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Kategorie: Es gibt ein Leben nach der Werbung (Seite 3 von 4)

Bus 502 ins Präkambrium

Als einen seiner dankenswerten Exkursionshinweise gibt Peter Rothe in Die Erde. Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien (Abschnitt Eine kleine Geschichte der Erde):

An der Bushaltestelle “Zirkel” bei Glasbach-Mellenbach, Schwarzatal im südlichen Thüringer Wald: Präkambrische metamorphe Sedimentgesteine, denen man ihre Herkunft von Grauwacken und tonigen Gesteinen noch ansieht; durch die nachfolgende Gebirgsbildung sind sie intensiv gefaltet, geschert und zerbrochen.

Erinnern Sie sich aus Erdkäs noch, wann Präkambrium war? Ganz flau kann einem werden, so blödsinnig irrwitzig schwindelerregend lange ist das her. Und im Schwarzatal, wenn man auf den Bus wartet, blickt man in diesen Abgrund; da darf der Professor Rothe sogar ausnahmsweise Glasbach-Mellenbach mit Mellenbach-Glasbach verwechseln, der Mann ist ja so viel rumgekommen.

Dergleichen zu wissen ist vermutlich nicht der Sinn des Lebens. Was der Sinn des Lebens denn sonst sein soll, weiß ich allerdings auch nicht.

Beiträge zur Infrastruktur des Alpenvorlandes: Malerwinkel

Flaschen, Tüten und Papier
Sind dem Walde keine Zier.
Schleppst Du sie gefüllt hierher,
Trägst Du heimzu auch nicht schwer.

PR-Lyrik seit ca. 1950.

Malerwinkel, das ist nicht das Eck, das die Esomieze vom dritten Stock in ihrem Abstellraum eingerichtet hat, das ist ein Flurname. Den Malerwinkel bei Geretsried mein ich, gelegen in der Gemarkung Schuss, ziemlich genau in der Mitte des zweiten Tages auf dem direkten Wanderweg von München nach Venedig. Alle Malerwinkel, die Google sonst kennt, liegen in anderen Winkeln und kosten meistens Halbpension. Das Material beschränkt sich auf einen Absatz PR-Prosa bei der Via Bavarica Tyrolensis.

Dabei wurde da ein “Weg der Geschichte” in zwei handlichen Teilstücken zu 10 und 18 Kilometern angelegt, auf dem man allerhand lernen kann. Zum Beispiel Vokabeln wie “Gemarkung”, “Würm-Eiszeit” und “Deltaschotter”:

Schild Malerwinkel, Weg der Geschichte in Königsdorf

Die Gegend auf dem Steilufer über dem Zusammenfluss von Rottach und Isar heißt “Malerwinkel”, weil sie ein beliebtes Motiv für Maler ist.

Vor etwa 15.000 Jahren, gegen Ende der Würm-Eiszeit, durchbrach die Isar, die vorher südlich von Bad Tölz Richtung Inn geströmt war, den Moränenrücken zwischen dem Malerwinkel und Rampertshofen und ergoss sich in den Wolfratshauser See, der sich von Hohenschäftlarn bis Bad Heilbrunn erstreckte. Diesen See füllte die Isar zunächst in seiner Mitte durch die Aufschüttung von Deltaschotter im Raum Königsdorf-Wiesen und im Raum Gelting auf. Bei Hohenschäftlarn durchbrach sie daraufhin den hoch aufragenden Endmoränenwall des Isar-Loisachgletschers, so dass der Wolfratshauser See an seinem Nordende auslief. Er wurde das Opfer der reißenden Isar.

1877 wurde in der Nähe des Malerwinkels ein gut erhaltenes Bronzeschwert gefunden. Es befindet sich jetzt in der Prähistorischen Staatssammlung in München.

Der Fischreichtum von Isar und Rottach und gute Jagdmöglichkeiten in den umliegenden Wäldern hatte[n] offensichtlich schon in der Bronzezeit (1.800 bis 700 vor Christus) Menschen in den Malerwinkel gelockt.

Ein Vergeben des Flurnamens “Malerwinkel” veranschlage ich aus sprach- und kulturhistorischer Kenntnis in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als es für den Geretsrieder Sommerfrischler so normal wie heute ein Rutsch zum Gardasee war, mit Staffelei unterm Arm und den Biedermeier im Sinn schöne Landschaften vor Ort in Öl zu pinseln. Da lasse ich mich von zuständigen Experten korrigieren, die z.B. die PR-Prosa für die Via Bavarica Tyrolensis verantworten, aber bis auf begründeten Widerspruch werde ich das glauben.

Malerwinkel hinter Geretsried bei Schuss

So malerisch es da tatsächlich aussieht, wird’s aber wohl nichts werden mit dem Widerspruch: Fischreichtum von Isar und Rottach und gute Jagdmöglichkeiten waren vielleicht in der Bronzezeit ausgeprägt, heute gibt’s zwischen Geretsried und Bad Tölz nur alle paar Kilometer ein Schild vom Weg der Geschichte, aber praktisch kein Wirtshaus, und das kann sich ganz schön hinziehen. Der land- und forstwirtschaftlich orientierten Gemarkung Schuss wird das eher wurscht sein.

Also, geschätzte Kulturwanderer: Brotzeit selber mitbringen, aufs Einwickelpapier unter gestalterischer Einbindung der Butterfettflecken spontane Bleistiftskizzen werfen und schön wieder mit heimnehmen.

Geretsrieder Arsch

Ausführliche Fußmärsche machen übrigens wirklich klug: Diese Woche wurde ich nachts um drei mitten in München von einem Taxifahrer nach dem Weg gefragt. Und hab ihn gewusst.

Das Wetter:

Paul Gerhardt, Praxis Pietatis Melica – Das ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen, 1653, TitelblattAnhaltende Schauder.

Die Bächlein rauschen in dem Sand,
und mahlen sich und ihren Rand
mit schattenreichen Myrthen,
Die Wiesen liegen hart dabei,
und klingen ganz von Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

Paul Gerhardt: Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in: Praxis Pietatis Melica – Das ist Übung der Gottseligkeit in christlichen und trostreichen Gesängen, 1653, 5. Strophe.

Damit weiter im Programm. Schönes Wochenende.

Bild: gemeinfrei.

Tigercontent: Die größte Katze der Welt

“Kleine Jungen müssen immer etwas werden. Ein Tiger ist immer ein Tiger”, sagt Hobbes (nicht verwandt). Kleine Jungen müssen in der Kälte wohnen oder mühsam hinfahren und dem Sikahirschen die Nahrungsgrundlage entziehen, der seinerseits die Nahrungsgrundlage des Amur-Tigers Panthera tigris altaica ist. Das macht keinem der Beteiligten so richtig Spaß, die kleinen Jungen könnten also am liebsten sofort damit aufhören.

Amurtiger, Derek Ramsey, 18. Februar 2007Wenn sie nur auf die Vorträge in der Zoologischen Staatssammlung München hören wollten. Vielleicht braucht es ein gewisses Lebensalter, um sich auf Einladungen zu Vorträgen einzulassen, die nicht mal eine Multimedia-Show, sondern allen Ernstes Dias versprechen; wobei ich zugeben muss: Bei einer Androhung von PowerPoint hätten selbst wir gekniffen. Einer der zuständigen Freunde ist jedoch jung genug von Herzen, einen fleißig und kompetent bestückten Weblog zu führen.

Der Eintritt war frei. Und dann erzählt der Herr Claus M. Schmidt eine Dreiviertelstunde an seinen Urlaubsdias entlang, wie er eine Woche am Rande von Sibirien einmal keinen Tiger gesehen hat. Was auch gut so ist, sonst könnte er nicht länger vor uns stehen. Es trägt durchaus ein paar Tage lang, sich zu merken: Der Amur-Leopard Panthera pardus orientalis ist flauschiger als alle anderen. Wer das nicht interessant findet, kann ja gern PowerPoint-Präsentationen über die Optimierung von irgendwelchem wichtigen Zeug beiwohnen.

Sie haben es nicht nötig, ihr Merchandising hinter Glas zu halten oder auch nur eine sichtbare Kasse aufzustellen: Wer ein Kinder-T-Shirt mit einem Hirschkäfer drauf oder einen Satz Kunstkarten mit altertümlich penibel gezeichneten Eulenarten klaut, nur weil sie da wahrscheinlich keine Videoüberwachung haben, nimmt auch kleinen Mädchen das Eis weg (gut, bei Geliebtes Schwarzhölzl: Schicksal einer Landschaft im Münchner Nordwesten und Durch Streuwiese und Auenwald: Erlebniswandern in oberbayrischen Naturschutzgebieten von Josef Koller aus Karlsfeld könnte ich ein Eigentumsdelikt kurz erwogen, aber sehr schnell wieder verworfen haben).

Sie tun nicht so, als ob sie etwas anderes wären als eine idyllische, einnehmend verschnarchte wissenschaftliche Forschungssammlung in Obermenzing. Allein das ist die 30 Euro Jahresbeitrag wert.

Süßes Katzenbild: Derek Ramsey: A photograph of a cub of an Amur Tiger, taken at the Pittsburgh Zoo, February 18, 2007.

Verhalten im Weihnachtsfall

Weil Weihnachten ist, fangen wir an mit einer guten Nachricht: An Weihnachten sind Sie mit einem sozialprestigebefreiten Beruf im Vorteil. Wenn Sie Designer, Krankenschwester, Bierschwemmenbedienung, Domina, Politiker, Texter oder was mit Medien sind, wird Ihnen ohne weiteres abgenommen, dass Sie über Weihnachten arbeiten müssen und leider nicht zur Feier erscheinen können. Dass der Erlöser zuerst den Unterprivilegierten in der Provinz erschien, trägt für uns Heutige sehr wohl eine exegetische Botschaft.

Und das sag ich Ihnen jetzt. Wenn es Sie also schon erwischt hat und Sie für den Heiligen Abend in eine erklärt feierliche Runde (etwa Heilsarmee, Eltern, angeheiratete Familie) vorgeladen wurden, helfen immer noch einige Verhaltensregeln.

Meiden Sie Getränke, die Tiroler Hutzelpunsch, Markbrandenburger Gurkenwasser, Heißer Erzbegirgischer Nussknacker oder Schlimmeres heißen. Unterlassen Sie zu erörtern, ob das Zeug genau wie die “polnische Hafermastgans” aus einer chinesischen Rattenküche stammt. Auch dann, wenn Sie in der Zutatenliste in 2-Punktschrift mehr als drei Druckfehler finden, ohne zu suchen. Ich weiß, wovon ich rede.

Solange niemand das Wort an Sie richtet, leisten Sie unauffällig Ihren Beitrag zu Herstellung und Beseitigung des Weihnachtsessens. Verzehren Sie maßvoll Gebäck, und zwar von jeder Sorte gleichmäßig zwei Stück. Sobald Ihnen jemand eine Frage stellt, äußern Sie ausschließlich Zustimmung und Lob. Notfalls würdigen Sie den Salzteig, der außen an der Haustür klebt, und die Katze. Ansonsten nutzen Sie jede Gelegenheit, den Mund zu halten.

Wenn Ihnen jemand zu viele Fragen stellt, machen Sie den DJ, das ist eine akzeptierte Tätigkeit auf jeder Art von Feier. Beachten Sie dabei: “Wir warten aufs Christkind” von den Toten Hosen ist keine Weihnachtsplatte, das Vintage-Doppelalbum “Die lustige Witwe” mit René Kollo und Anneliese Rothenberger von Ihrem Vater schon. Wenn der Vinylplattenspieler schon seit 1991 unrepariert auf dem Dachboden herumrostet, ist dieses eine Mal im Jahr Bayern 1 ein zulässiger Radiosender. Faustregel: Wichtige Musik ist, wenn da welche Geige spielen und die Frau so piepst.

