches, wo die Arbeit unter Zeitdruck jedesmal bis in die Nacht ging, an den Tagen danach keine Freistunden erlaubt. Sie hat Zusagen nicht eingehalten. Sie hat nachts um elf den für den Pitch eingekauften Freelancern vorgeworfen, sie würden unnütze Zeiten schinden. Dabei warteten sie auf sie, auf ihre Textlieferungen, mit denen sie sich ganz schön Zeit ließ. Damit sie endlich in die Layouts eingefügt werden können, die am nächsten Tag frühmorgens präsentiert werden sollen.

Das volle Programm. Die Lady war eine Pest. Wenn schon Neonröhren, dachte ich mir, dann doch wenigstens mit Menschen, mit denn man vereint an einem Strang ziehen kann. Und nicht mit Menschen, die einem auch das noch vorwerfen.

Jeden Tag sehen müssen, wie es anders geht

Mit sehnsuchtsvollen Gedanken nach Ruhe, Einkehr und gutem statt stressigem Umgang miteinander fuhr ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit an einem Kapuzinerkloster vorbei. Da wäre ich jetzt gerne, dachte ich. So weit war ich schon als aus der Kirche Ausgetretener, mich in ein Kloster zu wünschen, um der Pest zu entgehen.

Ich wünschte mir dringend artgerechtere Haltung.

Umsetzung

Wenig später kündigte ich. Ich versuchte anschließend, mich selbst artgerecht zu halten. Mein eigenes Büro hat einen schönen Kamin und keine Neonröhren. Wenn ich mal nachts bis früh um fünf durcharbeite, gönne ich mir das Ausschlafen. Ich gönne mir freundliche Kunden. Miesepeter, misstrauische 200%-Optimierer und Indien-IT-Outsourcer not welcome. Ja, und Tiere im Büro sind unabdingbar. Moritz ist Betriebsklima pur.

Katze Moritz auf dem Bett

Tölpel, Nichtsnutze, ihr seid gefeuert!

Und noch:

“Geld ausgeben? Ihr spinnt wohl. Dann habe ich es ja nicht mehr.” (Dagobert Duck, 65)

Angebrannter Glühwein

Glühwein, am Topfboden angebrannt

Ein denkwürdiges Jahr geht zu Ende. Wer glaubte, dass einige Dinge nicht möglich sind, musste sich, schwer schnaufend, seit der Finanzkrise korrigieren lassen.

Im Alltag gelten jedoch andere Erfahrungen, die uns stärker berühren. Zum Beispiel, dass in der Mehrowingerstraße geblitzt wird. Und neue Erkenntnis im Jahr 2012: Man kann Glühwein anbrennen lassen.

Damit diese etwas beunruhigende Aussicht nicht von weiterführenden melancholischen Betrachtungen getrübt wird, von mir der letzte rattenscharfe Cat Content des Jahres 2012 als Gruß an den geschätzten Leser:

Moritz krallt sich fest

Fertig machen zum Entern

Moritzens Katzenpfote krallt sich auf der Jeanshose fest.

Geentert

Unsere Miez Moritz wird das neue Jahr 2013 vermutlich ebenso im Griff haben.

 

 

Vorsicht Auftrag! Das QUALITÄTS-Internet.

Die enorme Steigerung der Qualität der Anfragen
seit es dieses ähm Internetz gibt.

 

Anfragen, die ich im Stundentakt so bekommen habe:

Kreativer Design-Auftraggeber:

„… habe ich schon ein Bild im Kopf, wie das Logo aussehen könnte! Und zwar ein nach unten geöffneter Magnet wie das A von Axxxxx und Attraktivität und ein B wie Bxxxxx wie ein um 90° gedrehtes Herz.“

Im Grafikerhirn ein gordischer Knoten am Entstehen ist.

 

Smart II

„… bewundere ich Ihr Lebenswerk, d.h. die Agentur und ihr ganz nebenbei liebevoll gepflegtes, originelles Logbuch!“

Ich will Ihnen gleich eine nutzlose Sache aufschwatzen!

 

„… biete Ihnen emotionale, inspirierende Texte an. Dafür machen Sie uns das Logo zu dem Portal kostenlos.“

Liefere Ihnen hohles Geschwalle.

Wenn dafür dieses irrwitzige Hunde-gegen-Torten-Portal, das keinerlei Monetarisierungsansatz aufweist, nicht fliegt, welches ich als Projektarbeit von meinem Professor aufgebrummt bekommen hab, sind Sie mit Ihrem Logo schuld.

