Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Fast Food und andere Ungereimtheiten (Seite 2 von 2)

Letzte allgemeine Verunsicherung

Update zu Cooles Essen:

Haben Sie mal mit jemandem zusammengelebt, der sich als Gourmet versteht? Und sind Sie da noch zu regelmäßigen Mahlzeiten gekommen?

Mein Französisch ist in letzter Zeit etwas porös, aber “Gourmet” muss etwas heißen wie “Nichtesser”, so eine angeblich unübersetzbare Entsprechung eben. Drei Tage in einem Haushalt mit einem Gourmet, und je nachdem, wer stärker ist, wird einer den anderen zwangsernähren.

Gourmetsein scheint ziemlich hip; man munkelt von Kochsendungen im Fernsehen, wo von gelernten, ja berühmten Köchen gezeigt wird, wie man isst. Und schlecht ernährt sind alle Leute, heißt es.

Und rambazamba macht der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) eine Seite namens Lebensmittelknappheit auf. Sollen sie ruhig: Wenn das irgendwas nützt, ist es morgen verboten.

Hach, Moment, “Lebensmittelklarheit” heißt das. Tatsache ist: Zuerst hab ich mich tatsächlich auf “-knappheit” verlesen, und zweite Tatsache ist: Das kommt aufs gleiche raus. Unter Lebensmittelklarheit litt allenfalls meine Oma, aber da war Krieg und schmerzhaft klar, dass die Kartoffeln, die sie der kargen Krume entrang, aus Kartoffeln bestehen.

Im Ernst: Beim derzeit gültigen Preis für Erdbeerjogurt ist nicht die Frage, ob die Erdbeeren darin auf Schimmelpilzen oder Frisörabfällen basieren, sondern ob man davon sofort krank wird oder erst in einem Zeitraum, der auch für Zigaretten gilt.

Der Marketing-Tipp von Ihrem Lieblingstexter: Analogkäse muss endlich veganer Käse heißen. Dann regt sich kein Loha und nicht mal mehr ein Gourmet mehr darüber auf, sondern zahlt begeistert den dreifachen Kilopreis für das, was bei der Rewe-Kette als Bio-Tiefkühlpizza durchgeht, wetten?

Erste Allgemeine Verunsicherung: Oh Bio mio aus: À la carte, 1984.

Anständig essen

Um 1370:

Du solt nit bey tische grelzen noch mit dem messer in die zent stüren.

Vor 1643, überliefert in Umberto Eco: Die Insel des vorigen Tages, Übersetzung von Burkhart Kroeber, 1994 (Seite 69, Kapitel 6: Große Kunst des Lichts und der Schatten):

In sauberen Kleidern erscheinen, nicht nach jedem Happen einen Schluck trinken, sich vor dem Trinken den Bart und den Schnurrbart abwischen, sich nicht die Finger ablecken, nicht in den Teller spucken, sich nicht in die Tischdecke schneuzen. Wir sind schließlich keine Kaiserlichen, Messieurs!

Heinz Dietrich: Menschen miteinander. Ein Brevier des taktvollen und guten Benehmens, 1934, Nachdruck 1952:

Von dem aufgetanen Fleisch wird im Gegensatz zu angelsächsischen Gepflogenheiten immer nur das Stück, das man für den nächsten Bissen braucht, abgeschnitten. Nur für Gebrechliche und für Kinder, die sich auf den Gebrauch von Messer und Gabel noch nicht verstehen, kann man das ganze Stück gleich auf einmal zerteilen. Knochen, unzerkaubare Knorpel und Sehnen, die einem in den Mund geraten sind, läßt man auf Gabel gleiten und legt sie etwas abseits auf den Teller zurück.