Spielen Sie auf keinen Fall den Helden. “Vom Himmel hoch, da komm ich her” hat je nachdem, wo man nachschaut, 62 oder 164 Strophen und wäre demnach Martin Luthers zweitgrößte Leistung als Texter. Es ist Konsens, nur die ersten drei Strophen von allen Liedern abzusingen. Setzen Sie getrost voraus, dass alle anderen auch nur die erste kennen. Die erste Zeile geht: “Vom Himmel hoch, da komm ich her”, alle folgenden: “Da dáram dá, da dáram dá.”

Wenden Sie kein Musikinstrument an. Besonders keines, in das man hineinblasen muss.

Stufen Sie die so genannte gewaltfreie Kommunikation als das ein, was sie ist: eine besonders perfide Kampftechnik mit zulassungsfreien Waffen. Verzichten Sie deshalb auf die “Ich-Aussagen” dieser Lehre, geben Sie lieber jederzeit jedem Recht. Auf eigene Konfliktgegner wirken Sie stets deeskalierend ein, auf fremde sicherheitshalber gar nicht. Nicht jeder Satz, der mit “Ich” anfängt, ist gleich ein Manöver der gewaltfreien Kommunikation. Warten Sie deshalb das Satzende ab, bevor Sie die Sprecherin verprügeln.

Rufen Sie sich schon während der Zurüstungen und vor allem während der Feierlichkeiten immer wieder ins Gedächtnis: Die Zeit arbeitet für Sie. Was erst einmal angefangen hat, ist praktisch auch schon vorbei. So eine Christmette fängt heutzutage schon um 22.00 Uhr an, das war noch vor zwanzig Jahren gerade mal die Zeit für eine Kindermette. Dazu müssen Sie schon um halb neun los, um nicht auf einen Stehplatz hinterm Taufbecken gedrängt zu werden, so lange halten Sie zur Not durch. Bis zum eigentlichen Showteil übt der Organist gerne schon ein paar Händevoll Bach-Fugen, das kann wirklich schön sein. Lauschen Sie ergriffen, das spricht für Ihre Andacht.

Diese Metten mit Hochamt, großem Bahnhof und drei vollständigen Kantaten wurden vor einigen Jahren von kirchlichen Seelsorgern in den späten Nachmittag vorverlegt. Damit folgten sie der Erfahrung, dass sich die Gemeinde, zu lange sich selbst ausgesetzt und von Tiroler Hutzelpunsch befeuert, zu oft gegenseitig mit dem Christbaum erschlägt oder Baumspitzen, brennende Tannenzweige und Krippenfiguren in Körperöffnungen rammt, die es gar nicht gibt.

Durch solche Ursprünglichkeit drücken manche Familienverbände ihre Zuneigung untereinander aus. Respektieren Sie das Brauchtum und zugleich Ihre physischen Grenzen.

Nach der Christmette, in eher humanistisch orientierten Haushalten oder solchen, die Hanukkah begehen, sogar schon nach dem Essen, ist Ihr geordneter Rückzug legitim. Handeln Sie kooperativ, aber zielgerichtet. Geben Sie jedem die Hand und wünschen Sie “Fröhliche Weihnachten” und, ganz wichtig: “einen guten Rutsch”, nicht dass noch einer von denen vor Silvester schon wieder anruft. Antworten Sie auf alle weiteren Ansprachen eisern: “Feiert noch schön.” Wird erwartet, dass Sie sich für etwas bedanken, bedanken Sie sich ohne Zeitverzögerung. Vermeiden Sie Ihren sarkastischen Tonfall. Streunen Sie durch die nächtliche Stadt und schließen Sie für einige Stunden Freundschaft mit einer studentischen Bierschwemmenbedienung.

Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch, feiert noch schön.

Soundtrack: “Stille Nacht”, was denn sonst? Und zwar in der einzig wahren Version von Tom Waits, 1989.

Totensonntag

(Update zu Barfußläufte:)

Der Eingang sieht aus wie die Stufen zur Glyptothek. Nicht das, was man einladend nennt oder was man normalerweise träumt. Aber einmal muss da jeder durch. Wenn schon nicht einmal im Leben, dann eben jetzt, wo ich gestorben bin. Vermute ich.

Wie immer in solchen großklassizistischen Einschüchterungsbauten darf ich nicht durch eine Flügelpforte, die sich vor meiner Majestät beiseite schiebt, sondern muss durch den unspektakulären Windfang hinter den Säulen. An einem marmornen Tisch, an dem man in der Glyptothek Eintritt zahlen würde, sitzt ein Rauschebart in einer Art Bademantel und tippt zehnfingrig in einen Laptop. Kein Apple, stelle ich fachmännisch fest. Daneben ein Stapel unausgefüllter Formulare und ein Stapel ausgefüllter.

“Grüß Gott.”

“Grüaß Eahna. Moment, i mach schnell no die Seele vor Eahna fertig.”

Tipp, tipp, tipp. Tipp!

“So! Grüß Gott!”

“Ich soll hier anscheinend vorsprechen oder so.”

“Ja, des hat scho sei Richtigkeit. Was führt Sie zu uns, wissens des, könnens des sagn?” Petrus nimmt ein Blatt vom unausgefüllten Stapel und einen Zimmermannsbleistift.

“Na, weil i gstorben bin, nehm i an.”

“Jaja, des is die Voraussetzung, dass Sie vorglassen wern. Aber an was Sie gstorben sind, könnens des aa sagn?”

“Ich glaub, ich hab einen Kalauer zuviel gerissen über die Namen von Gottfried Benn und Ben Cartwright.”

“Au weh zwick. Da könnens von Glück sagen, dass Sie bei sowas überhaupt no rauf zu mir kommen. Normalerweis gengen solche Bestände glei nahtlos zum Kollegen owewartse, wenns ma folgen können. Ohne lange Fegefeuerzuteilung.”

“Ich weiß es zu schätzen.”

“Des is scho recht. Des kann bloß daher kommen, dass Sie sowieso dran gwesn wärn, wenn Sie von der Generation übrig san, die noch den Ben Cartwright kennt.”

“Ja… Was mach ma dann etza mit mir? Komm i da etza in Himmel nei oder für was hab i mi da die ganzen Jahrzehnte abkaschpert, Herr Petrus?”

“Des sehng ma jetztn. Aber Petrus. Einfach Petrus. Ohne Herr oder Sir oder Sahib oder -san, wir hams herobm net so mit die Titel und Dienstgrade. Aber Sie san doch aus Europa, wenn ich Ihren Dialekt richtig einordn, nent? Irgendwas Nördlichs bestimmt. Österreich, Irland, Lappland oder was da alles liegt.”

“Deutschland”, sag ich. “München, ursprünglich aber Nürnberg, bloß den Zungenschlag nie losworn.”

“Franken oder Frankreich, Wales oder Wallis, Galizien oder Gallizien, und des dritte vo de zwoa habts scho wieder eigstampft, und des München in der Oberpfalz is nach Dings eingmeindet.”

“Hirschbach. Kenn i scho, da wolltns amal a Brauerei ham. Münchner Bier aus der Oberpfalz, dass i net lach. Fürn Baugrund hättns fast no was rauskriegt.”

“In der Oberpfalz, da hams fei aber oft a richtig grüabigs Bier! Bei Etzelwang in der Näh, da hab i moi…”

“Scho. Aber bei die zweiahalb Hektoliter Ausstoß pro Jahr hält si ja nix. Des grenzt an Schwarzbrennerei als Hobby.”

“Manchmoi kummt ma echt nimmer mim Zuaschaun nache bei eich.”

“Wos Galizien sagn. Mei Urgroßvater war glaub i noch aus Czernowitz.”

“Is des net neilich explodiert?”

“Naa, Tschernobyl war des. Czernowitz müsst scho no wo rumsteh.”

“Omeiomei, ein Gfrett, was ihr habts. Na Hauptsach, ihr kennt eich aus.”

“Fei aa net wirklich.”

“Aber Deutschland is gut. De Deitschn kamma fast ganz unbürokratisch von der oana auf die andre Autorität umgwöhnen, des ham mir anno 510, 820 und 1945 zuletzt mit euch probiert. Dankbars Publikum, da in Deutschland.”

“Und 1918?”

Petrus denkt nach. “Naa, des war koa so rechter Autoritätenwechsl. Bloß andere Titel. Umgekehrt wie 1989, verstengens?”

“Glaub schon.”

“Glauben is auch gut. München, München, München… Da seid ihr doch gern so katholisch und evangelisch und wie des alles bei euch heißt, gell?” Petrus rudert mit den Händen nach den Wörtern und amüsiert sich ein Loch in die Toga.

“Ausgetreten, katholische Grundausbildung”, knurre ich durchs Gebiss.

“Recht hams, guader Moo, recht hams! Ihr Zeug glauben könnens auch daheim.”

“Des hätt i jetz gar net glaubt, dass aus der Kirch austreten bei Ihnen a Bonus sei könnt.”

“Ach, gehns. Was da der Junior vor zweitausend Jahr in eierm Judäa drunt amal gaudihalber für an Fischerverein aufgmacht hat, des spielt heut nimmer so die Rolln.”

“Jesus is gaudihalber am Kreuz gstorbm?”

“Was glaum denn Sie? Der Moo is a Drittl Dreifaltigkeit, der is allmächtig. Der lebt und der stirbt wann und wiarer mog.”

“Ham Sie wieder recht.”

“Aber warns bei einer parakirchlichen Vereinigung? Sans bittschön gleich ehrlich, Ihre Angaben wern leider nomal prüft. Scientology und Opus Dei waar jetzat schlecht, Freimaurer waar jetzat positiv. Seit a paar hundert Jahr wern die allerdings immer weniger.”

“Freimaurer? Um Gotts willn, i war doch bei keim Geheimbund drin.”

“Die Freimaurer?” Petrus ist aufrichtig erstaunt. “Wo san de geheim, die Freimaurer? Die missioniern bloß nix, des rechnt bei uns scho was. Da haltens auch an Frieden auf Erden, da ham mir unsern Wohlgefalln, wenns mei Redeweise gstattn.”

“I kann scho folgn, Petrus.”

“Ja, i siehg scho, Sie san a Gstudierter. Die Freimaurer, die wolln solche, des is bei denen richtig gwünscht, sogar Ihre Studienfächer. Aber wenns net hinwolln ham… Ihr Entscheidung.”

“Kann ja ich net wissn.”

“Freilich net, deswegen heißts Glauben. Was hamsn gessn? Vegan, vegetarisch, zoophag, kannibalisch?”

“Ich bitt Sie, Petrus. Ich war aus Franken.”

“Ja, scho klar. Fragen muss i halt danach. Da warns bestimmt auch alle Tag gscheit unter Drogen?”

“Ach, woher. Ganz selten mal besoffen. Und wenn, dann a Bier, schlimmstenfalls einzwei Flaschn Schnaps.”

“A so, ja warum denn? Was meinens denn, für was der Chef des ganze Zeigl wachsn lasst? A Bier, scho recht, aber die ganzn andern guadn Sachan? Hams dann wenigstens jeden Tag gscheit was weggvögelt?”

“Bitte??”

“Hatten Sie täglich Geschlechtsverkehr?”

“Eminenz, ich bin verheiratet. War.”

“Å, å, å, å…” Petrus macht mit seinem Zimmermannsbleistift einen energischen Strich.

“Ihnen is schon klar, guader Moo: Für jeden Tag ohne Vögln muaß i Eahna… na, was sagn ma… samma gnädig… sagn ma fuchzg Jahr Fegefeuer draufhaun.”

Ich schlucke. “Des wern Sie scho richtig machn.”

“Lebt Ihr Frau noch, so als Witwe, die sich ab jetzat fröhlich an Ihre ehelichn Pflichtn erinnert? Ja? Na, die muss leider dann später des gleiche, logisch…”

Petrus schreibt in meiner Akte herum, sucht im beistehenden Aktenreiter unter meinem Buchstaben noch eine heraus, notiert vorne drauf herum, schaut wieder hoch zu mir und sagt betrübt:

“Ach, i sags Ihnen: Des is alles so eine sinnlose Verschwendung von Seligkeit.”

