War gestern jemand auf dem Powerpoint-Karaoke? in München kriegt man ja nie was mit…
Monat: Januar 2006
John Lennon rocks!
Mit Spannung war sie erwartet worden, jetzt hat der Papst seine erste
Enzyklika vorgelegt. Es ist ein radikales Hohelied der Liebe:
"There’s nothing you can do that can’t be done. Nothing you can sing
that can’t be sung. Nothing you can say but you can learn how to play
the game. There’s nothing you can make that can’t be made. No one you
can save that can’t be saved. Nothing you can do but you can learn how
to be in time. There’s nothing you can know that isn’t known. Nothing
you can see that isn’t shown. Nowhere you can be that isn’t where
you’re meant to be. All you need is love."
Im Anschluss erklärte der Papst, er sei jetzt "berühmter als Jesus".
Wir wollen ja nicht päpstlicher sein als der Papst – aber der Spruch ist von John Lennon. (aus: taz/verboten)
Von dem ausgeklügelten Whiskyglas-Maßkrug-Hybriden mal abgesehen: Das Ti-Äitsch am Schlüsselwort macht’s doch erst.
Die Frage ist doch: Was treibt einen ansonsten weitgehend gesunden Mitteleuropäer dazu, Belletristisches zu schreiben? Die Antwort klingt immer noch so pointiert wie ein Lichtenbergischer Aphorismus, aber der Einfluss im Übermaß genossener Fertiggerichte auf das kulturelle Schaffen kann gar nicht überschätzt werden.
Die sublimierte Version davon müsste lauten: Es ist der Drang, Kinder in die Welt zu setzen, um an seiner eigenen Unsterblichkeit zu arbeiten. Freudscher Sexual- und Todestrieb begegnen sich im Schreiben von Pubertätsgedichten und allem, was man danach erst recht nicht mehr lassen kann.
Dass man einen Satz Schreibzeug im Gegensatz zu einer 35 Jahre lang andauernden Kindererziehung in jeder Kneipe hinterhergeschmissen kriegt, erklärt das verzweifelte Anschwellen der Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt. Ein Gutes hat es: Die glauben, sie könnten schreiben, nehmen die Heilsvertröstungen der Weltreligionen auf ein besseres Leben nach dem Tod selbst in die Hand und müssen nicht mehr auf wehrlose Theologen schimpfen.
Nun hält diese Überlegung nur bis zum Abschluss der eigenen Erziehung. Hat man die 35 überschritten, wandert der Schwerpunkt der persönlichen letzten Dinge zu der Frage: Wie ist die Unsterblichkeit zu vermeiden, oder radikaler: Herrscht nicht vielleicht irgendwann mal Ruhe? Oder hilft nicht mal mehr Sterben was und geht das dann so weiter?
Todessehnsucht sieht anders aus. Trotzdem interessiert mich, ohne dass ich mir dabei zynisch vorkomme, ob ich vor der Kreuzigung auch noch ausgepeitscht werden muss. Und wie hoch der Einfluss im Übermaß genossener Fertiggerichte auf das kulturelle Schaffen eingeschätzt werden darf.
Es gibt noch engagierte Literaturprojekte. Nachdem die Titanic nur mehr die Legende ihrer selbst geworden ist, muss man vorerst noch bis Hamburg blicken, um die Zeitschrift zu finden, auf die man schon immer gewartet hat. Der Eulenspiegel hat sich sowieso schon immer an jene Zielgruppen gewandt, die virzsch Johre löng keene richtsche Sötiere geweehnt worn, endlich aber erheben sich aus den allfälligen Poetry Slams die Stimmen derer, die am Ende doch was zu sagen haben. Das kostet: Freiheit und Vielfalt der Meinungen sind keine Gratisgüter. Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Victor Hugo musste es wissen.
Die Zeichen sind untrüglich: Kaum rotten sich beherzte Schweden zu einer Piratenpartei zusammen, die im Copyright ein ähnliches Übel sieht wie die Grünen anno 86 in saurem Regen, schon entstehen vollständige Musikvideos aus lizenzfreien Bildern von Flickr.com.
Und wenn einer wie ich nichts weiter hat als geistiges Eigentum? Meine Arbeit, die Essenz einer ein Leben lang zusammengetragenen Bildung, eine einzige Open Source?
Auf seine Musik aufmerksam machen will er, der Jonathan Coulton. Soll er mal. Und wenn die Leute ihm was zahlen, die aufmerksam geworden sind, soll er’s mir sagen, dann mach ich das auch.
Diskussionen darüber bitte nicht ohne Copyrightangabe, aus welchem Western der Spruch "Ich bin zu alt für diese Dinge" stammt, das interessiert mich nämlich schon lange.
Disclaimer: Diese Aussage wurde nicht aus Geldgier, sondern der allerprivatesten Motivation getroffen. Eine Gewinnaussicht ist damit nicht verbunden.
Mir vor dem Monitor herumzustiefeln ist Moritz’ Liebstes.
„So wird das nie was!“ sage ich ihm.
"Was soll denn werden?“ tut er unschuldig und lässt sich auf der Tastatur nieder, um seine Schinken zu schlecken.
„Eine Übersetzung.“ Katzen haben angeblich die Intelligenz dreijähriger Kinder. Mit Kindern soll man geduldig sein.