Messer und Gabel werden am oberen Teil des Griffes gehalten, so daß dessen Ende wie ein Hebel gegen die Mitte der Innenhand stößt. Dadurch hat man nicht nur die größte Gewalt über Messer und Gabel, die locker über den Griff ausgestreckten Zeigefinger werden dann auch niemals so weit nach unten gleiten, daß sie die Schneide oder die Gabelzinken berühren. Die Daumen liegen ebenfalls ausgestreckt seitwärts an, während die übrigen Finger eingekrümmt die untere Klammerstütze für die Besteckgriffe bilden. Je leichter und unverkrampfter die Hände Messer und Gabel führen, desto eleganter sieht es aus und desto weniger Geklapper und Lärm entsteht. Die Gabel bleibt stets in der Linken, das Messer in der Rechten. Sie werden beide mit dem Rücken nach oben im spitzen Winkel flach und schräg über dem Teller gehalten. Das Messer darf sich niemals vom Teller entfernen, es dient nur zum Fleischschneiden und zur Unterstützung der Gabel bei der Zusammenstellung und beim Anspießen des Bissens. Degenschlucker gehören in den Zirkus. Grundsätzlich wird das Messer nur zum Schneiden solcher Gerichte benutzt, die allein mit der Gabel nicht zerkleinert werden können. Gemüse wird also nicht geschnitten, ebensowenig natürlich Deutsches Beefsteak. Gleichwohl wird das Messer auch dann nicht aus der Hand gelegt, sondern zur Unterstützung der Gabel als Schieber gebraucht. Auch wenn es für das Messer gerade nichts zu tun gibt, soll es während des Ganges also nicht aus der Hand gelegt werden. Die Gabel sticht, Rücken nach oben, leicht in das abgeschnittene Fleischstück und hebt es zum Munde. Gemüse, Kartoffel usw. ohne Fleisch kann auch mit der nach oben offenen Gabel aufgenommen werden. Sie darf aber nicht erst in der Luft angefüllt werden, indem etwa das Messer die Speisen an ihr wie ein Maurerspachtel abstreicht, sondern immer direkt auf dem Teller. Und, wie man nicht oft genug sagen kann, nie zu hoch auf einmal aufladen, lieber die Gabel ein paarmal mehr zum Munde führen. […]

Jede Mahlzeit geht einmal zu Ende, auch die längste. Trotz der so oft angestrengten “Sitzung” werden Sie jedoch niemals schwer und stumm in Ihren Stuhl zurücksinken, als hätten Sie schon mit einem kleinen Verdauungsschlummer begonnen. Bei den rauchern erwacht die Sehnsucht nach der Zigarette. Doch sie sollten ihre Etuis steckenlassen und sich bezähmen, bis der Hausherr es für richtig hält, Zigaretten anbieten zu lassen. Vor dem Schlußgericht (Süßspeise oder Obst) wird das nicht der Fall sein. In der Regel geht man zu Kaffee, Zigarette und Likör nach beendeter Mahlzeit in ein anderes Zimmer. Wird der Kaffee sofort anschließend am Eßtisch serviert, nachdem alles Geschirr und alle Gläser abgedeckt sind, so paßt eine Zigarette recht gut dazu. Zugleich macht auch die Kiste Zigarren die Runde. Zwischen den Gängen zu rauchen, ist heute vielfach üblich geworden. Besonders schön ist das nicht, und bei großen, offiziellen Diners ist das zweifellos nicht am Platze. Vor dem Kriege verwendete man für die ganz engagierten Raucher gern sogenannte “Damen-Zigaretten”, die nur wenige Züge enthielten. Zur Zeit sind solche Zwischengangszigaretten nur als Sonderanfertigungen erhältlich. […]

Darum wird man auch allein genau so essen, als sei man mit anderen zusammen. Auch allein bleibt man ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft, und man degradierte sich menschlich, wenn man sich von jenen Formen “befreite”, sobald man unbemerkt ist, als seien sie nur ein Komödienspiel, das man ohne Zuschauer nicht mehr nötig hätte. Wie könnte man auch von jemand verlangen, daß er als ernsthafter erwachsener Mensch sich nach Formeln richtete, die weiter nichts wären als bloße Spielregeln?