“Keuscher Lebenswandel zählt nix?”

Langsam wird Petrus unwillig: “Keuscher Lebmswandl, keuscher Lebmswandl. Herrschaftzeitn, i kanns bald nimmer hörn vo eich christliche Abendländer, mit eicherer Keuschheit und Enthaltsamkeit und Monogamie und gar koa Gamie und Zölibat und Sublimierung und Fuizleis und hunderttausnd wichtigere Sachan ois wiares Vegln! Des seids immer bloß ihr, die eier Frau im Bett neber eich rumschimmln lassts und glangts net oo. Ja Greizdeife halleluja nomoi nei, die gschlechtliche Fortpflanzung, des wor a Gschenk! Unser gressts! Da hamma lang an die Windbestäubung dro hiigschraubt, bis ma des in der Evolution überhaupts möglich gmacht ham, dass eier Balz es ganze Johr lang durchdauert! Hat des irgend a anders Viech? A Privileg is des! Ja duad denn des weh oder wos?!”

“Da hab i scho von Möglichkeitn ghört…”

“Jajaja, net in dem Internetzeigl Buidl vo dem Dekadenzschmarrn ooschaun. I red davoo, dass ihr endlich mit eirer Frau veglts. Da hättns Ihrer Frau zoagn kenna, wia gern dasses ham, oder wia deitlich hättnses denn no braucht? A Möglichkeit hättns da ghabt, dass Eahnern Ausdruck findn, Sie Schreibhansl Sie windiger.”

“‘WEnn ich mit Menschen vnd mit Engel zungen redet / vnd hette der Liebe nicht / So were ich ein donend Ertz oder eine klingende Schelle.’ A so war des gmeint?”

“Sehngs, Sie wissns doch alles. Und durchschauns sogar. Und nutzns net. Entschuidigns scho, wenn i da so drastisch werd, da könna Sie persönlich wahrscheinlich gar net so viel dafür, aber des is halt so allgemein worn die letztn zwoa-dreihundert Johr.”

“Des tut ma jetz scho leid, Petrus.” Ich meine es ehrlich.

“Jaja, glaub i Ihnen sogar. Wissns, in a paar Jahr hab ja ich in dem Job da herin mei Zweitausendjährigs, des ham vielleicht Sie mitkriegt, als Kathol. Da seh i jedn Tag tausnd da reinkommen und meinen, sie ham oisamt richtig gmacht. Und wann ma fragt, ja was hams denn so gmacht? I sogs Eahna, was gmacht ham. Nix hams gmacht.”

“Des kenn i aus meim Job aa”, versuche ich zaghaft.

“Ja, genau des sagns alle, wann ma nachfragt. An Job hättns doch ghabt. Oder no besser: a Arbeit. Oder des Beste is immer: an Beruf. Wenn i des scho oiwei hör. Berufen dan oiwei no mir.”

“Da müssns etz aa unser Position verstehn, Petrus. Des Vögln kann falsch sei, des Gegenteil kann genauso falsch sei. Des is so mit allem, was ma macht. Machen oder unterlassen, ruckzuck is scho wieder Schuld aufgladn.”

“Ach, des mit der Schuld.” Petrus winkt ab. “Was glaum Sie, wer mir san? Ihr Kindermadl? Mir san doch auf Eahnerner Seitn. Mir erschaffm Eahna ja net, bloß dass Sie nachat schuldbeladn umanandalaffa, do hättn doch mir sejber koa Freid damit. Bei uns zählt leicht amal der Versuch.”

“Des is ja dann aa erleichternd und alles. Aber unter die eignen Leut und grad bei der Arbat und der eignen Frau, da zähln halt oft die Resultate. I kann ja net hergehn und vögln wolln, wenn die Beziehung net passt. Und die passt erst vom hundertsten Prozent an aufwärts.”

“Und Sie glaum, Ihr Beziehung werd besser, wenns einfach net vegln?”

“Wenns es a so hiistelln…”

“So leicht waars gwesn.”

“Aber wissns scho: Da ghörn fei zwaa dazu.”

“Oha, gä? Net no über Eahna Frau herziang, gä? So vui konn i Eahna versprecha: De kimmt uns aa net aus. De hat iatz aba no a paar Johr, dass ihr evolutionäre Bestimmung eilöst.”

“Soll mi des etz beruhign?”

“Sie? Sie ham ab sofort andre Sorgn. Was hams gmacht, solangs net grad garbat ham? Gern a Gsetzl glesn, hab i recht?”

“Scho.”

“Als Lieblingsbiacher?”

“Och, des übliche. Moby-Dick, Alice im Wunderland, aber bloß mit die richtign Illus, vom Goethe die Werther-Leidn…”

“Genau des moan i. De ganzn Hirntratzer, wo mit Sicherheit nirgends gveglt werd.”

“Was Sie jetz dauernd ham mit dem Vegln.”

“Koa Angst, des hams hinter sich, is scho abghakt.”

“Musik war noch wichtig.”

“Den Tom Waits, wettn?”

“Ja, den. Fehlt mir leider die Stimm, dass i den selber sing.”

“Na, selber gschriem hams einige Liadl, siehg i grad.”

“Was man kann.”

“Den Tom Waits, den mog i aa. Hättns Eahna a Beispui an dem gnumma, der machts richtig. Do gfrei i mi scho, wann der zu uns kimmt.”

“Dem hams aa die Stimm mitgebm und des Hirnkastl.”

“Da verrat i Eahna was, weils für Sie scho wurscht is: Sie können heut alles im Lebm erreichen, Sie dürfens bloß net wollen oder gar versuchen.”

“I hab dacht, andersrum? Ma müsst bloß wolln, dann geht alles?”

“Ach, viel so Hollywoodfilme hams gwiss gern angschaut, gell? Sehngs, da dauert a oanziger neinzg Minutn Minimum. In der ganzn Zeit hättns besser feste gveglt. Des hams jetzt.”

Durch den anliegenden Saal der Glyptothek haben sich hallende Schritte von Badeschlappen genähert. Jetzt steht ein vollbärtiger Hippie in der gleichen Tracht wie Petrus neben dem Marmorschreibtisch.

“Grüß dich, mein Sohn”, sagt er zu mir, und dann zu Petrus: “Und, oider Wetterfrosch, wia kummstn heint rum? Kannst mit Mittag machen?”

“I hab no gar net gschaut, was gibtsn heit? Schüttlst du wieder deine fünftausnd Fischsemmln ausn Ärml?”

“Eh klar. TGIF!” Übermütig lässt der Hippie die Fingerknöchel krachen. Zwei runde, verheilende Wundmale auf den Handrücken.

“Ja, is recht. I verräum no gschwind die Seele do.”

“Der da?” Der Hippie mustert mich milde. “Au weh zwick. Wara bei die Freimaurer?”

“A woher. Nixn.”

“Aber dem Gsicht und dem Aufzug nach oversexed and underfucked, stimmts?”

“Jaja, aus Frankn.”

“Wohnhaft in München”, blöke ich dazwischen.

“München, München, München… Des in der Oberpfalz, wos die Brauerei ham wolltn? Da hättns fürn Baugrund…”

“Naa, des andere.”

“Dann is des doch des mit der Asamkirch neber dem kloana Buachladn mit die hübschn Buachhändlerinnen, oder? Des hams schee eigricht, meine Sterblichn, des mag i eigntlich. Naja, da samma gnädig, dass ma fertig wern.”

“Is Nammittog no was Wichtigs?”

“Ach ja: Der Senior moant, wir braucha langsam des Meeting fürs Weihnachtswetter. Da stehst du obligatorisch drin.”

“Hab i fast scho denkt. November is halt immer schwierig, und dann jedsmal glei des Weihnachtn hinterdrei.”

“Selig sind die Schifahrer.”

“Was mach ma jetz mit dem?”

“Ach mei, Fegefeuer bis zum nächstn Zeitalter halt, was meinst?”

“Ja, hab i aa gmoant, um den Dreh. Oder lass man glei zum übernächstn?”

Der Hippie überlegt. “Zu wem kaam er denn? Satan oder Luzifer?”

Petrus checkt in seinem Laptop: “Der Mephisto hätt grod wos frei, weil heit der Sokrates aufsteigt. Dem sein Plootz kannt er übernehma. Dass er net koit werd, haha.”

“Ui jegerl, der Mephisto, der macht den fertig, scho alloa rhetorisch. Der Bua war doch verheirat, oder?”

“Grad deswegn hab ich ja gmoant, zum übernächstn. Mit seiner ehelichn Pflicht schauts mau aus.”

“A geh weider, da is er gstraft gnua. Des hat der aa net aus lauter Bosheit gmacht. Und vielleicht hat er Germanistik studiert, vielleicht hat er nia koa Auto net besessn, vielleicht hat er an greislichn Orsch, vielleicht wor er a Blogger und a Brillnträger is er aa. Des muaß ma ois sehng.”

Petrus seufzt. “Oiso recht. Aber i nehm eahm net, wann er in zwoahunderttausnd Johr scho wieder dosteht und frohlocken wui. Dann nimmstn nämlich du.”

“Des passt scho. De wo beim Mephisto warn, des wern hinterher der angenehmste Umgang.” Und zu mir: “Wärst du damit einverstanden, mein Sohn?”

“Kann i was ändern?”

“Wahrlich, wahrlich. Na, mit der Einstellung wundert mi nix. Mir sprecha uns dann am Jüngstn Tog. Gehe hin in Frieden.”

Er segnet mich, es scheppert, und dann nehmen mich zwei krokodilsköpfige Legionäre mit rotglühenden Hellebarden in ihre Mitte.

Und Sie, wenn Sie jetzt glauben, es wäre ein Happy End, wenn ich jetzt aufwachte und es war alles nur ein Traum, dann haben Sie weder eine Ahnung vom Aufwachen noch vom Träumen.

(Soundtrack: Johnny Cash: I Corinthians 15:55 (King James Edition) (2003) (in Deutschland nicht zugelassenes Video, daher dürfen Sie dafür auch nicht Stealthy installieren, womit dieses wunderschöne Lied funktionieren würde), aus: American VI: Ain’t No Grave (2010).)

Stand links und rechts der Isar
by your man

Immer wieder ist es anrührend zu sehen, wie junge Menschen ihrer Zuneigung in neuartigen Ritualen Ausdruck verleihen [hier durchschnittlich unbeholfenes, Unterschichtkids diskreditierendes YouTübchen einfügen]. Sie tun es auf der Thalkirchener Brücke. Hinterher tun sie es darunter, und in den smogfreien Sommernächten, in denen die Luft den Schall besonders barrierefrei transportiert, haben alle Passanten an beiden Isarufern was davon. Wofür das ein Symbol war, merken sie noch beizeiten genug.

Vorhängeschloss Thalkirchener Brücke

Vorhängeschloss Thalkirchener Brücke

Vorhängeschloss Thalkirchener Brücke

Vorhängeschloss Thalkirchener Brücke

Wenn an jedes böse Maul ein Schloss gehängt müsst werden, dann wäre wohl die Schlosserei das schönste G'schäft auf Erden

Wenn an jedes böse Maul
ein Schloss gehängt müsst werden,
dann wäre wohl die Schlosserei
das schönste G’schäft auf Erden.

Sicht-, nicht hörbare Zeugnisse junger Verbindungen unter der Isar über der Isar, selbst erlegt im Juni 2011, plus 1 Fremdbild von Herrn e!genart: Wahrheit, 2. September 2008, und als Bonus Track das beziehungs-reiche Lied von Tammy Wynette: Stand by Your Man 1968 (gerade 2010 von der Library of Congress in die National Recording Registry gewählt, “which selects recordings annually that are culturally, historically, or aesthetically significant”), in der Version aus dem “Blues Brothers”-Film 1980: das beste Lied im ganzen Film, das nicht auf der Soundtrack-Platte drauf war, bei den Japanern in einer Qualität gefunden, die Vollbild zulässt und sogar in Deutschland aufgerufen werden kann.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Fuck Yes

Aller paar Jahre passiert’s: Da tritt ein Lied in die Welt, das unfehlbar glücklich macht, das funktioniert körperlich. Zuletzt war das Jimmy von Moriarty, das war 2007. Die nächsten paar Weihnachten können kommen, das Lied des Jahres 2011 und wahrscheinlich auch 2012 und ’13 wurde am vergangenen 31. Januar im entkernten Great Northern Hotel in Newcastle, NSW, Australien aufgenommen: In My Mind von Amanda Palmer, in der Sammlung Amanda Palmer Goes Down Under.

