Ich:
"Ich konnte heut Nacht gar nicht gut schlafen. Die Bronchitis ist arg, meine Lunge pfeift, ein seltsames ungewohntes Geräusch. Und ich kann nicht einschlafen, wenn ich sie pfeifen höre."
Der Textergatte:
"Dann geh' halt in ein anderes Zimmer!"
Bewirtschaftet von Vroni und Wolf
Die komischen Bücher, die elektrisch laufen, setzen sich durch. Haben vor ein paar Jahren noch Leute allen Alters zu meinem Entsetzen “Harry Potter” gelesen, sitzen sie heute mit der größten Selbstverständlichkeit im Bus und scrollen durch Kindles, E-Book-Readers und iBooks und wie das neumodische Blinkerzeug sonst heißt. Egal ob mittags oder nachts um zwölf, es ist richtig allgemein geworden. Lassen Sie da jetzt noch ein Weihnachtsgeschäft drüberziehen, dann gibt’s die Dinger so flächendeckend wie vor den “Harry Potter”-Schmonzetten die Handys. Sprechen wir uns ruhig nächtes Jahr um die Zeit nochmal.
Sie merken schon: Der alte Märchenonkel hat wieder Vorbehalte gegen technische Neuerungen. Mein Avantgardismus äußert sich am ehesten darin, dass ich als erster mein Handy abgeschafft hab, als man das ohne soziale Einbußen wieder durfte, wegen Simplify und allem.
Aber die Frage ist doch: Unterschreiben die Dichter auf ihren Lesungen jetzt immer auf dem Kindle-Gehäuse? Oder muss ich die in einem kostenpflichtigen Log-in extra anfreunden, damit sie mich liken können? Erscheint die Werbung für Pfandbriefe und Kommunalobligationen dann als Bildschirmschoner? Oder werde ich noch target-optimierter angespammt: “Kunden, die schon Joanne Rowling nicht gerade heiraten wollten, könnten auch Stephenie Meyer eine schallern”? Wenn man eins im Amazon Marketplace loswerden will, in welchem Zustand ist es noch “wie neu” und ab wann nur noch “sehr gut”? Und “akzeptabel” wäre dann mit einem stehen gelassenen Bookmark an der Stelle, wo sich das Fräulein, das in der Verfilmung mit Keira Knightley besetzt war, die Haare und das Strumpfband löst? Und muss man sich wegen Eddingspuren auf dem Touchscreen Blondinenwitze anhören?
Den Platz, der durch Strombücher in den Regalen frei wird, kann man nicht mal mit CDs auffüllen, weil man die seit 2006 als Festplatte hat. Wie praktisch, dass man sowieso neuerdings Ikea boykottieren soll, da bring ich endlich einen A3-Scanner unter.
Wer heuer als erstes die PR-Headline “Ihr Kindle kommet” sichtet, kriegt einen Lebkuchen von mir.
Herkömmliche Leserin: Valhallaphoto: Carina, 9. April 2011
(Buch: Ringenes Herre, süß, ne?).
Fortschrittliches Buch: a-ha: Take On Me,
aus: Hunting High and Low, 1985.
Der Tratsch der Woche war ja:
Sophia Thomalla, 21, Schauspielerin, hat einen neuen Freund: Till Lindemann, 48, Sänger der Band Rammstein. Ihr Partner ist damit drei Jahre älter als ihre Mutter, “Tatort”-Kommissarin Simone Thomalla, die derzeit mit dem Handball-Nationalspieler Silvio Heinevetter liiert ist, der wiederum nur fünf Jahre älter ist als Sophia Thomalla. Davor war Simone Thomalla mit Fußball-Manager Rudi Assauer zusammen, der 21 älter ist als sie, also 66 und damit immerhin 40 Jahre älter als sein Nachfolger, aber lediglich 18 Jahre älter als Lindemann. Dessen Tochter ist übrigens etwa so alt wie Heinevetter.
