Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: März 2010

Von München bis Venedig (fast)

Wenn ich vielleicht noch vierzig Jahre gelebt habe und dann nichts mehr zu tun finde, kann es wohl noch eine kleine Ausflucht weden, die Winkel meines Gedächtnisses auszustäuben, und meine Geschichte zur Epanorthose der Jüngern hervor zu suchen. Jetzt will ich leben, und gut und ruhig leben, so gut und ruhig man ohne einen Pfennig Vorrat leben kann. Es wird gewiß gehen, wie es bisher gegangen ist: denn ich habe keine Ansprüche, keine Furcht und keine Hoffnung.

Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802, 1803.

Der Münchner hat gar reiche Wahl
Im Grünen zu lustwandeln,
Am schönsten ist das Isartal
So lang sie’s nicht verschandeln.

Das würde längst geschehen sein
Wollt’s nicht davor bewahren
Der wackre Isartalverein
Seit nunmehr sechzig Jahren.

Laßt ihn, Ihr Münchner, nicht im Stich
Es könnt Euch sonst gereuen:
Noch Eure Enkel sollen sich
Der schönen Landschaft freuen!

Seit 60 Jahren, das heißt: Eugen Roth hat das dem Isartalverein anno 1962 gestiftet, und in der Sache hat er ja dann auch Recht.

Vroni meint: “Dir schenk ich nie wieder ein Buch über einen Wanderweg.” Vom Marien- bis zum Markusplatz braucht man laut Ludwig Graßler 28 Tage, das sind der Länge nach 520 Kilometer, in denen es geschlagene 20 Kilometer bergauf geht. Höchster Punkt ist eine gewisse Boèhütte (2873 Meter) auf dem Piz Boè (3152 Meter) in den Dolomiten. Dabei liegt Venedig sogar 515 Meter tiefer als München, weil es auf den Meeresspiegel blickt, das Ermutigende ist also: Man geht insgesamt ein bisschen bergab. Die U-Bahn unter den Alpen durch ist bislang nur eine viel beobachtete Fata Morgana derer, die sich auf den von Graßler so genannten “Traumpfad” eingelassen haben. Spätestens an der Isarquelle, die sich erstaunlich tief und hoch im Karwendel versteckt.

Der erste Wandertag, den Graßler veranschlagt, geht vom Münchner Marienplatz (von mir aus zehn Minuten mit dem Bus) bis Wolfratshausen. 32 Kilometer, das kann doch nicht so schwer sein. “Stellt keine Anforderungen an den Wanderer, außer Ausdauer”, also weder Trittfestigkeit noch Schwindelfreiheit, und die Beschilderung reicht von einem Wirtshaus zum nächsten. Vroni meldet sich fußkrank, vielbeschäftigt und außerdem desinteressiert an wertfreiem Herumgerenne, ich stehe um acht Uhr auf (am Morgen) und steige in die schnellen Jack Wolfskins.

Radl-Discount in Thalkirchen. Nebenan eine noch viel malerischer verfallene Backsteinburg, der leider fotografisch schlechter beizukommen ist, weil man sich fast schon beim Hinschauen Scherben und Spreißel einrennt. Muss erst eine Viehverladestation und danach eine Werbeagentur gewesen sein, den Bahngleisen nach zu schließen, die in den eingetretenen Meetingraum führen. Und sozialkritische Detailaufnahmen von zugeschimmelten Wurstdosen und Jahrzehnte alten Kondomen wollte ich aus einem Bergwanderbericht ausnahmsweise raushalten.

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Schreckliches wird jenen zustoßen, die keine Achtung vor der Natur haben, darum achte die Erde auf der du wohnst! LAOTSE

Lao-Tse, das wäre wiederum Vronisport, aber die muss ja daheim weitercomputern. Schade, die versteht solche Zusamenhänge aus dem Tao Te King wie “Der Weg ist wie der Fluss, weil beide im Wald sind”. War mir immer zu hoch, aber die Erde achten, das leuchtet mir ein. Lernt man ja schon beim hochtaoistischen Isartalverein: Keine Kippen in die Isar schmeißen, nicht von den markierten Wanderwegen abkommen, nicht laut singen, nicht die Tiere des Waldes vergrämen. Ommmmm.

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Die Altbayrische Wetterstation mit dem Stein, der nass wird, wenn er im Regen hängt: Some Witzchen never sterb out. In meiner Jugend bediente sich der mittelständische Hauseigentümerhumor allerdings noch eines Eselschweifes aus Bast.

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Fliegenstrecke, 16.4. – 30.9. Rätselhafter Flusslauf.

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Langsam fällt mir schon selber auf, dass ich hauptsächlich Schilder fotografiere. Mein altes Verständnis von Schönheit und Nutzen: Buchstaben zum Gucken, Bilder zum Lesen.

Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Lebensgefahr und Todesgefahr?