Doch es kommt noch hinzu, daß man niemals die nötige Sicherheit und Gewandtheit erlangt, wenn man immer erst in Gegenwart anderer mit seinem guten Benehmen beginnt. Da Appetit und schlechte Gewohnheit sehr bald den auferlegten Zwang durchbrächen, so würden sich die üblen Manieren doch schnel verraten. Wem daher der tiefere Sinn der Tischsitten verborgen bliebe, für den wäre es immer noch eine Sache der praktischen Zweckmäßigkeit, sich auch allein am Tische niemals gehen zu lassen.

Barbara Kleber: Knigge für jeden Tag: Richtiges Benehmen. Zeitgemäße Umgangsformen. Mit Trainingsfilm auf DVD:

Ein Beispiel: Dr. jur. Krösus (wir erinnern uns, der frischgebackene Doktor der Rechtswissenschaften) lädt seine beiden Mitarbeiterinnen zum Mittagessen in den Ratskeller ein. Alle Tische sind eingedeckt, ein paar Gäste sitzen im Gastraum. Dr. Krösus führt die Damen an einen Tisch seiner Wahl, ohne sich mit dem Service abgesprochen zu haben. Ein Kellner folgt der Prozession und weist die Gruppe darauf hin, dass dieser ausgewählte Tisch reserviert sei. Mit den Worten “Dann reservieren Sie eben einen anderen!” lässt sich Krösus nieder, während die Damen noch zögerlich stehen bleiben. Der Kellner bittet Krösus höflich an einen anderen Tisch, denn dieser Tisch sei reserviert und schoin für die Gäste dekoriert, die übrigens die Dekoration auch schon bezahlt hätten. Notgedrungen wechselt Krösus mit den damen, denen die ganze Situation peinlich ist, an einen anderen Tisch. Krösus hat kaum von der Suppe gekostet, als er laut in die Hände klatscht, um die aufmerksamkeit eines Kellners zu gewinnen. Dieser kommt auch schnell, weil er neues Unheil ahnt Krösus erklärt ihm nun lautstark, dass er dieses “Sosenfutter” nicht essen und auch nicht bezahlen wird. Mit einer Entschuldigung räumt der Kellner die Suppentasse ab. Die Damen löffeln weiter, immerhin scheint es ihnen zu schmecken. zum Hauptgang haben die Herrschaften Rotwein bestellt. Wieder lässt Krösus den Service antreten und verkündet: “Diesen verkorkten Wein werde ich nicht trinken, bringen Sie mir ein Bier, damit können Sie hoffentlich nichts falsch machen.” Schließlich sind die Teller und Gläser leer und Krösus ruft durch den Raum: “Zahlen!” Der Kellner kommt mit der Rechnung. Derweilen hat Krösus seine Brieftasche gezückt, knallt drei Kreditkarten auf de Tisch mit der Bemerkung: “Suchen Sie sich eine aus!” Während der Kellner noch mit der Karte seiner Wahl und der Abrechnung beschäftigt ist, steht Krösus auf und holt die Garderobe. Als sich die drei anziehen, kommt der Kellner mit der Karte und dem Rechnungsbeleg zurück. Wortlos nickend nimmt Krösus beides an sich. Die drei verlassen den Ratskeller und der Kellner atmet tief durch.

Sie wissen und können es besser. Notieren Sie hier Ihre Empfehlungen für Herrn Dr. Krösus:






Erkenntnis: Seit man seine Mammuts nicht mehr selbst handwürgen muss, ist nichts einfacher geworden.

Julia und die Paprikasau

Update zu Tausend und ein Apfelstrudel:

Kreative sind ja so sensible Menschlein. Die Juliaschwemme von vor zwanzig Jahren ist jetzt erwachsen und auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Und jetzt braucht sie einen USP. Wenn schon keinen positiven, wenigstens einen hilfesuchenden. Wozu hat man was Heiratsträchtiges im Einzelhandel gelernt:

Kreative sind ja so sensible Menschlein. Und ich erst. Schau meinen Kassenzettel an: Ui. Wer kauft denn sowas. HEFI PAPRIKASAU. Vergleich mit den erbeuteten Schätzen: Heringsfilets in Paprikasauce. Große Erleichterung.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Tausend und ein Apfelstrudel