Es wird guten Gewissens empfohlen, das Video im Vollbild (die vier Pfeilchen im Video rechts unten) und auf voller Lautstärke laufen zu lassen: Es gibt keine Schockeffekte, etwa dass die Dame plötzlich fürchterlich zu kreischen anfinge oder mit blutfarbenen Flüssigkeiten umherzuspritzen. Alles jugendfrei und bürogeeignet, und wird trotzdem keinen Moment langweilig. Im Gegenteil, es ist eher zu kurz: Die Melodie ist dreiteilig, was bedeutet: mit obligatorischem B-Teil, und ruckzuck schon wieder vorbei, bevor man das Muster richtig verstanden hat. Ganz im Ernst: Es ist eine höllisch einnehmende, dabei höllisch anspruchsvolle Melodie, die man sich nicht beim ersten Mal auswendig merkt. Ein Dreiertakt, das sind sowieso immer die besseren.

Wer Amanda Palmer beobachtet, hat sie in jüngerer Vergangenheit als die hübschere Hälfte der Dresden Dolls bemerkt, danach als persönlichen Kumpel unseres Hausheiligen Neil Gaiman, der ihr wie einst der Exfee Tori Amos Inspiration und Texte liefert, danach als Verfechterin der Ukulele, auf der man angeblich nicht mal schlecht spielen kann, wenn man es versucht. Letzteres trifft zu, wenn man die vier Saiten dieses unterschätzten Spielzeuginstruments so beneidenswert hertzgenau stimmen kann wie sie und im begleitenden Gesang sofort die richtigen Töne trifft.

Das hat sie eine Zeitlang geübt (siehe die Sammlung Amanda Palmer Performs The Popular Hits Of Radiohead On Her Magical Ukulele, Anspieltipp: Creep), und jetzt findet auf In My Mind die Ukulele zu ihrer wahren Bestimmung: als Hauptstimme, mit der sie sich selbst begleiten kann, unterstützt von einer “erwachsenen” Band, die im Lauf des Strophen immer noch mitwächst. Fürs Schlagzeug war übrigens Brian Viglione zuständig, so gesehen ist es glatt ein Lied der alten Dresden Dolls.

Im Video inszeniert sie sich durchaus mädchenhaft, ohne sich der Peinlichkeit einer totaaal witzigverrückten Amélie-Replik auszusetzen. Vielmehr passt das insofern zum Text, als er von einer Art weiterführendem Erwachsenwerden handelt. Nennen wir es ruhig Altern; die Frau ist Jahrgang 1976 und hat mehr hinter sich als ich oder Sie oder du da hinten. In einem Genre, das andere als Ausdruck für Unverständnis, Verlassenheit und Todessehnsucht gebrauchen, hat hier eine tolle Frau zu sich selbst gefunden und freut sich geradezu darauf, wie ihr Leben weitergehen kann. Das ist doch auch mal schön zu hören.

Ferner zeigt sie sich in einer offensiven Unrasiertheit, namentlich unter den Achseln. In Amerika ist das für manche Menschen ekelhaft, für andere “nur” ein Statement, eins contra Schönheitswahn, pro Lässigkeit und Hippietum. In der Stilmixtur zusammen mit Punk, Gothic, Cheesecake und Cabaret dürfte diese Erscheinung tatsächlich einzigartig dastehen. Die nächste, die so auftritt, muss sich Epigonentum nachsagen lassen. Schon wieder passend: Die Message heißt eher “Be yourself” als “Be Amanda Palmer”.

So ergreifend wie sie wird das ohnehin nicht so schnell jemand hinkriegen. Achten Sie mal auf den so konzentrierten wie geübten Pinselstrich, mit dem sie sich die Augenbrauen aufmalt: Ist das souverän? ist das so zielsicher wie der Sound? ist das Könnerschaft?

Und vor allem achten Sie auf das entwaffnende “Fuck yes” im Fade-out: verspielt und stolz, fröhlich und trotzig, ohne aggressiv zu werden. Das aufmüpfige Grinsen, mit dem sie von dem Hotelzimmertisch herunter, den sie minutenlang erklommen hat, eine englische Entsprechung zu “Na aber hallo” sagt, macht das Lied aus. Selbst das drastische Wort ist berechtigt, das drückt eine herzvergnügte Selbstsicherheit aus. Sie ist beides: das rausgewachsene barfüßige Mädchen in Schlabberunterwäsche wie die burschikos-burlesque Diva, das ist kein Widerspruch, das ist eine Vervollständigung. Es war offenbar schwierig, dahin zu kommen, darum stolpert sie anfangs in ihren mondänen Fishnets noch suchend auf dem Schutthaufen herum, aber “fuck yes”, es hat sich doch gelohnt. Diese Art von Fröhlichkeit ist mir zuletzt in einem sehr alten fränkischen Schlumperlied aufgefallen: “I bin fidel (fidel, fidel) mi leckst am Orsch, bis dass der Deifl holt mei arme Seel.” Und nein, das ist ebenfalls kein Widerspruch.

Sie werden mitsingen wollen. Oder wenigstens verstehen, oder wozu red ich mich hier fusslig. Gut, das beschrieben zu haben, sonst schau ich das Ding heute Nacht noch fünfundzwanzigmal an. Deshalb folgt hier die weltweit erste korrigierte Textwiedergabe. One-two-three, one-two-three, one-two-three:

In My Mind
Amanda Palmer, from: Amanda Palmer Goes Down Under, 2011.

In my mind, in a future five years from now,
I’m 120 pounds, and I never get hungover.
Because I will be the picture of discipline,
never minding what state I’m in,
and I will be someone I admire.
   And it’s funny how I imagined that I would be that person now,
   but it does not seem to have happened,
   maybe I’ve just forgotten how to see
   that I’m not exactly the person that I thought I’d be.

And in my mind, in the faraway here and now,
I’ve become in-control somehow,
and I never lose my wallet.
Because I will be the picture of discipline,
never fucking up anything,
and I’ll be a good defensive driver.
   And it’s funny how I imagined that I’d be that person now,
   but it does not seem to have happened,
   maybe I’ve just forgotten how to see
   that I’ll never be the person that I thought I’d be.

And in my mind, when I am old I am beautiful,
planting tulips and vegetables, which I will mindfully watch over.
Not like me now, I’m so busy with everything,
that I don’t look at anything, but I’m sure I’ll look when I am older.
   And it’s funny how I imagined that I could be that person now,
   but that’s not what I want, but that’s what I wanted,
   and I’d be giving up somehow.
   How strange to see
   that I don’t want to be the person that I want to be.

And in my mind, I imagine so many things,
things that aren’t really happening.
And when they put me in the ground, I’ll start pounding the lid,
saying I haven’t finished yet, I still have a tattoo to get,
that says: I’m living in the moment.
   And it’s funny how I imagined that I could win this winless fight.
   But maybe it isn’t all that funny,
   but I’ve been fighting all my life.
   But maybe I have to think it’s funny,
   if I wanna live before I die,
   and maybe it’s funniest of all, to think I’ll die before I actually see
   that I am exactly the person that I want to be.
   Fuck yes: I’m exactly the person that I want to be.

Barfußläufte

Update zu Andante:

Ob man dazu Mariä Lichtmess, Darstellung des Herrn, Purificatio Mariae, Imbolg, Samhain oder Groundhog Day sagt, läuft aufs gleiche hinaus: Der letzte Tag der liturgischen Weihnachtszeit ist der erste offizielle Frühlingsbote. Mit einfachen Mitteln wie einem Blick aus dem Fenster kann ab sofort Christ und Heid’ feststellen, dass die Tage sichtbar länger als die Nächte geworden sind. Nun muss sich alles, alles wenden.

Zum Beispiel die zwei Mädchen, die zehn Schritt vor mir den Bürgersteig nutzen. Zusammen sind sie ungefähr so alt wie ich alleine, dafür zwanzigmal schöner. Sie halten Händchen und begehen den Frühling. Unter ihren leichten Übergangsparkas weisen kniekurze Hängekleidchen unübersehbar auf ihr Schuhwerk: Beide Mädchen tragen Flip-Flops. Anfang Februar.

Flip. Flop. Flip. Flop. Flip. Flop. Flip. Flop, macht es, jeweils zweistimmig, kurz versetzt. Es ist ein Ritual, die machen das bestimmt jedes Jahr, vielleicht für Mariä Lichtmess, Imbolg, Samhain oder Groundhog Day. Vorne zeigt die Fußgängerampel Rot: Flip. Flop. Flip. Flop. Flip.

Ich schließe auf: Beide haben sich die Zehennägel frisch lackiert, abwechselnd zweifarbig, mädchenrosa und ein frisches Frühlingsblau, die linke große Zehe rosa, die rechte blau, danach absteigend. Dahinter ziehen sich vier Paar dunkelgrüne Flip-Flop-Riemchen wie Rallyestreifen über die vier winterblassen Jungmädchenfüße. Wenn sie nebeneinanderstehen, ergibt das eine Farbenreihe, die tatsächlich nach sprießenden Frühlingsblumen aussieht auf dem Pflastergrau, von dem die Schneematschreste endlich weichen sollen. Sie zeigen ihre aufgemöbelten Zehen stolz der Welt vor. Es hat etwas Siegessicheres.

Meine erste Freundin, fällt mir ein, hatte winzige, rundliche Füßchen. Damit bohrte sie beim Spielen im Sandkasten herum, bis sie wie paniert aussahen.

Drei Jahrzehnte später tat ich auf dem Grundschulklassentreffen so, als ob ich sie nicht erkannte. Nach Mitternacht fand sie heraus, wer ich war, und konnte mir fast ausreden, dass meine Eltern nur aus der Stadt gezogen waren, weil sie mich dauernd mit dem Bagger verdroschen hatte. Sie raubte mir einen Kuss. Er schmeckte nach dem Tod, der in der Bittermandel lauert. Ich hatte noch ihre panierten Kinderfüßchen vor Augen, auf denen sie Plastikwerkzeug für den Bau ihrer monumentalen Sandburgen um sich herum sortierte. Diese Nacht trug sie spitzige Peeptoes. Manche verstehen es nie. Sie bestellte noch Bittermandellikör.

Meine zweite Freundin musste von ihren Eltern beständig ermahnt werden, hier nicht dauernd barfuß rumzurennen, weil sie sich’s sonst auf der Blase holt. Allein in den fünf Minuten, die ich im Korridor auf sie wartete, ließ sie zweimal ihr genervtes “Nänänänänä” vernehmen, mit dem sie alle Anweisungen ihrer Eltern zu kontern pflegte.

Zwei Sommer später traf ich sie mit zwei Punks, einem Schäferhund und mehreren Flaschen Bier vor der Lorenzkirche lümmelnd und konnte schließen, dass sie Barfußgehen immer noch als eine Ausdrucksform innerer Rebellion begriff. Damals gab es gegenüber der Lorenzkirche noch den großen Schuhladen.

Die Haare, Kleider und Zehenschildchen meiner driitten Freundin waren nicht einfach schwarz. Die Haare, Kleider und Zehenschildchen meiner dritten Freundin waren vor Menschenaltern in einen Zustand des Lichts eingetreten, der sich beim Hinschauen anfühlte wie ein Loch in der Nacht und beim Drandenken im Hinterkopf dröhnte. Dafür ersparte der Schneewittchenschimmer ihrer Haut nachts das Leselicht.

