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Kategorie: Wissenschaft (Seite 2 von 2)

Ein Sack voller Glückskekse

Und ich dachte schon in den 1990er Jahren, dass dieses Jahrzehnt nie revived werden könnte, weil 1989 bis 2001, solange “die 90er” dauerten, alle Welt mit Revivals vorausgehender Jahrzehnte beschäftigt war und deshalb nichts für anstehende Revivals übrig lassen konnte.

Und jetzt, im ausgehenden 2011, kriegt man von Menschen mit Abitur kindergläubige Kettenmails geschickt wie 1998, als kaum die NASA fassen konnte, wie leicht sich die Leute verarschen lassen.

Das Neue daran ist, dass es jetzt um China geht statt um die keltischen Nachbarn von Stonehenge. Gleich geblieben ist die Qualität der Übersetzung wie aus dem weiland Altavista-Babelfish. Ich entzerre das Layout aus der HTML-Mail (dachten Sie etwa, Retro funktioniert authentisch über Facebook? Nächstes Jahr vielleicht) und belasse die Rechtschreibung:

Die Chinesen nennen dieses Phänomen “ein Sack voller Geld”: Dieses Jahr haben wir vier außergewöhnliche Daten: 1.1.11 / 1.11.11 /11.1.11 / 11.11.11. Zudem hat der Monat Oktober dieses Jahr 5 Sonntage, 5 Montage und 5 Samstage – Das ist nur alle 823 Jahre der Fall. Wenn Du die letzten beiden Zahlen Deines Geburtsjahres mit dem Alter, welches Du dieses Jahr geworden bist zusammenzählst, erhältst Du die Zahl 111. Diese Zahl ist dieses Jahr für alle gleich und das bedeutet das Jahr des Geldes!!! Diese Jahre sind hauptsächlich als “Besitz von Geld” bekannt. Dieses chinesische Sprichwort sagt, dass du dies 8 guten Freunden weitersagen musst und das Geld kommt in den nächsten 4 Tagen, wie es durch das Feng-Shui erklärt ist. Diejenigen, die es nicht weiterleiten, erhalten auch kein Geld. Testet das mal – es ist zwar unglaublich, aber warte ab.

Um die letzte Jahrtausendwende verbreiteten sich die C++-Programmierer und Star-Trek-Fans darüber, wie viele Tage es anno 2000 doch geben würde, die aus Nullen und Einsen bestehen, was erst in 101010 Jahren oder so erst wieder der Fall wäre. Man versammelte sich im Englischen Garten zur letzten Sonnenfinsternis des Millenniums und musste immer erst ein bisschen überlegen, mit wie vielen l und n man “Millennium” schreibt.

Hätten Sie je geahnt, dass unser aller Vergangenheit sage und schreibe birnenförmig ist?

Stein gewordener Beweis der Evolution

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu besingen, nur weil sie vor fuchzig Jahren errichtet wurde. Dann eher noch die Graceland, die ist heute vor 25 Jahren erschienen. Und sie ist eine der wenigen mir bekannten Platten, die Menschen verbindet: Auf die können sich Konzertabonnenten, Metaller, Rapper und Folkies einigen, was ich für eine größere künstlerische und politische Leistung halte als 43 Kilometer Mauer.

Fast noch wichtiger, jedenfalls ungleich nachhaltiger finde ich da: Vor genau 150 Jahren wurde in den Solnhofener Schieferbrüchen von einem Steineklopfer das erste vollständige Skelett eines Archaeopteryx gefunden — noch im selben Jahr, als er durch Induktion anhand einer fossilierten Feder beschrieben wurde, als es ihn also geben musste.

the missing link, Ihre Lieblingsagentur für Steineklopfen und nachhaltige Spuren in der Welt, die wir in unserer weblogfreien Zeit betreiben, benennt sich nach dem Missing Link, das ist: dem bis dahin fehlenden biologischen Bindeglied zwischen Dinosauriern und Vögeln. Wenn Ihnen dazu nur pubertäre Kalauer einfallen, können Sie sich gern weiterhin mit P1-Gängern rumärgern, die morgens (so ab 13 Uhr) Berlin Mitte spielen und nachmittags beklagen, dass es in dieser Stadt nicht möglich scheint, einen einfachen Espresso zu bekommen.

Der letzte Saurier ist der erste Vogel, die zehn erhaltenen Archaeopteryges seine ersten Belege. Gerade mal zwei Jahre vor Entdeckung der isolierten Archaeopteryxfeder, 1859, hatte Darwin postuliert, dass es derlei Missing Links geben müsse: Lebensformen in der Evolution, die noch Merkmale des alten Jakobs und schon Merkmale des nächsten großen Dings aufweisen.

Das wird bis heute geleugnet. Die Leute, die es nicht einsehen wollen, heißen Kreationisten und sperren ihre hübschen Töchter ein. Die hässlichen jagen sie vor die Tür. Was ihnen ähnlich sähe, jedoch ein haltloser Schmarrn ist, der sich ebenso zuverlässig beweisen lässt wie der Kreationismus. Vor 150 Jahren kam in Gestalt eines verwurstelten Abdrucks von alten Hühnerknochen das Licht in die Welt. Und es ging von Franken aus.