 

Smart III

„Auch wenn es nur eine technische Umsetzung ist, will ich auf gar keinen Fall dafür Design-Nutzungsrechte zahlen. Löschen Sie speziell für diesen Auftrag die Nutzungsrechtsbestimmungen in Ihren AGB!“

Übers.: Ich habe die Anwartschaft auf Kunde aus der Hölle und du kannst gar nix dagegen machen!

[Anm. d. S.: Für rein technische Umsetzungen sind eh keine Nutzungsrechte zu vergüten. Wozu dann umständlich in den AGB die Nutzungsrechtsabsätze entfernen, wenn sie ersichtlich eh nicht greifen.]

 

Klever aber nicht klever genug IV

„Lassen Sie uns kooperieren/Synergien nutzen.“

Sie Print-Grafikerwurm, von dem wir Supertekkies annehmen, dass Sie sowieso kein gescheites Webdesign können, leiten an unsere IT-/Internet-Solutions-Com-Sys-Firma Ihre nichtsahnenden Auftraggeber weiter. Wir gedenken aber unsererseits nicht, Ihnen eine Gegenleistung anzubieten.

Reloaded: Du sollst etwas für uns tun. Aber wir tun sicher nichts für dich.

Ohne dieses ähm Internetz wüsste man gar nicht mehr, wie man noch leben und arbeiten sollte. Gebe Kalleblomquist insgeheim recht:

„Wissen Sie was sie produziert haben? Dicke Goldadern von Kundschaft die – von putzigen Katzenbildern über von Homosexuellen gefickte Kinderärsche bis Betroffenheit über spanische Mieter und böse Banken – alles “liken” und sich gleichzeitig einen Scheiss um irgendwas kümmern. Glückwunsch und viel Spass beim Malochen in den Scheisseminen der Aufmerksamkeitshölle!“

Übesetzung diesmal nicht notwendig.

Quelle: http://rebellmarkt.blogger.de/stories/2158955/#2159068

 

Kulturpreis

Das waren heute wieder 70,32 Euro allein beim V-Markt (hätten Sie gewusst, was Loganberry Jam ist?)

Und weil der V-Markt in der Gegend von der großen Stadtbücherei am Gasteig liegt, auch noch zwei Opern aufgelesen: die Mutter aller Opern: L’Orfeo von Monteverdi und einen abgelegenen Schatz, der bisher genau zweimal eingespielt wurde: Aurora von E.T.A. Hoffmann.

Ein einziges Kilogrämmchen Gimpet Käse-Rollis für die Betriebskatze Moritz gab es für 19,59 Euro, die Opern umsonst.

Moritz meint: “So viel Unterschied muss sein.”

Es müsste immer Musik da sein

Weißt’, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem, was du machst. Und wenn’s so richtig scheiße is, dann is wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo’s am allerschönsten is, müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.

Frank Giering als Floyd in Absolute Giganten, 1999.

Noch 2009 musste man nicht lange überlegen, um die Piraten zu wählen, da genügte das Herz am richtigen Fleck. Inzwischen sind sie in mancher Hinsicht wie die CSU geworden: Ob man denen heute noch seine kostbare Wählerstimme verschenken würde, wird man sich ein paarmal überlegen, wenn man den falschen Job hat. Schließlich kann man auch nicht das Kapital wählen, solange man selber arbeiten muss.

Hab ich das richtig verstanden, wie war die Hauptforderung der Piraten? Alles geistige Eigentum soll abgeschafft werden, im Ernst? Ist das eine Art Kommunismus zwonull oder das Gegenteil oder irgendwas Drittes?

Auf dem Stand von 2009 wie von 2012 versteh ich jeden, der Geld sparen will, zum Beispiel dann, wenn er sich Musik anschafft. Die Musik dann von geeigneten Stellen des Internets herunterzusaugen kann da durchaus eine Lösung sein, da vermeidet man einen Haufen Plastikmüll, den man mit den CDs immer mitkaufen musste.

Und das muss, wenn ich die pirateske Argumentation recht verstehe, alles gratis sein, weil geistiges Eigentum die Freiheit einschränkt? Wessen Freiheit? Die Freiheit wovon und wozu? Die Freiheit des YouTube-Kommentierers von Gegenleistungen und zu … keine Ahnung … zum Kommentieren auf YouTube halt, lol, ggg?