Von ihr erfuhr ich, dass meine zweite Freundin gar nicht so unordentlich gewesen war, weil schwarzer Nagellack praktisch sofort nach dem Trocknen anfängt abzublättern, und dass dieser Effekt teilweise sogar erwünscht ist. So viel verstand ich zur Not. Das runenartige Gekrakel, das sie sich mit einem eigens für diesen Zweck angeschafften Skalpell aus dem Ärztebedarf in beide Unterarme, Waden und Fußrücken ritzte, überforderte mich.

Meine vierte Freundin zog sich immer weiße Socken mit dünnen roten Ringeln in die Sandalen. Im Freibad kam sie immer im Bikini, aber noch in Socken und Sandalen aus der Umkleidekabine, um unseren Platz auf der Wiese zu suchen. Wegen der Fußpilzgefahr, wie sie angab.

Auf der ausgebreiteten Decke streifte sie ihre Socken mit verschämten Blicken und einer besonderen Feierlichkeit ab, schlang ohne Versäumnis, doch mit geübtem Schwung ihre entblößten Fersen als Sitzgelegenheit unter sich und kramte nach einem Buch, aus dem sie mir kniend vorlas. Einmal war es der ganze Shakespeare in einem Band. Gegen ihren Widerstand fand ich heraus, dass ihre zweiten Zehen genauso lang waren wie ihre großen Zehen. Ich fand, das sah irgendwie erwachsen aus, sie fand es hässlich. Sie war noch nicht in ihre Füße hineingewachsen.

Danach bekam ich eine Brille und achtete in der Folge sehr viel mehr auf Mädchen. Allerdings bekam ich nur noch Freundinnen, die ebenfalls Brille trugen. Das hat den Vorteil, dass zwei Brillen stark beim Küssen stören. Wenn man über vier Brillengläser voller Nasentapser nicht lachen kann, hält die Beziehung keine zehn Minuten. So kam ich immer mit jungen Damen zusammen, denen das Lachen locker saß. Und das, lassen Sie sich gesagt sein, ist ein Aspekt, der einem Kerl, der sehenden Auges der Philosophischen Fakultät zustrebt, das Leben noch sehr erleichtern wird.

Meine fünfte Freundin machte sich geradezu einen Sport daraus. Ich bockte sie auf einen Sandsteinsockel unter der Nürnberger Burg auf und ließ sie stundenlang meine Brille blindküssen. Leider endete ihr Körpergefühl unterhalb des Kruzifixes an ihrer Halskette. Bis heute glaube ich fest, dass sie die Worte “barfuß” und “Zehen” nicht aussprechen konnte; ein verbreiteter Sprachfehler. Es hielt nicht lange.

Meine sechste Freundin war eine reine Brieffreundschaft. Sie besaß ein Buch über das Zehenlesen und schickte mir deshalb immerzu filmeweise Fotografien von ihren Füßen in allen Perspektiven und Lebenslagen, die charaktervollsten auf 13×18, drei gar nicht mal so schlecht ausgeleuchtete auf 30×45.

Zehenleserei, lernte ich, ist so seriös und so hanebüchen wie Handlesen oder Astrologie auch, funktioniert mit einem Minimum an Menschenkenntnis einwandfrei anhand von Bildern und ist unschlagbar, wenn man mal auf einer Hochzeitsfeier mit lauter Fremden von horoskopgläubigen, aber wenigstens barfüßigen Frauen umringt sein will (das war ein Tipp, Jungs!).

Als wir zum ersten Mal telefonierten, um uns auf halbem Reiseweg in einer verschwiegenen Pension zu verabreden, war sie über meinen fränkischen Zungenschlag mindestens so erschrocken wie ich über ihren sächsischen. Ich fand es sinnig, den Stapel mit ihren knubbelzehigen Selbstportraits in einem Schuhkarton zu horten. Er wurde voll und wog ungefähr fünf einbändige Shakespeares. Beim nächsten Umzug setzte ich ihn in der Stadtbücherei aus. Zweifellos benutzt ihn heute halb Nürnberg als Lesezeichen.

Ab meiner siebten Freundin war nicht länger zu verhindern, dass es ernsthaft ans Sexuelle ging. Außer über einen karottenroten Wuschelschopf verfügte sie über große, fröhliche Flitschflatschfüße mit den ausdrucksvollsten Zehen der Welt. Damit konnte sie so vergnügte und so verdrossene Mienen schneiden wie mit den Augenbrauen. Ausdauernd und taktfest konnte sie damit zur Musik schnipsen und Bücher umblättern. Dünndruckpapier! Auf meine Frage, ob sie damit auch Flieger falten und Zigaretten drehen konnte, musste sie ungelogen erst nachdenken.

Nie kapiert hab ich, woher sie stammte. Sie legte offenkundig auch keinen Wert darauf, es muss aber westlich der Sonne und östlich vom Mond gewesen sein, irgendwo nördlich von Hamburg jedenfalls, aus dem Skandinavischen, in der Gegend von Thule. Sie stellte es als eine Art Elfenreich dar. Deshalb hatte sie sich etliche deutsche Lieblingswörter zugelegt, verwendete etwa die Wörter “barfuß” und “meine Zehen” auffallend gerne, wobei sie mit den Lippen den Verlauf der Vokale besonders sorgfältig formte. Meist hob sie dazu andeutungsweise einen Fuß, um an der wirklichen Entsprechung vorzuweisen, wovon sie sprach.

“Ich kann dir doch nicht gleichzeitig in die Augen und auf die Füße schauen”, bedauerte ich.

Language!”

“Auf deine Zeeehen.”

“Na bitte, du kannst es ja. Auf mich musst du besser aufpassen, ich bin für die ganze Welt baaarfuuuß.” Mit betont offenem a, auf das sie ein entgegengesetzt dunkles u folgen ließ. Dann kumpelte sie mich auf die Schulter und lachte sich kaputt.

In der Kneipe nahm sie gern die Bank unter den Fenstern in Anspruch, wo sie ihre Beine zikadenartig um sich herum verteilte. Das war Teil ihrer Körpersprache. Die Bedienungen unseres Vertrauens wussten davon und duldeten es nachsichtig, die besten unter ihnen sogar ein bisschen neidisch.

Eines Abends versuchte sie dort, weil sie eben günstig saß, nacheinander mit beiden Füßen, den Satz A girl without freckles is like a night without stars in ihre A4-Chinakladde zu schreiben. Daran scheiterte sie nur, weil ihre Füllfeder nach einigem ruppigen Gehüpfe auf dem Wege hierher kleckste. Seitdem erzählte sie überall herum, sie sei linkshändig, aber rechtsfüßig.

Allein deswegen missriet ihr die beidfüßige Tätigkeit des Zigarettendrehens. Weil sie sich das nicht bieten ließ, fing sie unter dem Tisch an, sich umständlich aus den allzu engen, ihren Beinradius einschränkenden Jeans zu winden. Überraschend wirkte sie in burschikosen Boxershorts und einem Träger-Top, das ihr rothaartypisches Augengrün wiederholte, viel selbstverständlicher angezogen als zuvor. So gelang ihr immerhin mit entspannter Grandezza, mit den Zehen die fertige Zigarette zu rauchen.

Den Satz mit den girls ohne freckles schrieb sie dann in englisch-humanistischer Kalligraphie mit der Hand. Mit der linken, den rechten Fuß mit der Zigarette versonnen an die Tischkante gestützt.

“Mein Liebchen?”

“Mein Wolf.”

“Kannst du denn auch mit deinen unterseitig so sinnreich und gelenkig angebrachten Rosenzehen aus deinem Bierglas trinken?”

“Nicht doch, mein großer kluger Wolf. Wir wollen der guten Gottesgabe nicht vergeuden und über Tische, Bänke und Chinakladden vergießen, sondern nächste Woche, so Gott will, wieder zur Stelle willkommen sein und bei der flinken Margit des neuen Bieres bestellen, um eines frischen Rausches zu genießen.”

“Genießen statt vergießen.”

“Wie du das immer so schön sagen kannst.”

“Und doch, mein Liebchen, beliebst du zu schummeln.”

“Wobei denn nur, mein Wolf?”

“Zikaden sind weder mehrhändig noch multitasking.”

“Mein großer, kluger, belesener, eloquenter, aufmerksamer und gutaussehender Wolf!”

“Scherze nicht, mein Liebchen. Rothaarig sind sie schon gleich gar nicht.”

“Aber baaaaarfuuuuuß…”, behielt sie Recht. Stillvergnügt kalligraphierte sie vor sich hin, indem sie zuzeiten von der Zigarette zwischen ihren Zehen zog. Mit der rechten Hand abzuaschen hatte sie schnell raus. Die ganze Kneipe einschließlich der Bedienung verliebte sich heillos in sie.

Erst als ich meine Beobachtung, dass sie alle Zehen spreizen konnte außer Nummer zwei und drei links, eher beiläufig, ganz sicher aber absichtslos äußerte, sah ich etwas in ihr einrasten. Umgehend befahl sie mir auszutrinken und schob mich am Hintern bis zu sich ins Schlafzimmer. Hinter uns hörte ich in unserem Gleichschritt den ganzen Weg bis auf den Schlafzimmerteppich ihre großzügig offenen Birkenstocklatschen mit viel Platz für zwei Fünfersätze Zehen erwartungsvoll an ihre Sohlen flatschen. Die Jeans trug ich ihr um den Hals geknotet vorneweg. Sie war mir zwei Lebensjahre voraus, darum geriet meine Entjungferung zur gründlichsten Entjungferung in der Geschichte der Entjungferungen.

Nach einer aufreibenden 18-Stunden-Übung, die sämtliche bekannten Indoor-Disziplinen sowie einige bis dahin unbekannte einschloss, klingelte es. Vor der Wohnungstür stand ein junger Mann aufgebaut, der sich zurechtgelegt hatte:

“Ey, Alder. Das geht nicht. Echt nicht.”

Da hörte ich hinter mir die Freundin lustig zwitschern: “Hi, Herr Nachbar!”, worauf er etwas wie “Also leiser bitte” nuschelte und im Treppenhaus verschwand.

Als ich mich umdrehte, trug das Liebchen nichts als ein Handtuch um die Brüste geschlungen, das noch über der Taille endete. Sie feixte breit über ihre postkoital kirschroten Wangen und schnitt jubelnde Grimassen mit den Zehen: “Das war leicht”, und zerrte mich mit zwei Fingern im Hosengummi zurück ins Bett, weitertrainieren.

Von ihr bleibt mir die Erinnerung, wie sie mir nach dem Schlussmachen gegenüberstand und aufpasste, dass ihr die Grünaugen nicht überliefen. Sie knöpfte mir die Jacke zu, ruckelte mir die Mütze zurecht und musste nicht, wie die meisten Frauen, auf Zehenspitzen ein Stück an mir hochkrabbeln, sondern konnte mich aus ebenbürtiger Körperhöhe ein letztes Mal auf den Mund schmatzen. Sie trug, wie ich wusste, selbst gestrickte Wollsocken in Schnürschuhen mit Profil.

Meine achte Freundin riss sich einmal auf einer Bergtour unangekündigt die Wanderschuhe von den Füßen, stopfte die Socken hinein, rannte barfuß vor mir her die Kuhweide hinab und ließ sich an den unten plätschernden Gebirgsbach fallen, um sich die müde gequetschten Zehen zu kühlen. Hinterher hatten sie die Farbe zarter Rosenblätter. Barbeinig in reißendem Gebirgswasser umherwatend erzählte ich ihr, dass ein Mädchen auch in Wanderstiefeln barfuß sein kann, nämlich als nicht akut körperlicher, sondern als grundsätzlich geistiger Zustand, in ähnlicher Weise, wie eine Frau über 18 ein Mädchen sein kann, und dass beides nichts Verwerfliches, vielmehr etwas Erstrebenswertes ist, und sie verstand es. Und vor allem verstand sie es als Kompliment. Zu Hause getattete sie mir, ihr die Zehennägel in einem Mitternachtsblau zu lackieren, wie nur große, freigeisternde Mädchen es tragen dürfen.

