Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: The Good, the Bad and the Ugly (Seite 1 von 6)

Das Ressentiment der Unzufriedenen gegen Schwächere ausspielen

Verdammnis

Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. George de Santayana

Aquarell Wuthering Heights © Vroni Gräbel

Faschist Björn Höcke:

“… wird ein großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein. Und bei dem wird man, so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‘wohltemperierten Grausamkeit’, wie es Peter Sloterdijk nannte, herumkommen.

‚Wohltemperierte’ Grausamkeit‘, so verdruckst haben sie es damals nicht gesagt. Das wohltemperierte Klavier dankt. Ansonsten der gleiche Ungeist.

Der Schoß ist fruchtbar noch.

 

Das Echolot. Der Krieg aus Sicht des kleinen Mannes

Verblendung

All der Krieg, die Propaganda, all das Geschrei, die Lügen und der Hass kommt immer nur von den Leuten, die nicht kämpfen müssen. George Orwell

 

 

Aquarell Ashes in My Eye © Vroni Gräbel

Wie viele Verwandtschaften hat auch meine nichts vom Krieg erzählt

Null. 

Und erst recht nichts vom Opa, der am 6. November 1939 gefallen ist.

Gottseidank gibt es das Internet und ich fand ihn. Sein Foto. In groß. In einem Archiv der Gefallenen, teilweise ergänzt von der Kirche.

Jetzt weiß ich, wie er aussieht. Bis dahin hatte ich nur flüchtig sein Hochzeitsfoto gesehen, das bei Oma hing – und kurz eine dicht beschriebene Postkarte von ihm an meine Oma.

Ausgesprochen liebevoll, dass er sie und die Söhnchen sehr vermisst. In einer ausgefeilten, sehr kleinen kursiven, wunderschönen Schreibschrift. Da war er in Serbien. Auf Montage, denn zuhause gab‘s keine Arbeit, und er schickte seiner kleinen Familie pünktlich seinen Lohn.

Auf dem Archivbild hatte er braune Augen und einen ‘touthbrush moustage‘, einen Zahnbürstenbart wie der damalige Reichskanzler. Uff, wow. Mann echt, warum. Ich lege einen dünnen Stift unter seine Nase und versuche mir vorzustellen, wie er ohne ausgesehen haben könnte. Opa Karl ist laut Archiv im Alter von 39 am 6. November 1939 im polnischen Dorf Rudnik gestorben und begraben. Das ist neben dem größeren Ratibor. Da gab es Zwangsarbeitslager, eines für polnische Zwangsarbeiter, eines für jüdische. Hat er am Ende als Pionier helfen müssen, Lager zu errichten? Oder auch Polen und polnische Juden zu jagen, einzusperren, zu beaufsichtigen und zu drangsalieren? Oder fiel er woanders und ist nur in Rudnik begraben?

Mir hat man gesagt, er wäre bereits im Zug hin an die Ostfront bombardiert worden. Was vermutlich dann nicht stimmte. Oder war es doch wahr? Meine Verwandtschaft wird mir da nicht mehr viel sagen können, Oma ist nicht mehr unter uns und der Rest will von Vergangenem nicht viel wissen.

Ich weiß jetzt auch, wie sein Cousin aussieht, am 11. Mai 1912 geboren, der seit Winter 1942 in der Hölle von Stalingrad als vermisst gilt. 32 Jahre jung. Kecke Tolle, tiefliegende, sehr helle hellblaue Augen, damals noch ein ganzes Leben vor sich.

Hat er als Soldat der 6. Armee auf dem Weg in den Donbass bescheidene Hütten siegessicher und übermütig als ‚Herrenmensch’ in Brand gesteckt und Zivilisten erschossen? Wollte er aus Stalingrad fliehen, als er bemerkte, dass sie in der Falle saßen? Und wurde dann als Verräter erschossen? War er an Kannibalismus beteiligt? Ist er verhungert, erfroren oder einfach im Kriegsgefangenentransport gestorben? In welcher dunklen Stunde kurz vor seinem Tod ist ihm das Licht aufgegangen, dass das alles ein riesengroßer, schockierend blutiger Irrtum war, zu dem er von machtgierigen Verbrechern verführt wurde?

Auf dem Foto sieht er fast aus wie … mein Neffe. Das war wie ein Schlag in die Magengrube.