Herrschaften, wie lange gibt es eigentlich das reelle Familienunternehmen the missing link? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, es müssen um die zehn Jahre sein. Und wie um Himmels willen feiert man sowas? Am besten irgendwas mit Dinosauriern und Vögeln, oder wir hören mal wieder die Graceland, die verbindet. Die Süddeutsche nennt den Inbegriff des Missing Links einen Fränkischen Urvogel. Das ist doch passend.

Ballista. Modell eines Archaeopteryx

Bild: Ballista: Modell eines Archaeopteryx, Stand 9. Juli 2006.

Dr. Mouse heißt jetzt Dr. Geier

Kleine Jungen müssen immer etwas werden. Ein Tiger ist immer ein Tiger.

Hobbes.

Update zu Dr. Mouse:

Gratulation in verschärfter Form ergeht an den allerliebsten Mäuserich zu dem förderlichen Umstand, dass er seinen Doktorgrad ab sofort nicht mehr verbergen, sondern stolz vor allen deinen anderen Namen führen darf.

Chlamydomonas reinhadtii, gentechnisch veränderte Organismen

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Synästhetische Weltanschauung

Auf dem Globus sieht Kasachstan ungefähr genauso groß aus wie Indien. Kurzer Wiki-Check: Kasachstan zählt 2724900 Quadratkilometer, Indien 3287590. Das macht einen Flächenunterschied von etwas über einer halben Million Quadratkilometer; auch schon egal, wenn Indien in der Schule nie als Land, sondern gleich als Subkontinent vorgekommen ist und Kasachstan als Wüste für Atomversuche. So groß wie Indien. Das muss sich einer erst mal geben.

Haben Sie das mal durchverglichen? Länder haben Farben. Indien ist in der Vorstellung des Abendländers immer rot, was einmal Russland war, eine überwältigend große grüne Decke um fast die ganze Nordhalbkugel. Die GUS existiert bis heute nicht, aber man rechnet ja auch noch mit “Jugoslawien” und stellt sich durch Deutschland immer noch so einen dicken Strich vor, hinter dem die Zone anfängt. Das muss das sein, was etwas unappetitlich “Mauer in den Köpfen” heißt.

Daran hat der Nerd die Bedeutung von Synästhesie gelernt: Die Schweiz ist mit einer großen Übereinstimmung in der Bevölkerung (ich beziehe mich da auf eine lange Reihe populärrepräsentativer One-Case-Studies) gelb. Genau wie Kanada. Österreich ist rot, aber heller als Indien. Argentinien ist blau, aber heller als Deutschland.

Nach jahrelang anhaltender Verblüffung über die Sicherheit, mit der die Leute die Farbe von Ländern angeben konnte, kam ich drauf: Das kommt von den Farben auf dem politisch eingefärbten Globus, den wir als Kind hatten. Meiner stammte aus dem Yps-Heft 54 vom 18. Oktober 1976 und war das Gimmick namens “Der ungewöhnlichste Globus der Welt”, ein Deltoidikositetraeder, den mein Vater zusammenkleben musste.

Daher kommt es auch, das ausgerechnet Irland bei niemandem grün ist. Grün ist vielmehr Ägypten.

Der Deufl bleibt da, München Neuhausen

Der Deufl bleibt da: München, Neuhausen.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Dass Marmelade Schnaps enthält (What would you ask if you had just one question)

Man weiß jetzt wenigstens, wo man kreativ werden kann, wenn schon nicht, wie. Und kreativ sein, das wollen doch immer alle.

Und, nein, es ist nicht im Bauch. Das glauben, so viel Verunglimpfung muss sein, nur solche, die beständig im Kreise irren.

Geschrieben bedeutet sowieso schon fast gelogen, jedenfalls wenn der Lügner, nein, der Schreiber, sich nicht aufs Multitasking versteht. Aber jetzt ist endlich erwiesen, dass man mir nichts vormachen kann.

Das ist das leidige Neidige an der Wissenschaft: Sie hat Antworten; wir Philosophen haben immer nur Fragen; mit den Bedenken- ist es wie mit den Windelträgern.

Eine Bedienung im Nürnberger Café Express der verflossenen Neunziger hatte das verstanden. Die drehte einmal pro Schicht One of Us auf Rechtsanschlag und schmetterte in einem Bad der Ehrfurcht durch die versammelte Meute den Text von vorn bis hinten mit beeindruckender Wort- und Tonhöhensicherheit mit, und zwar ohne die Arbeit zu unterbrechen. Hefeweizen einschenken konnte sie eh nicht so richtig, dafür kam sie auf Rollschuhen zur Arbeit. Die Frage nämlich, wie Gott heißen könnte, ist mindestens so alt wie das Judentum (also schon ziemlich) — weiterführend aber zu fragen, ob man SEinen Namen auch verwenden würde, das ist in seinem Alltagsbezug sehr groß.

Philosophinnenliedchen: Joan Osborne: One of Us, aus: Relish, 1996.

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