Schick die Dienstleister ein Weilchen zur Fortbildung ins Web 2.0, schon reicht ein Kurztrip nach Nürnberg, um sich von der Wüstenprinzessin mit den Köstlichkeiten Arabiens Stirn und Füße salben zu lassen. (Okayokay, es waren hausgemachte Köstlichkeiten Frankens, und wir haben sie zwischen zwei Zügen denkbar unspektakulär am Tisch sitzend verzehrt, aber schön ist es trotzdem, was die Leute im Internet für Wörter lernen.)

Gasthof Pillhofer, Königstraße Nürnberg. Uns bediente die Wüstenprinzessin.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Wo der Aufschwung angekommen ist

Marketingplanungen für heute abgeschlossen? Ihren guten Vorsatz des täglichen Networking-Anrufs erledigt? Tee statt Kaffee? Sitzen Sie orthopädisch vorteilhaft? Fein, dann sind Sie ja so jemand, der gerne mal diese Betroffenheitslyrik liest.

Falls noch jemand Zweifel hatte, dass eine natürliche Auslese lebensuntüchtiger Elemente politisch gewollt ist: Die Zeitungen werden heute voll mit der folgenden Meldung sein, was nicht lange anhalten wird. Ich wähle die Version aus der Süddeutschen Zeitung und teile nach Art von Erich Fried den — gekürzten — Wortlaut in Verse auf. Dann ist es Kunst und muss niemanden erschüttern.

Ein
arbeitsloser
Mann
geht in den Wald,
um zu sterben.

Ein Hochsitz,
wie es sie im Solling
zu Hunderten gibt,
nicht weit
entfernt von einem
Erlebnis-Waldweg
in der Nähe
des Ferienorts
Uslar.

Jagd-Kollegen
von Hennecke
entdeckten die Leiche
des Mannes, als sie
am vergangenen Freitag
ein paar morsche
Bretter reparieren wollten.

Der Arbeitslose,
davon geht
die Polizei aus,
hat seinem Leben
durch Nahrungsverweigerung
ein Ende gesetzt.

Polizeisprecher Harald Falkenhain
bestätigt am Dienstag
Angaben der
Sollinger Allgemeinen
Zeitung
, dass der
Arbeitslose
in seinen
letzten Lebenswochen
ein Tagebuch
geführt hat, das
neben der Leiche
gefunden wurde.

Seine Ehe
sei gescheitert,
seine erwachsene
Tochter habe sich
von ihm losgesagt.
Und als er im Oktober
kein Arbeitslosengeld
mehr bekam, habe er
sich mit dem Fahrrad
auf den Weg gemacht
von Hannover
Richtung Solling.
Uslar liegt
mehr als 100 Kilometer
südlich der niedersächsischen
Landeshauptstadt.

Ein kleines Mädchen
habe den Hochsitz
erklimmen wollen, sei
aber von seinem
besorgten Vater
zurückgerufen worden.

Als die Jäger
ihn jetzt fanden,
lag der Tote,
der vertrocknet und
wie mumifiziert
ausgesehen hat, auf
einer alten Matratze
auf dem Boden
des Hochsitzes.

Das Tagebuch
des Toten wird
jetzt an seine Tochter
geschickt. Der 58-Jährige
hatte in dem Büchlein
darum gebeten.

Text: Süddeutsche Zeitung: Arbeitsloser hungert sich auf Hochsitz zu Tode,
12. Februar 2008, gekürzt.

Blüht, fruchtet, rankt und klettert

Update zu innovativpreiswertkompetent:

Vor nicht sehr vielen Jahren kamen mit der Post noch Prospekte vom Orion Versand, mit dessen Kalenderbildern die Wehrpflichtigen ihren Spinden eine weibliche Note verleihen. Heute krieg ich Kataloge vom Gartenversand.