Ich überlege, was wäre, wenn sie noch da wären.

Wäre mein Opa wirklich so sanft und liebevoll gewesen wie im Schreiben auf der Postkarte? Oder würde er wie viele der Generation nach ihm, die Nachkriegsväter, cholerisch, autoritär herumbrüllen, den Kindern den Teddy verbrennen und bei jeder Gelegenheit zuschlagen? Wann hat es angefangen, dass er einen Landesvater gut fand, der Menschen jagen, quälen und ermorden ließ. Ich überlege, was für ein Mensch der schicke blonde Cousin gewesen wäre. Ein richtig pfundiger Kerl? Oder ein gewalttätiges Arier-Arschloch, das andere gemobbt und verprügelt, sich auf den Krieg gefreut hat?

Der Fund – zum ersten Mal gesehen, wie sie auf einem Foto aussehen – lässt mich einige Tage nicht in Ruh‘. Ich google Rudnik, Keine Eisenbahnlinie dort. ich sehe mir eine Stalingrad-Doku an. Kein Stein auf dem anderen, alle Häuser zerstört. Nur die Kamine ragen in den Himmel.

Gespenstisch.

Ein Anblick, wie man ihn von der Ukraine kennt: das zerstörte Bachmut. Und viele andere Städte. Platt, bis auf den Boden ausradiert, alles schwarz, verbrannt. Geistergerippe von Häusern, die gegen den perlmuttfarbenen Morgenhimmel ragen, die Menschen darin erschossen, verbrannt, gefoltert, verhungert, erfroren, verrenkt auf der Straße liegend.

 

Wann hört diese Verblendung auf

Wann hört man auf, den Krieg und Psychopathen gut zu finden. Aber es ploppen schon die nächsten Psychopathen auf, die Welt in Asche zu legen und zu morden und zu vergewaltigen. Warum kommen brutale, manipulative Sadisten ganz nach oben und warum führt man aus, was sie wollen.

Was läuft falsch mit der Menschheit.

Lektüre: Das Echolot, Walter Kempowski. Der Weltkrieg/Stalingrad mit Briefen der Soldaten an ihre Lieben bis 1945. Der Krieg aus der Sicht des kleinen Mannes.

 

Disclosure:

Dies ist eine persönliche Geschichte mit persönlichen Empfindungen gegen Gewalt und die Verheerungen des Krieges. Länder, die unter einem Aggressor leiden, haben das Recht auf militärische Verteidigung für ihre staatliche Souveränität.

Wunderschöner Januar, außer:

Wenn der Kaminkera einmal klingelt

Der Kater bloggt.

Die Flammen im Kamin sind wie Gedanken, die im Dunkeln leuchten.

Victor Hugo

Wenn draußen der Winter tobt, findet man im Kamin die Wärme des Herzens.

Pierre de Ronsard

Aquarell: Zündflämmchen  © 2024 Vroni Gräbel

Die Kaminkera, das sind schwarze Männer mit schwarzen Taschen und schwarzem Hut, die zu Jahresanfang gleich nach den Sternsingern – einem ähnlich lustigen Volk – auf niederbayrisch Einlass begehren, um des Katers Lieblingsstätte, den Kaminofen, zu untersuchen. Das ist sehr stressig für einen Katz, der naturgemäß Fremde nicht mag und schwarze Männer mit schwerem Schuhwerk im besonderen. Und weil er dann nicht an seinen Kaminofen kann.

Da der Kaminkera (bayr. Schornsteinfeger) endlich da ist – und endlich auch wieder weg, kann sich der notorisch Kaminkehrer-flüchtende Kater nach 14 Stunden hoch oben im unbequemen Kleiderhochschrank wieder entspannen, runterklettern und sich seinen interessanten Dingen widmen. Doing things. Für ein Jahr. Dann geht der Schwarzmann-Zirkus wieder los.

Kreatives Verwünschen an Silvester

Boah ey, eure Böllerei

Der Kater bloggt.

Die Zeit verrinnt. Die Spinne spinnt
In heimlichen Geweben.
Wenn heute nacht ein Jahr beginnt,
Beginnt ein neues Leben.

Joachim Ringelnatz

 

Möge der ohrenbetäubende Krach um Mitternacht möglichst kurz sein – und am besten genauso, schrill und explosiv in eure Earpods hineinfahren.  …  Jawohl. Denn so fühlt es sich für empfindliche Tierohren an.