Wir schaufelten uns zwei weitere Urlaubswochen frei, um einander täglich dreimal beizuschlafen. Den Körperkontakt, den sie mit Lippen, Händen, Brüsten, Scham und Zehenballen auf mir herstellte, verwendete sie als leistungsfähigen Weg der Kommunikation, auf dem ich lernte, wie wesentlich der weibliche Höhepunkt durch ein untergeschobenes Kopfkissen und kreisende Hüftbewegung an Frequenz und Lautstärke zunimmt. Ihre Augenfarbe wechselte mit ihrer Tageslaune zwischen Grau und Blau und bildete damit zuverlässig die Farbe des Himmels über München ab. Die Strümpfe, die ich ihr schenkte, konnte sie nicht tragen, weil ihre Zehen daraus betrübt wie gefangene Bachforellen hervorguckten, worauf man angesichts der korrekten Bezeichnung Fishnets hätte kommen können. “Das mein ich mit barfuß in Wanderstiefeln”, erklärte ich; atemlos beschied sie mir ihr Verständnis durch eine Einheit Beckenbodengymnastik.

Im Gegensatz zu mir besaß sie eine Bohrmaschine, die sie Ladybosch nannte. Sie konnte besser zeichnen als ich. Sie lehnte Brillen ab. Sie konnte sich nie entscheiden, ob im Wort “barfuß” das r als eigener Laut mitgesprochen oder nur als Länge im a erscheinen soll, jedoch reichte ihr phonetisches Problembewusstsein aus, um es mir gegenüber zu thematisieren. Ich heiratete sie.

Flip. Flop. Flip. Flop, machen die zwei Mädchen wieder, mit bunt in die Welt blinzelnden Zehen, Hand in Hand, versonnen, stolz und siegessicher: Die Ampel hat auf Grün geschaltet. Logisch, ist ja jetzt Frühling.

“Schaun’S es Eahna oo, de zwoa junga Ganserl”, plaudert mich von der Seite eine Frau im rentnerbeigen Anorak an, mit rechtschaffenem Kopfschütteln, kriegt aber den richtigen Münchner missbilligenden Grantelton nicht hin: “De hoin si’s doch auf da Blosn, de zwoa.”

Schade, dass ich schon abbiegen muss, weil ich ein Meeting mit meiner achten Freundin am Küchentisch hab, sonst wäre ich möglicherweise schlagfertiger als: “Ja mei, gell, Lichtmess halt.”

Soundtrack: Ray Collins’ Hot-Club: Barefoot, aus: Teenage Dance Party/Tohuwabohu, 2006 [sic!], bekannt von Til Schweiger, 2005.

Diese Woche gelernt:

  • Ich bin zu alt, um noch Bücher von Leuten zu lesen, bei denen es nicht mal zu einer Gesamtausgabe bei Hanser gereicht hat.
  • Menschen unter 21 sind nicht sehr helle.
  • Katzen sitzen gern in Pappkartons.

Viel mehr ist da nicht.

Soundtrack: Spillsbury: Die Wahrheit
(“Schon gut — ja, ich weiß jetzt, was du meinst.
Na klar — war doch alles trotzdem gut.
Hau rein — und ich kenn ja dein Gesicht und find dich immer wieder.”),
aus: Raus, 2003.

Das Neueste vom Sommerloch

NEUENKIRCHEN Fassungslos waren die Bewohner des Antoniusstift, als sie am Dienstagmorgen vor die Tür sahen: Einer der zwei Blumenkübel vor dem Eingang des Altenheimes wurde umgestoßen und lag zerbrochen vor dem Eingang.

Katharina Hövels: Antoniusstift: Großer Blumenkübel zerstört, 3. August 2010, 13.52 Uhr.

Und damit nicht genug, denn “[e]ntlang der gesamten Rheiner Straße, von Dr. Göbbels abwärts, wurden auch noch Mülltonnen umgeworfen.”

Was die Münstersche Zeitung verschweigt: Der Chaostheorie oder irgend so einem Angeberquatsch für Theoretische Physiker und Epigonen der Empfindsamkeit folgend, müsste sich wenige Kausalschritte darauf ein Schmetterling in Südamerika den Flügel verstaucht haben. Von den ungezählten Säcken Reis in China ganz zu schweigen.

Das war doch bestimmt wieder die eine Dicke aus dem Zweiten.

Katharina Hövels, Antoniusstift. Großer Blumenkübel zerstört. Münstersche Zeitung, 3. August 2010

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Edit: Nochmal gut gegangen:

NEUENKIRCHEN Die neuen Blumenkübel sind am Freitagmorgen in Neuenkirchen eingetroffen. Um 10 Uhr lieferte ein Postbote per Overnight-Express die neuen trittsicheren Blumenkübel aus Metall an.

Yvonne Petrausch: Das sind die neuen Blumenkübel, 6. August 2010, 11.22 Uhr.

Yvonne Petrausch, Das sind die neuen Blumenkübel. Münstersche Zeitung, 6. August 2010

/Edit.

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Soundtrack: Funny van Dannen: Freunde der Realität, aus: Herzscheiße, 2003;
Fotos: Katharina Hövels, Yvonne Petrausch.

Den Sand in den Kopf stecken

In diesen ruhelosen Tagen werden unsere Kollegen aller Branchen “was zur WM machen” müssen. Das muss the missing link glücklicherweise nicht. Bis zum 11. Juli 2010, an dem dieser betrübliche Auswuchs der afrikanischen Entwicklungshilfe enden wird, verhalten Sie sich uns und allen gefühlsbegabten Menschen gegenüber nach folgenden sehr wenigen, sehr einfachen Regeln:

  1. Meiden Sie Zusammenrottungen vor übergroßen Monitoren. Man erkennt sie von weitem am typischen Ausruf “Schlant!” und am Klang des Rauschens wie von Meeresbrandungen oder Autobahnen, gerne auch von traditionell afrikanischen Musikinstrumenten, die ähnlich heißen wie ein zurückgezogen lebender deutscher Fußballspieler. — Sollten Sie trotzdem unverschuldet in eine solche Zusammenrottung geraten, vergegenwärtigen Sie sich, dass man traditionell afrikanische Musikinstrumente und zurückgezogen lebende deutsche Fußballspieler respektieren sollte. Ebenfalls mit Respekt, nicht etwa Mitleid, sollte man zum eigenen Schutz Menschen mit Verhaltensstörungen begegnen. Deren Selbsthilfegruppen lösen sich am 11. Juli von selbst auf und mit ihnen das Problem, das sie bewältigen.
  2. Vermeiden Sie auch den Erwerb von Merchandising, der im Zusammenhang mit dem Fußball der Herren steht. Sehr wahrscheinlich unterstützen Sie damit niemanden, der Sie nicht dafür verhöhnen würde, allen voran eine undurchschaubare Hierarchie bizarr überbezahlter Hauptschulabbrecher. — Sollten Sie trotzdem unverschuldet solches Merchandising erwerben, etwa weil Entwicklungshilfe schließlich Entwicklungshilfe ist, oder weil Sie glauben, dass der Krempel in fünfzig Jahren was wert wird, verschließen Sie es gut an einem Ort, zu dem niemand außer Ihnen Einsicht gewinnt.
  3. Vor allem aber vermeiden Sie die Sätze “Der Ball ist rund”, “Der nächste Gegner ist immer der schwerste”, “Das Spiel dauert neunzig Minuten” und “Nach dem Spiel ist vor dem Spiel” sowie die Synekdoche “das runde Leder” als Umschreibung für einen Fußball. 1954, das war gerade einmal neun Jahre nach dem bisher verheerendsten Krieg, als man froh sein musste, wenn die Leute nicht noch schlimmere Sachen sagten. Rechnen Sie zum Vergleich nach, wo Sie heute vor neun Jahren standen, und bewahren Sie ein Mindestmaß an Würde in Ihren Äußerungen. — Sollten Sie trotzdem unverschuldet solche Sätze aufsagen müssen, etwa weil Sie sonst von Menschen, die sich unter Drogeneinfluss die Wangen mit Landesflaggen bemalt haben, spontan auf die Lichter kriegen, hören Sie hinterher zuhause ein Viertelstündchen Deutschlandfunk. Das bereichert und reinigt den Geist.

Sollten ungnädige Umstände Sie dennoch in den nächsten Wochen zwingen, ein Fernsehgerät zu verwenden: Nutzen Sie die DJ-Helme, die Sie sonst in Ihren iPod stöpseln! Die passen nämlich auch in die Kopfhöreranschlüsse an Breitwandfernsehern. Danke.

Nächste Woche: Korrektes Verhalten, wenn die Sendung mit der Maus wegen Fußball ausfällt, in behördlich unterstützten Verkehrsstörungen (“Autokorso”) und im Kontakt mit Betroffenen und Angehörigen.

Von München bis Venedig (fast)

Wenn ich vielleicht noch vierzig Jahre gelebt habe und dann nichts mehr zu tun finde, kann es wohl noch eine kleine Ausflucht weden, die Winkel meines Gedächtnisses auszustäuben, und meine Geschichte zur Epanorthose der Jüngern hervor zu suchen. Jetzt will ich leben, und gut und ruhig leben, so gut und ruhig man ohne einen Pfennig Vorrat leben kann. Es wird gewiß gehen, wie es bisher gegangen ist: denn ich habe keine Ansprüche, keine Furcht und keine Hoffnung.

Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802, 1803.

Der Münchner hat gar reiche Wahl
Im Grünen zu lustwandeln,
Am schönsten ist das Isartal
So lang sie’s nicht verschandeln.

Das würde längst geschehen sein
Wollt’s nicht davor bewahren
Der wackre Isartalverein
Seit nunmehr sechzig Jahren.

Laßt ihn, Ihr Münchner, nicht im Stich
Es könnt Euch sonst gereuen:
Noch Eure Enkel sollen sich
Der schönen Landschaft freuen!

Seit 60 Jahren, das heißt: Eugen Roth hat das dem Isartalverein anno 1962 gestiftet, und in der Sache hat er ja dann auch Recht.

Vroni meint: “Dir schenk ich nie wieder ein Buch über einen Wanderweg.” Vom Marien- bis zum Markusplatz braucht man laut Ludwig Graßler 28 Tage, das sind der Länge nach 520 Kilometer, in denen es geschlagene 20 Kilometer bergauf geht. Höchster Punkt ist eine gewisse Boèhütte (2873 Meter) auf dem Piz Boè (3152 Meter) in den Dolomiten. Dabei liegt Venedig sogar 515 Meter tiefer als München, weil es auf den Meeresspiegel blickt, das Ermutigende ist also: Man geht insgesamt ein bisschen bergab. Die U-Bahn unter den Alpen durch ist bislang nur eine viel beobachtete Fata Morgana derer, die sich auf den von Graßler so genannten “Traumpfad” eingelassen haben. Spätestens an der Isarquelle, die sich erstaunlich tief und hoch im Karwendel versteckt.

Der erste Wandertag, den Graßler veranschlagt, geht vom Münchner Marienplatz (von mir aus zehn Minuten mit dem Bus) bis Wolfratshausen. 32 Kilometer, das kann doch nicht so schwer sein. “Stellt keine Anforderungen an den Wanderer, außer Ausdauer”, also weder Trittfestigkeit noch Schwindelfreiheit, und die Beschilderung reicht von einem Wirtshaus zum nächsten. Vroni meldet sich fußkrank, vielbeschäftigt und außerdem desinteressiert an wertfreiem Herumgerenne, ich stehe um acht Uhr auf (am Morgen) und steige in die schnellen Jack Wolfskins.