Das Schlimmste daran: Ich kann den Katalog von Ahrens + Sieberz nicht mal rundum uninteressant finden. Für Lebensformen wie mich, die zur Ernährung unpraktischerweise auf Essen angewiesen sind, pflegen sie in Seligenthal ein durchaus anregendes Angebot.

Als mein Vater noch seinen Schrebergarten betrieb, hätte er seine gesamte März- und Junirente auf Zuchterfolge wie die heute bestürzend weit fortgeschrittene Bandbreite von Säulenobst verwendet. Und ich hätte ihn dabei unterstützt, weil immer ich auf die Leiter musste, um die Kirschen zu ernten, und es noch gut finden sollte, weil "richtige Jungen" gefälligst auf Bäume zu klettern haben. Ob jemals einer ausrechnen wird, wie viele Knie- und Bandscheiben sich mit den rezenten Säulen-Zwetschen hätten retten lassen?

Wir kannten gerade mal zwei Sorten Erdbeeren: mit und ohne Pferdemist; Ahrens + Sieberz kennt fünf Katalogseiten voll. Von der Arkansas-Brombeere Navaho, der ersten dornenlosen Säulen-Brombeere der Welt, und der Weltneuheit Prosecco – eine perfekte Züchtung aus einer wertvollen italienischen Birne und einem ganz besonderen französischen Gourmet-Apfel, prickelnd wie Champagner, saftig wie Pfirsiche, knackig wie Äpfel, aromatisch wie Birnen, dabei völlig anspruchslos und monatelang haltbar und selbstbefruchtend auch noch – ganz zu schweigen.

Man kann heute im eigenen Vorgarten Nashi und Kaki ziehen und wild gemustertes Obst mit Namen, die früher den ewähnten Damen beim Orion-Versand vorbehalten waren, sich mit dem Sweet Aloe Vera vom Fensterbrett von Insektenstichen, Brandverletzungen, Bluthochdruck und rheumatischen Erkrankungen kurieren und mit Basilicco die Fliegen und Fruchtfliegen aus der Küche vertreiben. Und weil Gesundheit noch mehr ist denn die Abwesenheit von Krankheit, genießt man die Power-Beere Cranberry, eine wahre Multi-Vitamin-Beere. Den Gewinnlern der Klimakatastrophe zum Trotz zieht man sich so gerüstet Musa, die absolut winterharte (bis -10°C) Bananenstaude als dekorative Solitärpflanze. Schon klasse.

Um bei den Adressenhändlern als Zielgruppe für Schrebergartenbedarf durchzugehen, reicht offenbar kein Vorname, der aufs Germanische (nicht etwa auf dieses neumodische Alt- und Mittelhochdeutsch) zurückgeht; es müssen schon noch Wohneigentum und ein paar Amazon-Erwerbungen aus der Kategorie "Klassiker" dazukommen.

Wenn die ganzen dreijährigen Benedikt, Wenzel, Kreszenzia und Magdalena ins Archiv von Schober kommen, erfahren sie von den Segnungen der Gentechnik, noch bevor sie wissen, was man mit dem ORION Covergirl der Stunde anstellen könnte.

Heldinnen der Servicewüste: Oma

Update zu Knoblauchwodka:

"Ich verwarne Ihnen!"

"Ich danke Sie."

Willi "Ente" Lippens

Loben will ich gutes Essen – was ich auch jedem raten will, der mit einer Designerin verheiratet ist, die sich als Gourmet versteht. Gutes Essen besteht aus einer überschaubaren Anzahl von Zutaten, kann auswendig zubereitet und mit dem Blick auf einen Bildschirm gerichtet verzehrt werden.

Da kann man selbst drauf kommen, im gleichen Sinne aber äußern sich Platt/Keune/Brösel in ihrem Kochbuch für Stümper, Band 1 schon 1990 und verraten neben einer Fülle von wenigstens phonetisch verlockenden Rezepten das für Ente "Lippens". Sie mögen es auf Seite 118 ebendort nachlesen. Grob gesagt läuft es auf eine Entenbrust hinaus, die extrem saftig wird, indem sie sehr langsam in Alufolie eingewickelt gart.