Kater Murr (vorne) und Kater Merlin (hinten) wollen schlafen

Katzen und Hunde, wie viele andere Tiere, hören Silvesterlärm fünfmal lauter als der Mensch. Sie haben ein viel größeres Hörspektrum. Sie hören sogar Ultraschall, den die meisten von uns gar nicht wahrnehmen. 

Allen anderen, die nicht böllern und keine Raketen steigen lassen, wünscht der lärmempfindliche Kater ein wunderschönes Neues!

Weiße Winterruhe

Hohe Einschlafquoten

Der Kater bloggt.

An der Unterhaltungsindustrie der Staatlichen und der Privaten komme ich inzwischen immer erfolgreicher vorbei.

Da es leidlich spannendere Alternativen fürs Nickerchen gibt. Wie beispielsweise die Apple-Serie ‚Ted Lasso‘.

Oder statt zu streamen angestrengt versuchen, ausgerechnet in der Black Friday Woche einen Kühlschrank auszuwählen, der maximal 145 cm hoch sein darf, aber mindestens ein C haben muss. Einschläfernd und wenig sinnstiftend – wie der undurchsichtige Bundeshaushalt.

Die Charts

Bei denen ich im Wegdämmern überlege, ob ich zuerst beim einschläfernden Spitzel des Eisbergs oder bei richtigschlecht anfangen soll.

Platz 1:
Die Höhle der Blöden

Platz 2:
Das Bummel-Cämp

Platz 3:
Germanys Next Top Scheusals

4. Hart aber g‘schert

5. Die Rosenheim-Flops

6. Aktenzeichen XY – eingedöst

7. Mauer sucht Pfau

Gucke das alles nie. Weil es jedesmal Vollnarkose bedeutet, bei der man nie wieder aufwacht. Der Ginkgo, der gegen den Schlaf des Winters kämpft, erscheint wie ein aufrechter Held.

Die eine, letzte blühende Rose im Garten wird heute ein weißes Schlafhemd anziehen.

Aus glitzernder Watte.
Sie weiß es nur noch nicht.

Gruß
vom Kater

Halloween

Dreimal schwarze Katz‘: Süßes oder saures!

Der Kater bloggt.

An Halloween verkleide ich mich dieses Jahr als Nebenkostenabrechnung. Unbekannter Kater

 

Nicht nach sauren Kürbissen oder süßen Blumen geht die Katz‘ des nachts, sondern nach duftenden, dicken Mäusen.

Procreate-Fingerübung meiner Herrin, der schwarze Kater-Gentleman: unser Merlin, 8 Jahre

Nachts im Oktober ist der Herbst sowieso am schönsten,
findet der Kater

Gras, ich hör‘ immer nur Gras

Die Schönheit von blühendem Gras

Der Kater bloggt.

Das aber glauben alle Dichter: Daß, wer im Grase oder an einsamen Gehängen liegend die Ohren spitze. etwas von den Dingen erfahre, die zwischen Himmel und Erde sind.  Friedrich Wilhelm Nietzsche

Das unscheinbarste, das dieser unscheinbare begrünte Hinterhof hervorgebracht hat, ist dieses Gras.


Seine Büschel wurden auszurupfen vergessen, die Kater haben es verschmäht.

Es lebt in einer trockenen Gießlücke und hat im Unterschied zu mir den heißen Sommer gut gepackt. So eroberte es sich einen Platz zwischen der Katzenminze mit der Punk-Frisur, einem halbkahlen Opi-Rosenstrauch, der mit Sternrusstau kämpft und bereits im Sommer anfing, altersstarrsinnig mit gelb gewordenen und schwarz betupften Blättern um sich zu werfen – und der wuchernden Fettblattrosette (Echeveria), die als Einzelkind anfing, im ersten Winter reinzuholen vergessen wurde und sich in den Jahren trotzig zu einem dicken Teppich knüpfte.

Die grazile Schönheit des Grases neben der breiten Dickblatt-Succulente erschloss sich mir erst, als seine langen Halme blühten.

Ob das ein spezieller Zierhafer ist oder einfach nur irgendein wildes Gras, habe ich noch nicht herausfinden können. Nun darf es bleiben – in der Hotelbar der Überlebenden.

 

Gulugulu!