Radl-Discount in Thalkirchen. Nebenan eine noch viel malerischer verfallene Backsteinburg, der leider fotografisch schlechter beizukommen ist, weil man sich fast schon beim Hinschauen Scherben und Spreißel einrennt. Muss erst eine Viehverladestation und danach eine Werbeagentur gewesen sein, den Bahngleisen nach zu schließen, die in den eingetretenen Meetingraum führen. Und sozialkritische Detailaufnahmen von zugeschimmelten Wurstdosen und Jahrzehnte alten Kondomen wollte ich aus einem Bergwanderbericht ausnahmsweise raushalten.

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Schreckliches wird jenen zustoßen, die keine Achtung vor der Natur haben, darum achte die Erde auf der du wohnst! LAOTSE

Lao-Tse, das wäre wiederum Vronisport, aber die muss ja daheim weitercomputern. Schade, die versteht solche Zusamenhänge aus dem Tao Te King wie “Der Weg ist wie der Fluss, weil beide im Wald sind”. War mir immer zu hoch, aber die Erde achten, das leuchtet mir ein. Lernt man ja schon beim hochtaoistischen Isartalverein: Keine Kippen in die Isar schmeißen, nicht von den markierten Wanderwegen abkommen, nicht laut singen, nicht die Tiere des Waldes vergrämen. Ommmmm.

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Die Altbayrische Wetterstation mit dem Stein, der nass wird, wenn er im Regen hängt: Some Witzchen never sterb out. In meiner Jugend bediente sich der mittelständische Hauseigentümerhumor allerdings noch eines Eselschweifes aus Bast.

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Fliegenstrecke, 16.4. – 30.9. Rätselhafter Flusslauf.

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Langsam fällt mir schon selber auf, dass ich hauptsächlich Schilder fotografiere. Mein altes Verständnis von Schönheit und Nutzen: Buchstaben zum Gucken, Bilder zum Lesen.

Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Lebensgefahr und Todesgefahr?

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Besonders geschützt sind die vor Ihnen liegenden Isarinseln. Sie sind “Kinderstube” von bodenbrütenden Vogelarten wie Flussseeschwalbe, Uferläufer und Regenpfeifer. Zu ihrem Schutz ist das Betreten oder Landen an den Kiesinseln in der Zeit zwischen 15. März und 1. September untersagt.

Zehn Tage zu spät. Und ab 2. September hab ich doch Weihnachtsgeschäft.

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Der Georgenstein: Nagelfluhfelsen unterhalb Baierbrunn. Der Blechkamerad ist nicht der heilige Drachentöter, sondern ein Lenggrieser Flößer.

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Die Birg, Gde. Baierbrunn. 70 m über der Isar ragt die Birg (früher Burg oder Bürg) als Steilufernase ins Flusstal. Sie gehört topographisch und historisch zu Schäftlarn, seit dem frühen 19. Jh. jedoch zur Gemeinde Baierbrunn. Die Birg ist eine imposante, wahrscheinlich vorgeschichtliche Wallanlage mit geringen Funden aus einer Grabung von 1893. Die älteren Erdanlagen dürften unter den jüngsten aus der Bajuwarenzeit nachchristlichen 8. – 10. Jh. verborgen liegen. Nur der vorderste, niedrige Wall könnte vorgeschichtlichen Urpsrungs sein, da er nicht in die Befestigungsanlage passt. Hinter ihm befinden sich zahlreiche Fallgruben (?) gegen berittene Angreifer. In den Ungarneinfällen nach 900 dürften sich die Mönche des Klosters Schäftlarn samt der bäuerlichen Bevölkerung hinter den Wällen der Birg verschanzt haben. Von Kampfhandlungen ist jedoch nichts bekannt. Im übrigen macht die Anlage einen unfertigen Eindruck. – Südlich und westlich liegen zwei Hügelgräber aus der Hallstatt-, der älteren Eisenzeit (etwa zwischen 750 und 450 v. Chr.).

Und kürzt sich “Gemeinde” eigentlich “Gde.” oder “Gd.” ab? Fragen über Fragen seit der Hallstattzeit, und immer noch macht alles einen unfertigen Eindruck. Das klingt jetzt wieder sarkastischer, als ich’s meine.

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Birkengeschwür (ulcer carpenter).

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BeschäftigungstherABI oberhalb von Schäftlarn. Wie schön zu sehen, dass junge Menschen wie Steffi, Lena, Patrick und Hannes in Klosterinternaten auch mit nichts anderem befasst sind als in ordentlichen Schulen.

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… oft bis zum Schluss.

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Nein, das ist immer noch nicht die Abtei Schäftlarn, auch wenn der Besen vor der Pforte auf die anhaltenden Renovierungsarbeiten deutet.

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Keine Angst, die spielen nur Agatha Christie.

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Der Klostergarten. Für die Frage, ob das Apfelbäume sind, hätte mir mein Vater weiland schon wieder eine gepflanzt, weil man das “in meinem Alter” nicht lernt, sondern weiß. Fotos von der Kirche verkneife ich mir, weil ich nicht glaube, der Dokumentation des Klosters etwas Bedeutendes hinzufügen zu können. Innen sind noch Baugerüste. Nächstes Jahr wird die richtig schön!

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Modell der Isar von der Quelle bis zur Mündung. Es geht auch auf drei Metern.

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Gasthaus zum Bruckenfischer. In der Fastenzeit Fischwochen, ganzjährig mittwochs Schnitzeltag.

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E.ON weist auf ihren Betriebswegen alle Verantwortung von sich.

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Das Volk der Fische: Huchen, Barbe, Zingel.

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Die Bedienung in der Aumühle glaubt schon gar nicht mehr, dass jemand an einem Stück von München bis zu ihr laufen kann (“In Schäftlarn hab i’s nimmer derbremst”). Macht nix, dafür sieht sie aus wie Lisa Hannigan im Dirndl.

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Unsere Milch macht Bayern stark! Milch und Käse aus Bayern.

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I ♥ Julia und ich Sabine.

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“Wohin des Wegs, Bursch?”

“Nach Wolfratshausen, dem Stoiber einen Haufen vors Gartentürl setzen!”

Auf manche Momente wartet man ein Leben lang.

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Typischer Bewohner der Pupplinger Au *scnr*

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Über dem Kontakt mit Einheimischen verpasse ich die Loisachmündung. Muss ich halt nächste Woche nochmal her.

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Der Rothaarige weiß genau, was ein Portraitfoto ist. Die Puschelohren gibt’s nur gegen Aufpreis.

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Via Bavarica Tyrolensis.

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An dieser Stelle fällt mir mein Vorsatz, einen Wanderbericht ohne das Wort “entschädigen” zu gestalten, besonders schwer.

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Holy Mary goes Hindu.

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Wolfratshausen am Wasser: Man kann tatsächlich Städtepartnerschaften mit Flottendienstbooten eingehen.

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Die Beschränkung der Mobilfunkpolitik auf untaugliche Grenzwerte und Messung zu ihrer großzügigen Einhaltung ist populistische Verharmlosung!

Ziviler Widerstand gibt einem immer wieder zu denken.

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Buchhandlung Fraas, Wolfratshausen.

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Andreaskirche, Wolfratshausen. Außenrum haben sie sogar einen Marienplatz. Vielleicht schau ich nächste Woche nach, ob sie in Bad Tölz einen Markusplatz haben. Das wäre laut Graßler der zweite Wandertag.

Damit mir Vroni glaubt, dass ich nicht einfach den ganzen Tag in Schwabinger Antiquariaten rumgehangen bin, kaufe ich bei Buchhandlung Bürobedarf Schwankl bei zwei freundlichen Omas einen Knetradiergummi (1,75 Euro), um den Kassenbon vorzuweisen, auf dem eine Wolfratshausener Adresse steht. Die S-Bahn fährt zwanzigminütlich nach München zurück.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Warum Wählen gaaaaar nicht geht

Aus entlegenen politischen Brennpunkten der Welt verlautet, dass die Leute da ihr Leben einsetzen, um seine Anführer wählen zu dürfen.

Ich weiß, es ist ein Blog, Aufmerksamkeitsspanne gleich null, oder zehn Sekunden, was aufs gleiche rauskommt, darum geben wir uns das nochmal: Menschen. Gehen sterben. Fürs Wahlrecht.

Nun sind wir hier weder in Afghanistan noch werden wir dort besonders eifrig gelesen (hoffe ich…), und in Deutschland setzen die Menschen lieber ihre Freizeit dafür ein, um zu begründen, warum man nicht zur Wahl gehen muss. Mäh, mäh, kann man doch eh nix ändern, diedaohm machendocheh wassewolln, was soll da meine Stimme, außerdem ist da in Walkenried Klostermarkt und in Kloster Eberbach gehobenes Saufen. Es ist nämlich ganz anders.

Hat sich was von wegen das Wahlrecht mit Füßen treten, indem man nicht hingeht, nur weil sich irgendwelche Kuffnucken genau dafür abknallen lassen. Schließlich sind früher die Leute auch beim Bärenjagen draufgegangen, und heute? Sind die Veganer die Guten. Erlegt werden allenfalls political animals, da hab ich in letzter viele gesehen: Das animal lebte biologisch noch, nur die politics waren abgestorben.

Erst vor wenigen Jahren und wenige Kilometer weiter waren Todesfälle im Einsatz für die Meinungsfreiheit zu beklagen. Was machen wir damit? Youtube gucken und Mund halten und das Rezept für Schweinsbraten aus einem C-regierten Land optimieren, hey, wir haben zwonull, Keule.

Betreiben wir Altersvorsorge? Hilfe, is mir doch viel zu riester, I only live once, baby. Aber im Ernst: Haben Sie mal überlegt, wo noch vor siebzig Jahren einer hingekommen wäre, der sich eine schwarz-rot-goldene Fahne ins Autofenster klemmt und hupend den Verkehrsfluss behindert? So gesehen ist Wählengehen tatsächlich blanker Zynismus.

Und anders gesehen? Glauben Sie mir doch sowieso nichts, weil ich meine Ratschläge nicht in gerappter Form vortragen werde und weder über einen sichtbaren Migrationshintergrund noch über Vorstrafen verfüge. Also bitte selber nachdenken, was gut ist (als Einstieg: Die Einsicht, dass ein Politiker, der Politiker geworden ist, um Politiker zu sein, vermutlich Politiker bleiben will, ist keine fortgeschrittene Denkleistung). Das ist meine einzige Wahlempfehlung. Eine dringende.

Bloggen soll ja auch Spaß machen. Tom Waits: I Don’t Want to Grow Up aus: Bone Machine, 1992.

Der Umschlag in der Krise

Update zu Osterurlaub:

Karstadt schließt. Wie gewöhnlich um 20.00 Uhr, jetzt dann bald für immer.

Sperrt Karstadt jetzt zu? Nein, die Filialen bleiben in vollem Umfang geöffnet, verspricht der Konzern.

Ja, klar. Wer der Fronleichnamsausgabe der Abendzeitung nicht glauben wollte (Seite 2).

Selbst wenn wir nie was dort gekauft haben, weil wir gleich in die Apotheke gekonnt hätten: Karstadt wird uns fehlen. Das haben sie davon, dass sie perfekt funktionierende Häuser, in denen man Sachen kaufen kann, vulgo “Kaufhäuser”, in “Erlebniswelten” umbauen mussten: eine Krise. Seitdem fallen jeden Samstag erlebnishungrige Bauern aus Münchner Vororten wie Aschheim, Augsburg, Ingolstadt, Landshut, Unterhaching und Vaterstetten (alphabetisch) über die paar Quadratmeter um den Marienplatz her und grabbeln in reduzierten Büstenhaltern. Ihr Geld überlassen sie der Tankstelle.

Dreißig Jahre ist es her, da hat mein Schulkumpel im Nürnberger Karstadt ein Federmäppchen geklaut, um den elterlichen Zuschuss für Wichtigeres zu sparen, der konnte zu Hause was erleben. So sah die Erlebniswelt Karstadt aus, und alle waren glücklich (außer meinem Kumpel). Nach Ende des Mietvertrags 2010 werden die zwei Karstadt-Häuser in der Münchner touristischen Rennmeile erwartbar in Parkhäuser oder Sammelgebäude für Dönerbratereien und Taschengeldwaschanlagen für ephemere Plastikscheiße umgebaut.