Insidertipp: Das Livio-Öl aus der Zutatenliste brauchen Sie nicht. Bei uns steht der Kanister bis heute so undurchsichtig rum. Was Sie doch brauchen: die 2 EL Rübenkraut.

Hätten Sie gewusst, was Rübenkraut ist?

Und waren Sie schon mal in einem Supermarkt auf Beratung angewiesen?

Im ersten, dessen Kettenzugehörigkeit ich taktvoll verschweige, räumte der Filialleiter persönlich Regale ein. Franchise goes Familienbetrieb, eigentlich sollte man das begrüßen.

"Entschuldigung."

Grunz.

"Wissen Sie, was Rübenkraut ist, und haben Sie sowas?"

"Wenn Sie von irgend so einem Spaßradio sind, hab ich wirklich was anderes zu tun" – sagte er natürlich nicht. Nicht wörtlich.

Im zweiten Laden standen zwei sehr hübsche (weibliche) Auszubildende mit offensichtlichem Migrationshintergrund und schwarzen Umrandungen um den violetten Lippenstift bei den Tampons und argwöhnten, dass gleich eine von ihnen an die Kasse musste. Zur Show kaufte ich irgendwelche Nudeln.

Dritter Laden. Eine resolute Blonde räumt Regale ein.

"Grüß Gott. Wissen Sie, was Rübenkraut ist, und haben Sie sowas?"

"Ein was??" Sie mustert mich, ob ich von Spaßradio bin und ob sie in so einem Fall den Filialleiter verständigen muss.

"Rübenkraut. Brauch ich für ein Rezept. Keine Ahnung, was das ist, das steht da einfach drin. Haben Sie eine Ahnung, ob das ein Gemüse ist und ob das die Beilage sein könnte oder irgendsowas wie Kurkuma oder zum Einreiben?"

"Was muss man denn damit machen?"

"Man muss es in der Pfanne zerschmelzen lassen und den Bratensaft abschaben, und dosieren soll ich es in Esslöffeln. Zwei Esslöffel brauch ich.

Sie verzieht spontan das Gesicht. "Das Rezept haben Sie nicht dabei?"

Was denn nicht noch.

"Da kann ich Ihnen auch nicht helfen." Immerhin heuchelt sie ihr Bedauern recht glaubwürdig.

Vierter Laden. Eine Oma, die es nicht mal mehr nötig hat, sich die Haare kassiererinnenrot zu färben, räumt Regale ein.

"Grüß Gott. Wissen Sie, was Rübenkraut ist, und haben Sie sowas?"

Versonnen lässt sie von ihrer Arbeit ab und reibt sich das Kinn.

"Im Krieg hat’s das gegeben…"

O je, denke ich und freunde mich damit an, mit diesem Rübenkraut zu verfahren wie mit dem Livio-Öl.

Da fasst sie in das Regal hinter sich, ganz unten, und drückt mir eine Dose Grafschafter Goldsaft in die Hand.

"Das ist ein Sirup, wird aus Zuckerrüben gemacht, das schmieren Sie sich aufs Brot oder nehmen’s zum Eindicken von der Suppe und von der Soße. Schmeckt gut, besser als das Nutella!"

Steht heutzutage wieder bei der Biomarmelade. Dafür ist das Kochbuch vergriffen.

Das vollständige Rezept erhalten Sie bei Interesse bei the missing link.

Frauen, die sich von schwulen Designern gängeln lassen.

"Man kann Geschmäcker und Farben nicht reglementieren." (Didier Grumbach, Präsident des französischen Verbandes der Modeindustrie). Arrogantes Rückzugsgefecht einer Modeindustrie, die wirtschaftlich schon bessere Tage gesehen hat.

Dass jeder Designer das selbst entscheiden dürfe. Keiner wird einen Künstler gängeln wollen, wir leben nicht mehr in einer Diktatur, die Kreativen vorschreibt, was sie zu denken hätten. Mehr
aber als retro-Verwurstung der Kleidungsstile der 60er, 70er, 80er und 90er,
mehr als das erneute Inszenieren des Elfen-Looks der Britin "Twiggy" Lesley Hornby fällt diesen sich für innovativ haltenden Männern jedoch im 3. Jahrtausend nicht ein.