Was wenige über mich wissen: Ich sammle Bilder von Enten, die sich rasieren.

Mein immerhin viertes Exponat in fünf Jahrzehnten ist das schönste: aus Romano Scarpa mit Rodolfo Cimino: Der letzte Gulu-Gulu, 1960, in: LTB Lustiges Taschenbuch 79: Dagobert Duck auf Taler-Safari, 1982, als Carl Barks den Griffel noch nicht auf immer hingelegt hatte, aber die Lustigen Taschenbücher noch lustig waren.

Dagobert Duck rasiert sich, Romano Scarpa mit Rodolfo Cimino, Der letzte Gulu-Gulu, Dagobert Duck auf Taler-Safari, LTB 79, 1982

Die anderen drei Exponate sind gesammelt und dort ausgewiesen als “Mother Goose Shaving“, der Ausarbeitung nach aber entgegen der Kategorisierung keine Gänse, sondern eher zweimal die Wildform der Stockente (Anas platyrhynchos) und eine Pekingente (Anas platyrhynchos domestica).

Fürs Leben nehmen wir mit: Wir unterscheiden Kochenten und Guckenten, wobei sich die Kochenten zum Verzehr eignen und daher Weihnachtsbräche aufs schärfste missbilligen; die Guckenten sind “nur” schön und daher im Vorteil.

Das ist ja gerade der Kick an den Enten: Mäuse, im Hause Walt Disney ebenfalls gern bei human konnotierten Tätigkeiten abgebildet, Mäuse, bevor man sie ins Wasser schubst, würde man aus dokumentarischen Gründen durchaus in seiner einschlägigen Sammlung mitbeherbergen; aber wegen ihrer bekannt haarigen Oberfläche wäre man bei Muroidea nicht ganz so überrascht über eine Rasur.

Als berufliche Nickeligkeit wollen wir meinen Widerwillen gegen die Inkonsistenz in der Schreibung werten: Schreibt sich ein Gulu-Gulu jetzt Gulu-Gulu oder Gulugulu? Man weiß so wenig.

Soundtrack: Lauren Bacall (sowas wird heute ja gar nicht mehr gebaut) in ihrem Filmdebut:
Musik und am Klavier: Hoagy Carmichael Text: Johnny Mercer: How Little We Know,
aus: To Have and Have Not, 1944:

Sternstunden der Autorenfotografie

Was wenige über mich wissen: Ich sammle Bilder von bedeutenden Menschen, die gephotobombt wurden. Die Bilder, nicht die Menschen. Obwohl … – Chronologisch:

  1. Barbara Niggl Radloff, André Maurois im Münchner Hofgarten, Schlafender auf Parkbank im Hintergrund, undatiert, vor 1962, via Münchner Stadtmuseum

    Barbara Niggl Radloff: André Maurois im Münchner Hofgarten, Schlafender auf Parkbank im Hintergrund (undatiert, vor 1962), via Münchner Stadtmuseum.

  2. Sepp Dreissinger,  Thomas Bernhard in Wien, 1988, via Ansichtssache, Thomas Bernhard – Das führt alles zu nix, Der Standard, 3. Februar 2011

    Sepp Dreissinger: Thomas Bernhard in Wien, 1988, via Ansichtssache: Thomas Bernhard – Das führt alles zu nix, Der Standard, 3. Februar 2011.

Vroni meint: “Kann man doch photoshoppen.”

Soundtrack: Led Zeppelin: Nobody’s Fault But Mine, aus: Presence, 1975 (übrigens in den Münchner Musicland Studios aufgenommen, wo heute das Arabella Sheraton Hotel drin ist),
zusammengekochte Version von Jimmy Page & Robert Plant mit dem Egyptian Ensemble und dem London Metropolitan Orchestra: live 1994:

Spending my Produktionsmittel

Wenn man jedoch sich nicht verdutzen läßt, sondern frägt, was denn eigentlich die Ideen seien, als deren Vermögen die Vernunft bestimmt wird; so erhält man gewöhnlich, als Erklärung derselben, einen hochtrabenden, hohlen, konfusen Wortkram, in eingeschachtelten Perioden von solcher Länge, dass der Leser, wenn er nicht schon in der Mitte derselben eingeschlafen ist, sich am Ende mehr im Zustande der Betäubung, als in dem der erhaltenen Belehrung befindet, oder auch wohl gar auf den Verdacht geräth, es möchten ungefähr so etwas wie Chimären gemeint sein.