Alles verstanden? Das steht in der Süddeutschen Zeitung vom 7. April 2011 im Panorama unter Leute. Muss man sich anscheinend merken, die Spalte, aber hör ich da eine gewisse Missbilligung heraus? Ach komm, ungenannt bleiben wollender Promiwatchredakteur, ist doch Frühling, da probieren die Leute halt was Neues aus. Das Verständnis und das Wohlwollen aller lebenslustigen Weiber und aller Mannsbilder, die empfänglich sind für den Welpencharme 21-jähriger Schauspielerinnen wie für die Coolness von großen Mädchen, mit denen man über alles quatschen kann außer über ihr Alter, schweben über der Familie Thomalla (wer immer das ist) und ihren Liebhabern bis ins siebente… nun ja: Glied.
Durch anderleuts Abscheu kommt man doch erst auf die richtigen Sachen, oder warum sonst schauen die ansonsten zurechnungsfähigsten Leute zielgerichtet das Füllmaterial für die Fernsehwerbeblöcke an? Warum, um bei Familie Thomalla zu bleiben, hätte meine weiland erste Freundin mich überhaupt jemals mit den Hintern anschauen sollen, wenn nicht, um in pubertierender Absicht die sozialen Vorstellungen ihrer Eltern zu widerlegen? Und warum, um von Familie Thomalla wegzuführen, gebe ich Geld, für das ich ehrbar arbeiten musste, für Errungenschaften wie die erste historisch-kritische Gesamtausgabe von Heinrich Wackenroder aus?
Den Klatsch der letzten Woche hat ein ebenfalls namenloser Restaurantkritiker über eine namentlich nicht weiter erwähnenswerte Gaststätte in eine ebensolche Zeitung geschrieben: Offenbar servierte dort die anonymste aller Servicekräfte dem Manne (möglicherweise auch dem großen Mädchen oder so jemandem), Obacht, und jetzt alle: “einen belanglosen Lollo an einer fahrlässigen Vinaigrette”.
Ist das nicht schnulli? Ein belangloser Lollo an einer fahrlässigen Vinaigrette, schmackofatz. Für mich mit einem extratrashigen Schirmchencocktail, der am besten etwas in der Qualität von “Sex on the Discosofa” heißt, bitte.
Abscheulich tolles Lied: Katzenjammer: Tea with Cinnamon, 2009.
Am Donnerstag, den 14. April 2011, live in der Muffe!
Bonus Track: Demon Kitty Rag live:
PS: Ein belangloser Lollo an einer fahrlässigen Vinaigrette. Hach.
Die deutsche Sprache, seit sie von Adelung ab 1774 erstmals systematisch und normierend festgeschrieben wurde, verarmt sie nicht seither nur noch beständig? Für Missstimmungen der Seele hat man nur noch das Wort für den medizinischen Befund zur Hand, Werbeagenturen fliehen die Not, irgendwie zu heißen, durch gewollte Garstigkeit und Ironie, und Ladengeschäfte schreiben eher klingende Namen, bevor sie ein Angebot sichtbar machen.
Erst wollte ich die grundlegende Philosphie über die Tempus der Verben und die sechs (!) Kasus der Substantive behandeln, die Ludwig Tieck noch 1825 einfach so nebenbei in seine populäre Novelle Die Gesellschaft auf dem Lande einflechten und damit einer breiten gebildeten Leserschaft gefallen konnte. Bei näherem Besehen ist das nichts, womit man heute noch Inhalte vermitteln, geschweige den prodesse et delectare könnte.
Adelheid hatte während dieser feierlichen Rede das Lachen verhalten müssen, die Mutter hatte sie aufmerksam angehört, ohne ein Wort zu verstehn.
Na gut, die Klage über dergleichen war nie neu und wird nie alt.
Klingender Name ohne sichtbares Angebot: Antiquarische Bücher, Weißgerbergasse 21, Nürnberger Altstadt.
PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.
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