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Besonders geschützt sind die vor Ihnen liegenden Isarinseln. Sie sind “Kinderstube” von bodenbrütenden Vogelarten wie Flussseeschwalbe, Uferläufer und Regenpfeifer. Zu ihrem Schutz ist das Betreten oder Landen an den Kiesinseln in der Zeit zwischen 15. März und 1. September untersagt.

Zehn Tage zu spät. Und ab 2. September hab ich doch Weihnachtsgeschäft.

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Der Georgenstein: Nagelfluhfelsen unterhalb Baierbrunn. Der Blechkamerad ist nicht der heilige Drachentöter, sondern ein Lenggrieser Flößer.

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Die Birg, Gde. Baierbrunn. 70 m über der Isar ragt die Birg (früher Burg oder Bürg) als Steilufernase ins Flusstal. Sie gehört topographisch und historisch zu Schäftlarn, seit dem frühen 19. Jh. jedoch zur Gemeinde Baierbrunn. Die Birg ist eine imposante, wahrscheinlich vorgeschichtliche Wallanlage mit geringen Funden aus einer Grabung von 1893. Die älteren Erdanlagen dürften unter den jüngsten aus der Bajuwarenzeit nachchristlichen 8. – 10. Jh. verborgen liegen. Nur der vorderste, niedrige Wall könnte vorgeschichtlichen Urpsrungs sein, da er nicht in die Befestigungsanlage passt. Hinter ihm befinden sich zahlreiche Fallgruben (?) gegen berittene Angreifer. In den Ungarneinfällen nach 900 dürften sich die Mönche des Klosters Schäftlarn samt der bäuerlichen Bevölkerung hinter den Wällen der Birg verschanzt haben. Von Kampfhandlungen ist jedoch nichts bekannt. Im übrigen macht die Anlage einen unfertigen Eindruck. – Südlich und westlich liegen zwei Hügelgräber aus der Hallstatt-, der älteren Eisenzeit (etwa zwischen 750 und 450 v. Chr.).

Und kürzt sich “Gemeinde” eigentlich “Gde.” oder “Gd.” ab? Fragen über Fragen seit der Hallstattzeit, und immer noch macht alles einen unfertigen Eindruck. Das klingt jetzt wieder sarkastischer, als ich’s meine.

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Birkengeschwür (ulcer carpenter).

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BeschäftigungstherABI oberhalb von Schäftlarn. Wie schön zu sehen, dass junge Menschen wie Steffi, Lena, Patrick und Hannes in Klosterinternaten auch mit nichts anderem befasst sind als in ordentlichen Schulen.

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… oft bis zum Schluss.

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Nein, das ist immer noch nicht die Abtei Schäftlarn, auch wenn der Besen vor der Pforte auf die anhaltenden Renovierungsarbeiten deutet.

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Keine Angst, die spielen nur Agatha Christie.

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Der Klostergarten. Für die Frage, ob das Apfelbäume sind, hätte mir mein Vater weiland schon wieder eine gepflanzt, weil man das “in meinem Alter” nicht lernt, sondern weiß. Fotos von der Kirche verkneife ich mir, weil ich nicht glaube, der Dokumentation des Klosters etwas Bedeutendes hinzufügen zu können. Innen sind noch Baugerüste. Nächstes Jahr wird die richtig schön!

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Modell der Isar von der Quelle bis zur Mündung. Es geht auch auf drei Metern.

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Gasthaus zum Bruckenfischer. In der Fastenzeit Fischwochen, ganzjährig mittwochs Schnitzeltag.

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E.ON weist auf ihren Betriebswegen alle Verantwortung von sich.

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Das Volk der Fische: Huchen, Barbe, Zingel.

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Die Bedienung in der Aumühle glaubt schon gar nicht mehr, dass jemand an einem Stück von München bis zu ihr laufen kann (“In Schäftlarn hab i’s nimmer derbremst”). Macht nix, dafür sieht sie aus wie Lisa Hannigan im Dirndl.

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Unsere Milch macht Bayern stark! Milch und Käse aus Bayern.

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I ♥ Julia und ich Sabine.

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“Wohin des Wegs, Bursch?”

“Nach Wolfratshausen, dem Stoiber einen Haufen vors Gartentürl setzen!”

Auf manche Momente wartet man ein Leben lang.

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Typischer Bewohner der Pupplinger Au *scnr*

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Über dem Kontakt mit Einheimischen verpasse ich die Loisachmündung. Muss ich halt nächste Woche nochmal her.

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Der Rothaarige weiß genau, was ein Portraitfoto ist. Die Puschelohren gibt’s nur gegen Aufpreis.

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Via Bavarica Tyrolensis.

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An dieser Stelle fällt mir mein Vorsatz, einen Wanderbericht ohne das Wort “entschädigen” zu gestalten, besonders schwer.

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Holy Mary goes Hindu.