Arthur Schopenhauer:
Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde,
5. Zweite Klasse der Objekte für das Subjekt, § 34: Ideen, 1813.

Wenn man einen Jüngling absichtlich verdummen und zu allem Denken völlig unfähig machen will, so gibt es kein probateres Mittel, als das fleißige Studium Hegelscher Originalwerke: Denn diese monströsen Zusammenfügungen von Worten, die sich aufheben und widersprechen, so dass der Geist irgend etwas dabei zu denken vergeblich sich abmartert, bis er endlich ermattet zusammensinkt, vernichten in ihm allmählich die Fähigkeit zum Denken so gänzlich, dass von da an hohle leere Floskeln ihm für Gedanken gelten. – Wenn einmal ein Vormund besorgen sollte, sein Mündel könnte für seine Pläne zu klug werden, so ließe sich durch ein fleißiges Studium der Hegelschem Philosophie diesem Unglück vorbeugen.

Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II.
Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen, 1958.

Mit Schopenhauer ist es nicht viel anders als mit Hegel, Marx, Popper und Luhmann: Man wacht immer erst bei den Redundanzen auf. Oder wie der nicht zu unterschätzende Philosoph Per Gessle es ausdrückte: Don’t Bore Us, Get to the Chorus! (1995).

Blue Moon

Auf Gastronomendeutsch heißt
Vollmond
“Heut kommen sie
wieder alle aus
den Löchern”. Der
Vollmond
hat ein Mondgesicht,
brüllt ausdauernd Geschichten
aus “der Arbeit”
durch die Kneipe
(der meint das
nicht so, das
ist bei denen
bloß der Dialekt)
und stinkt aus
dem Hals nach
Destille.

Soundtrack: Black Eyed Vermillion & The Inheritance:
Pass Me The Bottle, aus: The Pleasure Tide, 2014:

Vatertag

“Hans Wurst?” sag ich, “bist du das?”

Leider schon finster. An einem geparkten Auto lehnt ein Kerl, der meinem alten Studienkollegen ähnlich sieht.

“Wer ist ein Hanswurst?” fragt der Kerl. Beim Näherkommen sieht man, dass er eine gebückte junge Frau umfasst und ihr von hinten die Haare aus dem Gesicht hält.

“Uuööööörrrghh”, sagt die Frau.

“Ach so”, sag ich, “hab ich Sie wohl mit dem Hans Wurst verwechselt.”

“Uuööööörrrghh”, sagt die Frau.

“Das ist meine Tochter”, sagt der Kerl.

“Glückwunsch”, sag ich.

Soundtrack; The Secret Sisters: Carry Me,
aus: You Don’t Own Me Anymore, 2017:

Diktators genug

1772. Dass man sich aller zweihundertfuchzich Jahre wiederholen muss.

Murr,

——— Johann Gottfried Herder:

2. Naturgesetz

aus: Abhandlung über den Ursprung der Sprache,
Zweiter Teil: Auf welchem Wege der Mensch sich am füglichsten hat Sprache erfinden können und müssen, 1772:

Rousseau und andre haben so viel Paradoxien über den Ursprung und das Anrecht des ersten Eigentums gemacht; und hätte der erste nur die Natur seines geliebten Tiermenschen befragt: so hätte der ihm geantwortet. Warum gehört diese Blume der Biene, die auf ihr sauget? Die Biene wird antworten: weil mich die Natur zu diesem Saugen gemacht hat! mein Instinkt, der auf diese und keine andre Blume hinfällt, ist mir Diktator gnug, der mir sie und ihren Garten zum Eigentum anweise! Und wenn wir nun den ersten Menschen fragen: “Wer hat dir das Recht auf diese Kräuter gegeben?”, was kann er antworten als: die Natur, die mir Besinnung gab! Diese Kräuter habe ich mit Mühe kennen gelernt! mit Mühe habe ich sie mein Weib und meinen Sohn kennen gelehrt! Wir alle leben von ihnen! Ich habe mehr Recht daran als die Biene, die darauf summet, und das Vieh, das darauf weidet; denn die haben alle die Mühe des Kennenlernens und Kennenlehrens nicht gehabt! Jeder Gedanke also, den ich darauf gezeichnet, ist ein Siegel meines Eigentums, und wer mich davon vertreibet, der nimmt mir nicht bloß mein Leben, wenn ich diesen Unterhalt nicht wieder finde, sondern würklich auch den Wert meiner verlebten Jahre, meinen Schweiß, meine Mühe, meine Gedanken, meine Sprache – ich habe sie mir erworben! Und sollte für den Erstling der Menschheit eine solche Signatur der Seele auf eine Sache, durch Kennenlernen, durch Merkmal, durch Sprache, nicht mehr Recht des Eigentums sein als ein Stempel in der Münze?