„Eine Übersetzung muss nicht werden. Eine Übersetzung ist schon etwas. Du machst nur etwas anderes daraus, das nicht zwingend besser sein muss.“
„Du kennst meine Übersetzungen nicht, sophistischste aller Miezekatzen!“
„Müsste ich das? Du hast mir beigebracht, dass bei der Übersetzung immer das Beste verloren geht. Also sei zufrieden mit dem Text, den du hast.“
„Würde ich ja, ich kann ja Englisch. Aber mich bezahlt jemand dafür.“
„Kommt jetzt wieder das Katzenfutterargument, damit du weiter durch deine Glasscheibe gucken kannst?“
„Offenbar das einzige Hobby, das wir teilen.“
„Mein Fenster geht wenigstens auf die Straße. Und mit den Miezen, die ich da sehe, mache ich bessere Geschäfte als du mit deinen.“
Ich muss meine Internet-Verläufe sorgfältiger löschen.
„Das Beste geht nur bei belletristischen Übersetzungen verloren. In Gebrauchsanweisungen bin ich ein As.“
„Willst du Sachen besitzen, für die du eine Gebrauchsanweisung brauchst?“
„Mein Gott, nicht nur Mondraketen haben Gebrauchsanweisungen. Auch Kühlschränke.“ Ich weiß, mit welchen Gegenständen Moritz zu überzeugen ist.
„Und du übersetzt sie? Auf Deutsch?“
„Ich weiß, ich weiß. Mit zwei Wörtern auszukommen ist viel ökonomischer. Es sei dir vergönnt.“
„Ist okay. Solange du nicht belletristisch tätig wirst, schwindelst du wenigstens nicht. Und behauptest dann noch, dass du fürs Lügen bezahlt wirst.“
Die alte Kamelle. „Der Claim meiner Agentur hieß: Truth well told.“
„So viel zu deinem guten Deutsch.“
„Es war eine internationale Netzwerkagentur.“
„Mir egal. Sie stand in Nürnberg. Und ein gnädiges Schicksal soll mir ersparen zu hören, wie ein Franke Truth well told ausspricht.“
„Musst du nicht. Die Filiale hat dicht gemacht.“
„Kein Wunder.“
„Mörchen, mein Mörchen, du ahnst ja nicht, wer alles wähnt, Deutsch zu können.“
„Selbst dazu schreibt ihr Bücher. Übers Schreiben. Ich geh jedes Mal kaputt, wenn ich nur dran denke.“
„Das erfolgreichste ist nur mal kurz die Standardwerke durch den Thesaurus gejagt, also krieg dich ein. Dazu ist alles gesagt. Mein Werkzeugkasten steht.“
„Deine ehemaligen Firmen sind ja alle… erloschen.“ Ich wusste nicht, wie süffisant man das aussprechen kann.
„Aber alle erst, nachdem ich raus war!“
„Ich bin stolz auf dich.“
„Heißt das, du verziehst dich an dein eigenes Fenster und ich kann weitermachen? Oder muss ich wirklich erst das Katzenfutterargument ziehen?“
„Na gut.“ Umständlich erhebt sich Moritz von den Tasten, was meiner Übersetzung ein paar interessante Wortneuschöpfungen hinzufügt.
„Werden, werden“, dreht sich Moritz ein letztes Mal um. „Ihr könnt zum Mond fliegen, die schönsten Kühlschränke bauen, ihr baut wirklich delikate Katzensticks und ein paar Bücher und CDs, die selbst mir gefallen. Es reicht euch nicht. Der klügste Mensch muss immer noch irgendwas werden.“ Geradezu angewidert verzieht er sich in Richtung Fensterbrett.
„Und?“
„Eine Katze ist immer eine Katze.“
Das Viech ist mir über.
Nachdem das neue Jahr Reisegeschwindigkeit angenommen hat, erhellt, dass die Welt noch nicht reif für ein Mozartjahr ist. Sinnvollerweise wiederholen wir erst noch das Einsteinjahr, das hat 2005 nämlich keine Sau kapiert.
Dass Hans Moser letztes Jahr 125 geworden wäre, hat natürlich auch keiner gemerkt vor lauter Beteuerungen, was Schiller doch für ein cooler Hund gewesen wäre, wenn Goethe sich schon mit DJs und Globalisierungsgegnern abgegeben hätte. Kaum vierzehn Tage zu spät müssen die alten Rock-Haudegen aus Österreich wieder alles selber machen.
Wo man doch Österreich bisher so schätzte als den weltweit einzigen Landstrich, in dem man guten Gewissens auf einen Kaffee gehen kann, müssen die Wiener Philharmoniker auf einmal Mozart-Klingeltöne einspielen. Zu dergleichen besteht kein Anlass. Zu Mozarts Tauglichkeit für die niedere Kultur hat Falco 1985 alles Notwendige gesagt. Das dauerte einschließlich aller Redundanzen 3:22 Minuten und eben keine 365 Tage.
Im übrigen wäre auch noch Josephine-Baker-Jahr, Brechtjahr, Cézannejahr, Edisonjahr, Heinejahr, Kolumbusjahr, Neandertalerjahr, Rembrandtjahr und Tupacjahr (alphabetisch), und Tschernobyl ist auch schon wieder 20 Jahre her. Aus den 50 angeblich besten Musikvideos 2005 sei ausdrücklich vor dem der Aphex Twins gewarnt. Dafür lachen die Leute immer noch über den besten Blondinenwitz der Welt.
Was Mozart dazu gesagt hätte? Nun, selbstverständlich hätte dieser coole Hund von exaltiertem Superstar seinen B-Dur-Kanon Köchelverzeichnis 233 angestimmt: Leck mich im Arsch fein recht schön sauber (dreistimmig).
Kommentare