Gerade in unserem Beruf werden wir von Karstadts Dahingang einschneidend betroffen. Dort gab es nämlich die einzigen zurechnungsfähigen Briefumschläge, die ich kenne: 50er-Packungen Versandtaschen etwas größer als DIN A4, reinweiß und nicht im gängigen Braun von Umzugskartons, die schon in drei Kiffer-WGs als Kleiderschrank gedient haben, die Lasche lang genug, dass man ohne Verzweiflungsakt eine vollständige Präsentation darin verschließen kann, eine Gummierung, der man nur von weitem die Zungenspitze zeigen muss, damit sie unbarmherzig zuklebt, und als Alleinstellungsmerkmal: die Öffnung an der Längsseite!

Seit ich diese Umschläge kenne, ist mir ein Rätsel, wie irgend ein anderer Anbieter auf dem Schreibwarenmarkt je die Öffnung an der kurzen Seite anbringen konnte. Sie tun es alle.

Die einzigen Umschläge, für die wir regelmäßig Rückmeldung bekommen haben: Die sind ja klasse, wo haben Sie die her, die kann man ja richtig benutzen, sehen auch ganz edel aus, muss ich haben, warum sind nicht alle so? Meine Textaufträge für Bewerbungsschreiben schlossen immer auch die dringende Empfehlung ein, die Bewerbungsunterlagen in den längsgeöffneten weißen A4-Versandtaschen von Karstadt und keinen anderen zu verschicken, und was soll ich sagen: Die Leute wurden einer nach dem anderen genommen. Das sage ich, ohne meinen Anteil an diesen Erfolgen unnötig zu schmälern. Etwas scheint falsch daran oder unrentabel in der Herstellung, denn Deutschlands einzige diskutable Versandtaschen gibt’s jetzt nicht mehr. Weder bei Karstadt noch sonstwo.

Ich war konsumwillig, ich trat auf als informierter, mündiger Verbraucher, der eine klare Vorstellung von seinen Bedürfnissen hat, und machte mich auf zu Karstadt, um seine Konkursmasse durch einen Hamsterkauf zu entlasten. Haushaltsartikel 50 % reduziert, hing überall von der Decke; Schreibwaren halten offenbar zu lange, um sie verbilligt den verstaubten Käuzen zu überlassen, die heute noch Sachen im Umschlag statt im Download verschicken wollen.

In dem Regal, in dem ich zuverlässig seit einem Jahrzehnt die Briefumschläge meines Vertrauens wusste: alles voll kackbrauner A5-Tüten mit schmaler Öffnung, die Laschen herstellerkostenbewusst gummiert und keinen Millimeter zu lang.

Der mündige, konsumbereite Verbraucher in mir fragte die Verkäuferin, übrigens nicht die übliche Alpha-Türkin beim After-Hour-Clubbing, sondern eine respektable Substitutin mit geflügelter Hornbrille. Die erinnerte sich nicht, jemals dergleichen geführt zu haben, hielt jedoch Versandtaschen wie von mir beschrieben für eine wirklich gute Idee. Sollte man sofort erfinden.

So verstärkt sich “die Krise” selbst: Mit den anstehenden 43.000 Arbeitslosen aus der Arcandor-Insolvenz ist es ja nicht getan. Der Schreibwarensubstitutin aus dem Oberpollinger-Haus am Dom wollen wir wünschen, dass sie in ihren 40 Dienstjahren schon mal einen Rentenanspruch wenigstens auf Hartz-IV-Niveau zusammengewirtschaftet hat und beim Baron von Ullmann, Mädi Schickedanz und ihresgleichen vielleicht noch ein bissel putzen gehen kann. Aber was machen die anderen 42.999 aufstrebenden Alpha-Türkinnen, Metzgermeister, Reisekauffrauen und was sich bei Karstadt alles tummeln durfte, die noch was vorhatten im Leben, wenn sie sich jetzt weiterbewerben müssen, damit der vorsortierende Praktikant den Umschlag überhaupt öffnet? Eine witzige Diddlmaus draufkleben?

Es wird gespenstisch, so ohne Karstadt. Da kann man sich ja gleich vorstellen, dass im Straßenbild plötzlich kein Opel mehr mitfährt oder… Moment…

Lerne klagen ohne zu leiden

WOYZECK. Wir arme Leut. Sehn Sie, Herr Haupt mann, Geld, Geld. Wer kein Geld hat. Da setz eimal einer seinsgleichen auf die Moral in die Welt. Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unseins ist doch einmal unseelig in der und der andern Welt, ich glaub' wenn wir in Himmel kämen so müßten wir donnern helfen.

Georg Büchner, ca. 1836

Leiden ist jetzt mein Geschäfte
Andres kann ich jetzt nicht thun
Als nur in dem Leiden ruhn.
Leiden müssen meine Kräfte

Leiden ist jetzt mein Gewinn
Das ist jetzt des Vaters Wille
Den versteh ich sanft und stille
Leiden ist mein Gottesdienst

Gott, ich nehms aus Deinen Händen
Als ein Liebeszeichen an,
denn in solchen Leidenschaften
Willst Du meinen Geist vollenden.

Wer allein im Fleische leid't,
Wird errettet von den Sünden,
so den Körper oft entzünden,
und an seinem Geist erneut.

Drum so weiß ich festiglich
Ich mag leben oder sterben,
dass ich nicht mehr kann verderben,
denn die Liebe reinigt mich.

Maria Michels, 29. September 1832

Kennen Sie glückliche Menschen? Ich kenn nur ängstliche.

Wenn man fragt, warum auf der Welt etwas passiert, muss man einfach nur gucken: Wer verdient daran? — Sind Tiere beteiligt? Dann geht es um Reproduktion. Sind Menschen beteiligt? Dann geht es um Geld.

So einfach, dass es nervt. Komplizierter wird's aber nicht.

Nun unterscheiden wir zwei Sorten Menschen: solche mit Geld und solche ohne Geld. Dass letztere nicht glücklich, sodern ängstlich sind, sehen Sie ein. Dass erstere aber ebenfalls nicht glücklich, sondern ängstlich sind, klingt gefährlich nach Gutmenschenbinse: "Geld macht nicht glücklich", "Besitz belastet" und ähnlichen Faschistenparolen.

Stimmt trotzdem. Ich hab lange überlegt, ob ich es überhaupt so öffentlich sagen soll, aber es führt kein Weg daran vorbei: Reiche Leute sind nicht glücklich. Das Beruhigende ist: An Amnesty spenden hätte nichts genützt, Armut ist nämlich mindestens genauso scheiße. Es herrscht eine große Verschwendung an Lebensglück in der Welt.

Bleiben wir im Bild und fragen uns, wem die Angst nützt: Wer verdient daran? Jemand, dem lebenslänglich himmelangst ist, dass er verarmen könnte. Diese Angst kann er in sich einsperren, das ergibt Depression und allgemeines Rundumversagen, oder er kann sie an andere weitergeben, das gibt Geld. Jedenfalls glaube ich nicht, dass die Menschen Sätze wie "Ich übernehme keine Gewähr für die Rechtssicherheit und Einhaltung der Gesetze auf allen von hier verlinkten Internetseiten anderer, ebenso nicht für Seiten auf die von den verlinkten Seiten gelinkt wurde oder aber auch für Seiten, auf die von verlinkten verlinkten Seiten, die hier verlinkt sind gelinkt wird" freiwillig auf ihre Websites schreiben. Sondern weil sie etwas oder jemanden fürchten. Und zwar den Verlust von Geld.

Was dagegen hilft? Nun, Sterben wäre die eine Lösung. Die andere: Leben. Leben hat man nur eins, weil wir hier unsere Avatare nicht in der World of Warcraft rumsteuern, man sollte es also eifersüchtig ausnutzen. Also erst schießen, dann fragen. Bei Rückfragen nochmal schießen. Keine Musik hören, sondern Musik machen, das ist dann sowieso die schönste. Zehn hanebüchene goldene Regeln ausdenken und befolgen. Nur noch tun, was Sie interessiert, aber vor allem: Tun Sie es. Alle Gegenstände Ihres Haushalts, die mit einem kleinen i anfangen, den Armen spenden, vor allem den geistig Armen, die stehn da drauf. Tun Sie lieber irgendwas als gar nichts, man weiß ja auch nicht, was Aristoteles morgens um vier getrieben hat. Dann sind Sie wenigstens beschäftigt und dann lachen Sie darüber, dass Sie je an Sex und Geld interessiert waren.

Schwierig? Ach was. Gewöhnungssache wie alles andere. Wo ich Sie gerade so schön motiviert hab: Als Anfang gewöhnen Sie sich endlich das Bloggen ab. Yippie yeah.

Soundtrack: Paul Young: Love of the Common People (mehr Mädchenchor zum Grinsen in der Extended Version), aus: No Parlez, 1983.

Errungenschaft von Dänen und denen, denen Dänen nahestehen

Dänisches SturmglasWomit Darwin die Stürme rund um die Galápagos-Inseln witterte, könnte sich the missing link, Ihre Lieblingsagentur für wissenschaftliches Wohnen und Deep Thought Blogging, ab Weihnachten an die Wand nageln.

Das dänische Sturmglas wird seit 1750 auf Segelschiffen für die Sturmwarnung verwendet. […] Das in dänischer Manufaktur hergestellte Glas ist heute noch ein zuverlässiges Instrument für die Wettervorhersage. Und sicher auch das geheimnisvollste.

Es besteht aus einer hermetisch abgeschlossenen Glasröhre mit einer gesättigten, farblosen Kupfersulfat- oder Campher-Alkohol-Lösung. In dieser Lösung wachsen bei Wetteränderung Kristalle. Anhand der Größe und der Form können Sie das Wetter bestimmen. Bis heute gibt es keine genaue Erklärung für die Funktionsweise. Der Wissenschaftler Hans Baumer konnte Temperatur und Druck als wesentliche Einflussfaktoren ausschließen: Er zeigte, dass die Größe der Kristalle mit dem Auftreten elektromagnetischer Längstwellen, die in Tiefdruckgebieten entstehen, zusammenhängen. Ungeachtet der Erklärung, gibt es keinen Zweifel, dass es funktioniert.

"Bis heute gibt es keine genaue Erklärung für die Funktionsweise": Für die 139 Steinchen kann man wenigstens verlangen, einen Moment lang in Ehrfurcht vor der Schönheit solcher Grenzerscheinungen zwischen Natur und Technik verharren zu dürfen. — Auch haben?

Bild und Beschreibung: Bild der Wissenschaft.

Feinschmecker-Ratten allesamt

Ab Morgen den 3. Oktober ist der Film Ratatouille bundesweit in den Kinos.
Es geht um eine kleine Ratte, die besser kochen kann als der Chefkoch. Hingehen! Hier der Link auf die offizielle Website:
http://disney.go.com/disneypictures/ratatouille/main.html

Natürlich ist das im geistigen Nebenplot auch wieder so ein elendes, plattes "Du-kannst-alles-schaffen-wenn-du-nur-willst"-Ding, doch der kleine bepelzte Hauptdarsteller und dass es so engagiert um gutes Essen geht, macht alles wett. Die einzigen Filme ohne Ratte, die mir da einfallen und mindestens genauso gut sind, sind "Bella Martha" mit Martina Gedeck und noch ein Gourmet & Crime (sehenswert), in dem intrigante Star-Köche einander wegen eines Wettbewerbs bis aufs Blut bekämpfen und am Schluss einer von denen glasiert in der Backröhre landet. Wer weiß, wie der heißt, bitte rühren.

Da ich selber  – oder besser gesagt meine Tochter – eine wunderhübsche Ratte namens Pepper plus ihrer noch putzigeren Kinder nebst den beiden Katzen, die das nicht schor -  beherbergt hatte und außerdem Ratatouille in allen Variationen für mein Leben gern koche, bin ich dabei. Nicht in der Backröhre, im Film. PIXAR rocks.

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