Bild: Murr lässt sich von seinem Instinkt zum Eigentum des Gartens anweisen, 4. Mai 2022. Selber gemacht, schenk ich Ihnen.

Soundtrack: Michelle Gurevich & Cyranó: Goodbye My Dictator, April 2022:

We were having too much fun
Drinking coffees in the sun
Someone wanted to be king
Came and fucked up everything

[…] It’s hard for most to understand
That good intentions not all have
Why must we always stand on guard
When there is love and there is art

Wundermacht

Das lässt ja auch tief blicken, was der deutsche Kriegskonsument von Künstlervolk hält, zumal von ausgebildeten Schauspielern. Bei Wolodymyr Selenskyj, den man sich unglückseligerweise fortan merken muss, hat man sich erst gewundert, wieso ein fertiger Jurist sich ans Schauspielern, Synchronisieren und Moderieren von Kasperlkram wegschmeißen kann, und dann, dass er’s nicht nur zum Regisseur und Produzenten – das sind doch die mit der Kohle, oder? – gebracht hat, sondern zum f***ing Präsidenten von Kleinrussland.

Und wenn er’s gesagt hat, glaubt’s ihm bis heute keiner: weil er das so will.

Oder wie darf ich die Bilder von dem überaus schätzbaren Manne, die ausnahmsweise nicht von aktuellem Kriegsgeschehen handeln, sonst auffassen, wenn nicht als Misstrauen gegen und Entsetzen über jemanden, der sich mal in einer rosa Ganzkörperkluft hat filmen lassen? Erst den Hanswurst machen, weil er sich als Anwalt zu fein ist, und dann die Welt retten – so wörtlich verstanden wie nie?

Und wenn ich’s sag, glaubt’s wieder keiner: Gerade deswegen.

Gerade einem herumgetingelten Künstler ist bedeutend eher zuzutrauen, seinen Charakter gebildet zu haben, als einem, sagen wir klischeehalber, BWL-Abbrecher, der “in der Politik” gerade mal seine “Chancen nutzen und Risiken minimieren” gelernt hat. Der musste sich schon mal selber was einfallen lassen, siehe auch unter: selbstständiges Denken, und weil er schon mal am eigenen Leib und Leben seiner Lieben gemerkt hat, wie sich eine Krise anfühlt, und aus welcher man unter Umständen wieder rauskommt und aus welcher nicht.

Wider die defamatorische Darstellung von Berufsständen, vor allem von Künstlern. Oder haben Sie sich in finsterer Stunde – in jüngstem Fall vor kurzem, als noch Ausgangssperre “wegen Corona” war – an Anwälte und Büchsenmacher gewandt? Oder an Künstler?

Und bevor einer davon anfängt: Nein, weder bin ich ein ausgebildeter Künstler noch will ich mit Herrn Selenskyj tauschen. Der scheint das einzige Glück zu sein, das sich die Ukraine seit langem eingehandelt hat. Falls ich genug Krieg konsumiert hab. Und falls er zum Zeitpunkt der Niederschrift noch lebt.

Soundtrack: Joachim Witt & Peter Heppner: Die Flut,
aus: bayreuth eins, 1998:

Das grauenhafte Gewinnspiel

Preisfrage: Von wem ist:

Und jetzt, während dieser Eindruck in mir wuchs, kam schließlich das Grauen – Grauen in einem Maße, wie keine Worte es vemitteln können. Trotzdem behielt ich meinen Stolz, wenn nicht sogar Mut, und in Gedanken sprach ich zu mir: “Dies ist wohl Grauen, aber es ist nicht Furcht; solange ich mich nicht fürchte, kann mir nichts geschehen; meine Vernunft bestreitet die Existenz dieser Erscheinung, es ist eine Illusion – ich fürchte mich nicht.”