Die Tätigkeiten der Musiker, Schreibenden und aller Sparten der visuellen Gestaltung sollen demnach ausschließlich als Hobby existieren. Außer, wenn einer ein Radio reparieren kann, der darf noch schmutziges, unfrei machendes Geld dafür berechnen. Mal sehen, wie lange er das den Piraten noch vermitteln kann. Bis das Radio von Frau Weisband kaputt geht bestimmt.

Das Gute an der Idee ist vielleicht ihre Konsequenz: Je mehr das Musikhören theoretisch vereinfacht wird, desto illegaler wird es praktisch. Dann doch lieber gleich die Geldkomponente rausnehmen, das mindert den Streitwert. Und um nur noch Musik vorzufinden, die von ehemaligen Kunstschaffenden auf Hartz IV in ihren letzten nüchternen Momenten hergestellt wurde, muss man wirklich süchtig auf das Zeug sein.

Jeder, der ein bissel auf dem Kamm blasen und auf dem Telefon Geräusche speichern kann, ist ab sofort Musiker. Die ganze Welt wird ein einziges Myspace: Alle dürfen Musik machen und keinen muss es interessieren; jedenfalls die Teile der Welt mit Handyempfang. Und die alten Beatles-Platten gibt’s endlich geschenkt. Und ledergebundene Eichendorff-Gesamtausgaben. Und das verschwommene Geknipse von Gerhard Richter. Und Webdesign erst! Schon klasse. Und der CSU wie den Piraten verweigere ich Neidhammel mich sowieso nur, weil ich dann endlich was Gescheites lernen müsste. Radios reparieren hab ich schon immer bewundert.

Leid wird’s mir außer um Musikschaffende noch um Musikhörende tun: Nicht so sehr, weil sie, grenzenlos vom geistigen Eigentum befreit, das Gesäusel gnadenlos hübscher hoher Töchter anhören können, die nicht so auf eigenen Gelderwerb angewiesen sind; vielmehr weil im Shuffle-Mode kein Mensch mehr merkt, von wem er gerade die Ohrstöpsel vollgesungen kriegt. Das kann ein Verlust sein: Es liegt ein Bewusstseinsunterschied darin, ob John Lennon auf Two Minutes Silence toujours den Mund hält oder ein von John Cage angewiesenes Orchester auf 4’33”. Meeresrauschen klingt ja auch zum Verwechseln wie Autobahn, hat aber mehr Fans, wenn man ihnen sagt, dass es Meeresrauschen ist. Und die CSU … Na, Sie können folgen. Alles wie auf Myspace: Weil’s wurscht ist.

Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte, Bravo, August 1977 via Cliphead. Audiovisuelle Fundstücke, 12. April 2010

Geistiges Eigentum: Sind Leer-Cassetten der Tod der Schallplatte? in: Bravo, August 1977
via Cliphead. Audiovisuelle Fundstücke, 12. April 2010.

Nicht mal ganz zwei Mark

Es kann sein, dass ich wieder zu tief in mehrere hundert Jahre alte Erlebnisberichte verbuddelt war, in denen die Leute noch mit Klappmützentalern und Hirschgulden zahlen, aber hat jemand etwelche Feierlichkeiten bemerkt, in denen sich darüber gefreut wird, dass wir jetzt seit zehn Jahren diese “Euros” haben?

Um mal positiv zu denken, könnte man sich ja eventuell darüber freuen, dass sich seit zehn Jahren nicht immer alles nur ums Geld dreht, oder wann haben Sie zuletzt mit etwas anderem als einer skurrilen belgischen Krisenvaluta eingekauft? Und es hält das Gehirn fit, wenn man ein paarmal täglich das Einmaleins mit 1,95583 trainiert.

Lange kann’s nicht mehr dauern, bis wieder Geld ausgezahlt werden muss. Dass der Euro nach einem unerwarteten vollen Jahrzehnt doch noch kapeister geht, wird doch wohl nicht bedeuten, dass dann wieder Isarkiesel und Katzenfelle gelten. Oder? Oder??

Bild: Die Sage vom Hirschgulden
in: Hauffs Märchen. Eine Auswahl für die Jugend mit 8 Buntbildern und 70 Zeichnungen von Eva von Paszthory-Molineus,
Hoch-Verlag GmbH, Düsseldorf/Deutschland 1952,
via Micky the Pixel, 26. Oktober 2010.

