Die Diskussion darüber, was es eine Maschine angeht, wie die Leute so drauf sind, die sie bedienen, reißt seit Stanley Kubrick nicht ab. Die Diskussion darüber, was es uns angeht, wie die Leute drauf sind, die uns bedienen, hat gerade erst eingesetzt.

Bar-Beleg Gasthof Pillhofer, Nürnberg

Laut der Maschine, die sich mittels eines steuerlich belanglosen Bar-Belegs äußert, war es eine ganz Süße. So viel hätte sich möglicherweise noch unserem eigenen Urteil erschlossen, das Frappierende ist jedoch die Formulierung: “Sie wurden bedient von: Einer ganz Süßen”. Seit wir im selben Hotel und Altfränkischen Gasthaus Restaurant Pillhofer zu Nürnberg einst von einer nicht näher vorgestellten “Wüstenprinzessin” bedient wurden, hat sich einiges getan.

Zuerst sticht ins Auge: Die Bedienung wird zuoberst genannt. Eine alles andere denn selbstverständliche Aufwertung, wie sie in Gesellschaften, die ausschließlich dem Recht des Stärkeren folgen, überhaupt nicht denkbar wäre. Selbst die Wüstenprinzessin nahm damals den Platz einer bloßen Fußnote ein.

Zweitens: die Semantik. Nicht der Klarname der Bedienung erscheint als wichtig, sondern ihr hervorstechendstes Attribut. Auch darin scheint ein Umgang mit dem Personal auf, den wir von indigenen Völkern kennen: Der Name, der zählt, muss verdient werden. So wie Lederstrumpf in jungen Jahren Natty Bumppo hieß, damit das Kind einen Namen hatte, wurde er in seiner späteren Peer-Group als der eine wahrgenommen, der komische Hosen anhat. Sein wahrer Name Wildtöter konnte ihm erst nach bestimmten, sozial bedeutsamen Leistungen verliehen werden. Und Hildegard oder Heidi oder Gabi oder Jacqueline vom Pillhofer musste erst über Jahrzehnte (aber nicht zu viele) zu einer ganz Süßen heranreifen.

Drittens: die Syntax. Ein schlichter Aussagesatz, Präteritum Indikativ im Passivmodus, Subjekt–Prädikat–Objekt, alles kinderleicht und normal. Allerdings wird dieser sonst nicht weiter auffällige, schon gar nicht auffallend lange Satzbau von einem Doppelpunkt unterteilt. Unerachtet das maschinell bedingt sein mag, wurde es dennoch von jemandem billigend genug in Kauf genommen, um es der anonymen Öffentlichkeit mitzuteilen. Mehr noch: Nach dem Doppelpunkt geht der Satz in Großschreibung weiter, als ob ein neuer Satz anfinge. Das verleiht dem Satzteil “Einer ganz Süßen” eine eigenständig machende Wichtigkeit – und dementsprechend der Süßen selbst, die den ganzen Satz für sich allein behalten darf.

Dagegen weist die Thema-Rhema-Aufteilung staatlicher Bevormundung den ihr gebührenden Stellenwert zu: Die Mehrwertsteuer ist – so vornehm wird sich ausgedrückt – rein informativ, deswegen erscheint sie gleich gar nicht. Auch damit, dass jemals ein Gast Wert auf einen Bewirtungsbeleg legen sollte, wird nicht gerechnet: Der Vorschlag dazu wird als Allerletztes gemacht – mit den einzigen Ausrufubgszeichen des ganzen Textes, also in einem Tonfall wie “Hals- und Beinbruch”, den niemand ernsthaft wünschen kann.

Ebenso determiniert die maschinenbedingte Syntax, den angefangenen Satz mit einem Objekt im Dativ fortzuführen, indem sie Passivmodus vorgibt. Bei Hildegard oder Heidi oder Gabi oder Jacqueline hätte der Dativ gleichgelautet, weil es seit dem 19. Jahrhundert unüblich geworden ist, Eigennamen zu deklinieren, was man bedauern oder begrüßen kann. Der Jemand, welcher der Süßen ihren vollständigen Satz überlassen hat – so vollständig, wie Ellipsen sein können –, musste sie zugleich vom Subjekt zum Objekt machen.

Das kann wiederum semantisch als Degradation begriffen werden. Wir wollen deshalb zugute halten, dass dieser Meister (oder diese Meisterin) der EDV den Punkt am Satzende nicht vergessen hat oder sich nur nicht durchringen konnte, für den geschäftlichen Zweck ein durchaus sinnvolles Ausrufungszeichen zu verwenden.

Auf den abschließenden Punkt, behaupten wir, wurde absichtsvoll verzichtet, und zwar um auszudrücken: Wenn hier unsere ganz Süße zum Objekt degradiert wird, dann unter Protest gegen die sprachlich unsensible Maschine, hier ist das letzte Wort nicht gesprochen.

Folglich haben wir unsererseits darauf verzichtet, auf eine steuerlich absetzbare Quittung für unser Weizen Alk. Frei (eine Syntax, die wir ein andermal würdigen wollen) und die Apfelschorle zu bestehen. Was wäre denn zu erwarten gewesen? –: Der undeklinierte Klarname der Bedienung. Immerhin könnte es jederzeit blöd laufen, und die EDV-Meisterin muss unter Ausnutzung der zugelassenen Anschlagszahl für die Bar-Belege eingeben: “Sie wurden bedient von: einem ganz fiesen, unaufmerksamen, dazu noch kreuzhässlichen Zinken, der am besten ALLE Sätze für sich behalten darf!”

Das wäre ihr nicht gerecht geworden. Die ist nämlich in Präsens, Indikativ, Nominativ und Aktivmodus: Eine ganz Süße. Punkt.