Als Multiple choice chronologisch zum Ausdrucken und Ankreuzen:

  • □ E. A. Poe, 1842
  • □ E. G. Bulwer-Lytton, 1856
  • □ H. P. Lovecraft, 1926

Googeln müsste nach meiner Stichprobe zwecklos sein, ich hab den Klotz noch papierförmig.

Wer richtig liegt, darf sich in der Konditorei seines*ihres Vertrauens eine Torte seiner*ihrer Wahl kaufen. Buttercreme! Marzipan optional, wenn dabei steht, wo es her ist! Der Einsendeschluss ist nach hinten offen.

Soundtrack des Grauens: Bridge City Sinners – Devil Like You,
aus: Unholy Hymns, 2021:

I drank ten pints of beer and I cursed all the people there

At the time, I was working for a landlord
And he was the meanest bastard that you have ever seen
And to lose a single penny would grieve him awful sore
And he was a miserable bollocks and a bitch’s bastard’s whore.

The Pogues, a. a. O., 1984.

Immobilienmakler sind goldig. Die kennen alle ein einziges Lied, das nur aus dem Refrain besteht; der geht:

Lage, Lage, Lage.

und das singen sie jetzt den ganzen Tag. Süß. Wenn es nicht so zynisch wäre.

Schlachthof München, August 2021Man freut sich nicht, wenn einem innerhalb eines Google-Suchlaufs der Sinn des Lebens, nein: der Wert der eigengenutzten Immobilie auf die Hälfte zusammensackt, und innerhalb eines weiteren solchen auf ein Viertel.

Nicht dass man sich selbst in der Isarvorstadt, vulgo Glockenbachvierel, durch die schiere Tätigkeit des Wohnens im noch laufenden Leben als Millionär wiederzufinden erhofft hätte. Allerdings hätte man sich in einer “Lage. Lage, Lage”, deren Wert sich angeblich immer noch aller zehn Jahre verdoppelt, gewünscht, dass die prospektiven Erben einen gewissen Gegenwert für zwei verdaddelte Leben davontragen.

Wenn man trotz lebenslänglicher Vermögensbildung und praktischer Altersvorsorge verarmen wird, kann man seine Burg doch wenigstens verrenten, oder nicht?

Im August 2021 stand die Inflation bei 3,9 %. Aber ich bin der Zyniker, gell?

Rechenbeispiel:

And it’s lend me ten pounds, and I’ll buy you a drink,
And mother, wake me early in the morning.

The Pogues: Boys from the County Hell, aus: Red Roses for Me, 1984:

Buidl: Plakat am Schlachthof München, selbergemacht August 2021.

Der aktuelle Filmtipp:

Rambo III, USA 1988:

Laut Guinness-Buch der Rekorde mit 221 Gewalttaten und 108 toten Menschen brutalster Film, daher FSK 18 ohne Jugendfreigabe; von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden mit dem Prädikat “wertvoll” ausgezeichnet. Endet mit: “This film is dedicated to the gallant people of Afghanistan”, deutsch: “Dieser Film ist dem tapferen Volk von Afghanistan gewidmet.”

Highlights:

“Das ist Afghanistan! Alexander der Große wollte dieses Land erobern, Dschingis Khan, die Briten und jetzt die Russen, aber wir lassen uns nicht erobern!”

“Gott muss lieben verrückte Menschen!”
“Wieso?”
“Er machen soviele davon.”

“Meine Zeit ist um.”
“Was heißt das?”
“Das heißt, mein Krieg ist vorbei:”

Und mein Liebling:

“Wozu ist das?”
“Das ist blaues Licht.”
“Und was macht es?”
“Es leuchtet blau.”

Danke für die Idee an Sven (Website erloschen)!

Und morgen versuchen wir dann, drei vollständige Staffeln durchzubingen

Rest des Nachmittags : faul und bösartig. (Wie Gott vor der Schöpfung).

Arno Schmidt: Brand’s Haide, 1951; BA I,1,136.

Na bitte: den ganzen Tag
          kein Spaß und keine
                    neuen Katastrophen.

Geht doch —
          für einen Tag, an dem
                    man aufgestanden ist.

Soundtrack: The Secret Sisters: He’s Fine,
aus: You Don’t Own Me Anymore, 2017:

« Ältere Beiträge

© 2024 Freitag! Logbuch

Theme von Anders NorénHoch ↑