Wir gehen mit dieser Erde um, als hätten wir noch eine zweite in der Emmaljunga Mondial Duo Combi Wickeltasche Style.

Glühbirnen kosteten 69 Cents und hielten drei Jahre. Leuchtmittel kosten 8,99 Euro und halten meiner bisherigen Erfahrung nach drei Wochen. Das entspricht einer Preissteigerung von über siebenundsechzigtausendsiebenhundertfünfzig Prozent von heute auf morgen. Stellt Osram eigentlich noch Texter ein? Pförtner? Putzkräfte? Irgendwas?

Na schön, wenn’s dem Klimaschutz dient, kauf ich bereitwillig “Leuchtmittel” für den 678-fachen Preis wie bisher, schließlich haben wir die Erde von den präpotenten Fratzen am Nebentisch nur geliehen. Deswegen ist da auch Rauchverbot; soll noch einer sagen, dass Satire nichts bewirken könne. Aber fragen wird man noch dürfen, was genau dieses Land zu einem freien Land macht. Das unveräußerliche Grundrecht, auch bei der nächsten freien Wahl wieder irgendeine Satirepartei zu wählen?

Wow, danke, Massa. Wird dafür das Abhören von Musik, die von einem Datenträger kommt (einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Festplatten, Vinylplatten, Wachswalzen, Spieluhren und Gegenstände, die mit einem kleinen i anfangen), nicht mehr faktisch untersagt?

Wahrscheinlich bin ich bloß undankbar, ich war ja Einzelkind: In Afrika wären sie froh, wenn sie sich Zigaretten überhaupt leisten könnten. Pattexschnüffeln ist bei denen bestimmt auch nur zugelassen, weil das nicht zu den Grizzly Mums am Nebentisch rüberzieht. Und aufs Gründen von Spaßparteien stehen da exquisite Foltermethoden, die sich bei uns schon allein vom Schallschutz her verbieten.

Aber sie dürften dazu Musik hören und das Licht anmachen!

(Soundtrack: The Rolling Stones: Have You Seen Your Mother, Baby, Standing in the Shadow?, 1966)

Letzte allgemeine Verunsicherung

Update zu Cooles Essen:

Haben Sie mal mit jemandem zusammengelebt, der sich als Gourmet versteht? Und sind Sie da noch zu regelmäßigen Mahlzeiten gekommen?

Mein Französisch ist in letzter Zeit etwas porös, aber “Gourmet” muss etwas heißen wie “Nichtesser”, so eine angeblich unübersetzbare Entsprechung eben. Drei Tage in einem Haushalt mit einem Gourmet, und je nachdem, wer stärker ist, wird einer den anderen zwangsernähren.

Gourmetsein scheint ziemlich hip; man munkelt von Kochsendungen im Fernsehen, wo von gelernten, ja berühmten Köchen gezeigt wird, wie man isst. Und schlecht ernährt sind alle Leute, heißt es.

Und rambazamba macht der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) eine Seite namens Lebensmittelknappheit auf. Sollen sie ruhig: Wenn das irgendwas nützt, ist es morgen verboten.

Hach, Moment, “Lebensmittelklarheit” heißt das. Tatsache ist: Zuerst hab ich mich tatsächlich auf “-knappheit” verlesen, und zweite Tatsache ist: Das kommt aufs gleiche raus. Unter Lebensmittelklarheit litt allenfalls meine Oma, aber da war Krieg und schmerzhaft klar, dass die Kartoffeln, die sie der kargen Krume entrang, aus Kartoffeln bestehen.

Im Ernst: Beim derzeit gültigen Preis für Erdbeerjogurt ist nicht die Frage, ob die Erdbeeren darin auf Schimmelpilzen oder Frisörabfällen basieren, sondern ob man davon sofort krank wird oder erst in einem Zeitraum, der auch für Zigaretten gilt.

Der Marketing-Tipp von Ihrem Lieblingstexter: Analogkäse muss endlich veganer Käse heißen. Dann regt sich kein Loha und nicht mal mehr ein Gourmet mehr darüber auf, sondern zahlt begeistert den dreifachen Kilopreis für das, was bei der Rewe-Kette als Bio-Tiefkühlpizza durchgeht, wetten?

Erste Allgemeine Verunsicherung: Oh Bio mio aus: À la carte, 1984.

« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2024 Freitag! Logbuch

Theme von Anders NorénHoch ↑