Es geht heute – anders als in den experimentierfreudigen 60ern – nicht mehr um die spielerische Selbst-Inszenierung oder Protest durch Kleidung, es geht um die Inszenierung des beherrschten halb-nackten Körpers der Frau.

Halbnackt, da die Défilées statt Kleidung nur das Nötigste bedeckende Stoffstreifen zeigen, die auf unerklärliche Art zusammengehalten sind. In Wirklichkeit das Inszenieren eines allen Blicken ausgesetzten und schwächlichen unreifen Körpers, der sich nicht vernünftig – sondern nur gehemmt – bewegen kann, ohne dass ihm diverse Gaze-Stoffstreifen abfallen.

Der backlash, die Hemmung der sich ihrer Weiblichkeit bewussten starken, erwachsenen Frau, die männlichen Designern einfällt statt lustvoller Kreativität? Oder einfach nur hirnlos? Selber nur unreife Buben? Denn sie wissen nicht, was sie tun? Oder letzte Arroganz einer eh sterbenden Mode-Industrie?

Die immer dünnere Silhouette, die immer männlich-schmaleren Hüften, die von Designern skizziert werden (gerne im Uniform-Look), sind das Ergebnis eines zum kindlich-schwachen verzerrten Frauenbilds der, gerne homoerotischen, auf jeden Fall männlich geprägten Modedesignerwelt, die sich selber malt. Im ersten Fall keine Ahnung, was wirklich echte Weiblichkeit ausmacht (die schwulen Designer), denen kann ich nur raten, solche Hungerentwürfe mal für den Kerl zu machen.

Tun sie aber nicht. Gaultier lässt den schwulen oder metrosexuellen Mann nicht schwächeln. Was diese Abbildung beweist. Deren Männer-Knie erscheinen nicht riesig-knubbelig, durch deren Oberschenkel kann man keinen Fußball durchschießen.

Bei der dünnen Kate Moss, dem in Mailand ausgeschlossenen Model, und Amber Valetta geht das. Weil das des männlichen Designers Geschmack und Wille und Vorstellung ist.

Im letzten Fall das Bestreben des Alpha-Männchens, als Mann der Alpha zu bleiben. Das geht nur mit einer Frau, die so zart ist, dass sie von einer Brise weggeweht wird. Böse Zungen sagen Kleiderständer dazu, Tom Wolfe nennt solche Trophy Wifes, die kräftemäßig einem Mann sicher nicht gefährlich werden können, in seinem  "Fegefeuer der Eitelkeiten" "Society-Röntgenbilder".

Der Zusammenhang mit immer gestörterem Essverhalten wird klar. 15jährige Models (älter sind sie nicht in Mailand und Paris) tun es, Schülerinnen ab 13 tun es: dünn sein wollen, Diäten machen. Ausgerechnet in einem Alter, wo sie verunsichert, verletzbar sind, werden sie so geprägt, dass sie der Außenwelt zu gefallen haben, statt sich selbst. Niemand kann sich konsequent dem Einfluss der Gazetten und Filme entziehen, außer er lebte im Wald. Insofern haben Modemacher, Werber, Journalisten und Medienleute Verantwortung. Ich sehe sie nur nicht, sie wird nicht gelebt.

Die will in einer aktuellen Studie 2006 belegt haben, dass die Magersucht ("anorexia nervosa") genetisch bedingt ist. Das entlastet auf den ersten Blick den Modemacher und die Arroganz aus Paris.

Für mich ist er nicht entlastet, denn die Genforschung sagt auch eindeutig, dass genetische Veränderungen mit aktuellen zivilisatorischen, auch aktuellen neurologischen Veränderungen einhergehen. Das heißt, das, was ich jetzt lebe, verändert bereits meine jetzige Gendisposition: meinen erworbenen plus im jetzigen Leben veränderten Genhaushalt. Beides gebe ich an meine Nachkommen weiter. Neben der erblichen Anorexia sind die Bulimie (Fressen & Kotzen) und weitere Ess-Störungen psychisch bedingt und eine wahre Endemie.