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Wolfratshausen am Wasser: Man kann tatsächlich Städtepartnerschaften mit Flottendienstbooten eingehen.

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Die Beschränkung der Mobilfunkpolitik auf untaugliche Grenzwerte und Messung zu ihrer großzügigen Einhaltung ist populistische Verharmlosung!

Ziviler Widerstand gibt einem immer wieder zu denken.

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Buchhandlung Fraas, Wolfratshausen.

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Andreaskirche, Wolfratshausen. Außenrum haben sie sogar einen Marienplatz. Vielleicht schau ich nächste Woche nach, ob sie in Bad Tölz einen Markusplatz haben. Das wäre laut Graßler der zweite Wandertag.

Damit mir Vroni glaubt, dass ich nicht einfach den ganzen Tag in Schwabinger Antiquariaten rumgehangen bin, kaufe ich bei Buchhandlung Bürobedarf Schwankl bei zwei freundlichen Omas einen Knetradiergummi (1,75 Euro), um den Kassenbon vorzuweisen, auf dem eine Wolfratshausener Adresse steht. Die S-Bahn fährt zwanzigminütlich nach München zurück.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Nu in da houze: Da phatte Ghettoblasta, Alda

Suchbild: Wo ist die Katze?

(Ja, ich weiß, ich weiß… Das war halt der einzige mit ernstzunehmenden Lautsprechern. Und er hat noch ein Kassettendeck.)

Soundtrack: Bananafishbones: Easy Day, 1999.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Neulich in der Asamkirche

Ich weiß, dass Sie mir jetzt nicht glauben werden, aber ich habe mich nicht nur wegen des Geldes für diesen Beruf entschieden. Ich erfinde gern Sätze. Kein anderes Metier verleiht den Wörtern so viel Macht. Werbetexter sind Verfasser verkäuflicher Aphorismen. Auch wenn ich hasse, was aus mir geworden ist, muss ich einräumen, dass man sich nirgends sonst drei Wochen lang wegen eines Adverbs anschreien kann. „Ich träume von einer Welt, in der man für ein Komma stirbt“, schrieb Cioran; ob er wohl ahnte, dass er von der Welt der Texter und Konzeptioner sprach?

Frédéric Beigbeder: 39,90, 2001, Seite 43.

Cosmas Damian und Egid Quirin Asam, Asamkirche Sendlinger Straße

Bild: Asamkirche Sendlinger Straße,
die zwischen dem texxt und dem Schuh-Skandal.

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Nicht denken — kaufen

Alte Marketenderregel: Ein Kunde, der zuviel nachdenkt, kauft nicht.

So also nicht:

Wenger Schweizer Offiziersmesser Giant Messer:

Wenger Schweizer Offiziersmesser Giant Messer

4.796 von 4.888 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

So ist z.B. der integrierte Teilchenbeschleuniger nur dann korrekt in Betrieb zu nehmen, wenn die Nagelfeile und der Korkenzieher in einem Winkel von exakt 107,2 Grad ausgeklappt sind. Nervig ist auch das unangenehme Summen, das der Schutzschild-Generator von sich gibt, wenn der Schild von Luft-Boden-Rakten getroffen wird. Außerdem ist die Notfall-Rettungskapsel mit einer Kapazität von 6 Personen eindeutig unterdimensoniert und kann nur dann abgesprengt werden, wenn das Messer sich in waagerechter Lage befindet. Hier sollte der Hersteller eindeutig nachbessern.

1.272 von 1.335 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

Wir sind letzte Woche in das Messer eingezogen und haben es nicht bereut! Nur beim Lüften habe ich mich jetzt schon öfters geschnitten, bei der Sylvester-Party bildeten einige Besucher bei der 12 Uhr-Polonaise einen Schaschlik, das war nicht sehr schön!

Aber nur noch

3 von 3 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

Bin von diesem Messer begeistert. Meine Steuererklärung sieht nun sehr übersichtlich aus und erfüllt alle Anforderungen des Finanzamts. Dank des integrierten Einkommenssteuerprogramms kann ich jetzt mit einer schönen Steuererstattung rechnen. Auch hat mich als Vielflieger überzeugt, direkt im Taschenmesser in der Business Class einchecken zu können und auch mein Gepäck abgeben zu können. Der direkte Shuttletransfer zum Flugzeug halte ich an dieser Stelle für eine funktionelle Zusatzfunktion für das nächsten Update, wenn, so wie in der aktuellen Version des Messers, meine Duty-Free-Einkäufe wieder ins Flugzeug geliefert werden. Einen Minipunktabzug gibt es für die Software zur Lösung der Hungersnot in der Dritten Welt, die ab der siebten Nachkommastelle ungenau rundet.

Darin liegt das Problem: Die Leute wollen kaufen, nicht nachdenken. Und darin die Lösung: Mampfen.

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