Keine Entlastung, euer Ehren Designer.
Und mein geballtes Unverständnis nach Paris, dem sterbenden Mode-Imperium mit seinen Rückzugsgefechten.

Der neokon-Zeitgeist ist ein Skelett und weht wieder rückwärts. Kernfrage: Haben Männer Angst vor starken Frauen? Ich denke, ja.

Fragt sich nur, warum aufgeklärte Frauen sich in ihrem Selbstbild so fremdgesteuert gängeln lassen. Weiss jemand eine Antwort?

Japan verstehen

Warum riechen die Füße von Japanern nicht nach Käse, sondern nach Essig?

Ist interkulturelle Kompetenz trainierbar oder nicht? Klar: Wen einen Kehricht interessiert, was Österreicher unter einem Schnitzel verstehen oder warum der Jude sich den Segnungen der Schweinsbraten-Kultur verschließt, muss sich auch nicht wundern, wenn er im New Business zu China keinen Reisbeutel gewinnt.

Seit diesem wertvollen Beitrag zum Thema Geschäftsbeziehungen in Japan weiß man: Es gibt schon Tricks.

Der Shopblogger hat recht.

Erstens, kann ja nicht wahr sein: der Name MAGGI  S-c-h-l-e-m-m-e-r  S-e-m-m-e-l.
Ihr Texter, was war da los.

Ob die Unfähigkeit, sich ein eigenes Brötchen zu belegen, durch den skurillen Namen zu- oder abnimmt, wird man sehen.

Zweitens, mit dem Dornfelder ist das wirklich so eine Sache.
So nennt sich eine Rotwein-Rebsorte, die schnell wächst und entsprechend viel Säure entwickelt. Ein Dornfelder ausgerechnet noch von Blanchet mit seinem verschnittenen Zeugs ist echt zu meiden, außer es macht einem nichts aus, dass die Zunge mitsamt dem Gaumen vor Schreck wegschrumpelt.

Ganz weich und samtpfotig hingegen ist der
DORNFELDER
2004
Mainstockheimer Hofstück
EDITH GEISSENDÖRFER
der Weinbauer-Familie Geißendörfer in 97320 Buchbrunn am Hühnerberg.

Lieber Shopblogger, besser ist der.

Reiner Zufall, war beim Kunden in Erlangen und danach in einem Lädelchen beim OBI nach dem Motto Omi wankt in’n OBI. Da war er der Wein. Zu was ein trockener Hightechkunde doch gut ist.

Mit Prominenten spielt man nicht

Ich bin ja ein dermaßen alter Sack, dass man mir noch beigebracht hat, mit dem Essen spiele man nicht. Deshalb versteh ich auch nicht mehr, warum die „Soße zum Braten“ (zum Essen gibt’s keine?) seit Jahren in solchen verspielten Beutelchen verkauft wird statt in ordentlichen Dosen, mit denen sich anständig kochen lässt. Neuerdings ist nicht mal mehr ganz normaler Pfeffer zu kriegen; es muss immer gleich irgendeine „asiatische Würzmischung“ sein. Dabei will ich den Unterschied zwischen thailändischer, koreanischer, nord- und südchinesischer Küche gar nicht wissen. Ich kann so nicht arbeiten!

Und weil gerade Weihnachten droht, branden einem wieder die Bettelbriefe, nein: Spendenaufrufe gemeinnütziger Organisationen den Briefkasten ein. Für das, was sich Make Trade Fair ausgedacht hat, hätte mir mein Vater drei Tage lang das Essen gestrichen. Und damit hätte er Recht gehabt.

Grundsätzlich ist das trotzdem eine doppelt gute Sache: Endlich mal die richtige B-Prominenz mit faulen Tomaten überschüttet zu sehen, ist drei Tage Fasten wert.

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