Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: MĂ€rz 2022

Alles kommt zum Quell

BĂ€renbrunnen, Elisabethplatz MĂŒnchen

“Wieso kommt alles zum Quell?” rĂ€tselt Vroni, “ich dachte immer, da kommt alles her?”

“Weil’s draufsteht”, sag ich.

“Und du glaubst wieder alles, bloß weil’s in Stein gemeißelt steht.”

“Der Brunnen stammt von 1936. Da haben die Leut noch ganz andere Sachen geglaubt.”

“Jaja, genau so fĂ€ngt alles an.”

“Steht ja drauf.”

“Wolfwolfwolf.”

Buidln: Georg MĂŒller: BĂ€renbrunnen, 1936,
Elisabethplatz 4, MĂŒnchen-Schwabing.

BĂ€renbrunnen, Elisabethplatz MĂŒnchen

Soundtrack: Led Zeppelin: Bron-Yr-Aur,
aus: Physical Grafffiti, 1975:

Pfannkuchen mit Molotov-Cocktail

Ich sehe, dass die westliche Linke auch angesichts des «Unvorstellbaren» tut, was sie seit jeher am besten kann: sie untersucht den amerikanischen Neo-Imperialismus und die Expansion der NATO. Doch das reicht nicht mehr, weil es die Welt nicht erklÀren kann, die aus den Ruinen des Donbas und des Hauptplatzes von Charkiv entsteht. Diese Welt lÀsst sich durch den Verweis auf Handlungen der USA und entsprechende Gegenreaktionen nicht erschöpfend erfassen. Sie hat ein Eigenleben gewonnen, Europa und die USA sind vielerorts nicht mehr in der Initiative. Ihr forscht den entferntesten Ursachen nach, anstatt die gegenwÀrtig aufkommenden Tendenzen zur Kenntnis zu nehmen.

Daher frappiert mich die verkĂŒrzte Weise, in der ihr das dramatische Geschehen in unserem Erdteil öffentlich darstellt, das ihr lediglich als Antwort auf die Umtriebe eurer eigenen Regierungen und Wirtschaftseliten begreift.

Volodymyr Artiukh: Die USA sind nicht der Nabel der Welt,
Rosa-Luxemburg-Stiftung, 7. MĂ€rz 2022,
via Königlich Bayerische Antifa, 9. MÀrz 2022.

Respekt: Ab 20. MĂ€rz (2022, nehm ich an) muss man “fast ĂŒberall” keine Schutzmaske mehr tragen. Durchtriebener kann man quengelige “Querdenker” nicht verleiten, endlich ihr Gesicht einzutĂŒten, ohne sich sofort unter Gefahr von FolgeschĂ€den von ihnen anhusten zu lassen. Gestorben wird ja seit Wochen an der Ostfront, und wie man hört, gehen sie sogar freiwillig “rĂŒber in’ Osten“. Meine letzte Maske leg ich erst zu den Akten, wenn ich verstanden hab, wie man den Graphen fĂŒr die Inzidenzen selber so zurechtstaucht, dass er eine Ă€ußere Wirklichkleit abbildet. In den Corona-Statistiken, mein ich, nicht im ukrainischen Bodycount. Außer Vermummung wird auf einmal wieder illegal. So frei ist das Land allemal, dass man sich wenigstens theoretisch aussuchen darf, woran man sterben will. Bis dahin kann man weiter seine letzten Kröten fĂŒr “Mehl, aber auch Reis, erneut Toilettenpapier, KĂŒchenrollen und kurioserweise Sonnenblumenöl” an die NATO paypallen und sich großmĂ€chtig links dabei vorkommen. Man sollte.

Versteht das jemand? Keine Angst, ich auch nicht.

Soundtrack: Arvo PĂ€rt: Da pacem Domine in diebus nostris, 2004,
Wiedergabe von AlterRatio, Kiev 2013:

Wundermacht

Das lĂ€sst ja auch tief blicken, was der deutsche Kriegskonsument von KĂŒnstlervolk hĂ€lt, zumal von ausgebildeten Schauspielern. Bei Wolodymyr Selenskyj, den man sich unglĂŒckseligerweise fortan merken muss, hat man sich erst gewundert, wieso ein fertiger Jurist sich ans Schauspielern, Synchronisieren und Moderieren von Kasperlkram wegschmeißen kann, und dann, dass er’s nicht nur zum Regisseur und Produzenten – das sind doch die mit der Kohle, oder? – gebracht hat, sondern zum f***ing PrĂ€sidenten von Kleinrussland.

Und wenn er’s gesagt hat, glaubt’s ihm bis heute keiner: weil er das so will.

Oder wie darf ich die Bilder von dem ĂŒberaus schĂ€tzbaren Manne, die ausnahmsweise nicht von aktuellem Kriegsgeschehen handeln, sonst auffassen, wenn nicht als Misstrauen gegen und Entsetzen ĂŒber jemanden, der sich mal in einer rosa Ganzkörperkluft hat filmen lassen? Erst den Hanswurst machen, weil er sich als Anwalt zu fein ist, und dann die Welt retten – so wörtlich verstanden wie nie?

Und wenn ich’s sag, glaubt’s wieder keiner: Gerade deswegen.

Gerade einem herumgetingelten KĂŒnstler ist bedeutend eher zuzutrauen, seinen Charakter gebildet zu haben, als einem, sagen wir klischeehalber, BWL-Abbrecher, der “in der Politik” gerade mal seine “Chancen nutzen und Risiken minimieren” gelernt hat. Der musste sich schon mal selber was einfallen lassen, siehe auch unter: selbststĂ€ndiges Denken, und weil er schon mal am eigenen Leib und Leben seiner Lieben gemerkt hat, wie sich eine Krise anfĂŒhlt, und aus welcher man unter UmstĂ€nden wieder rauskommt und aus welcher nicht.

Wider die defamatorische Darstellung von BerufsstĂ€nden, vor allem von KĂŒnstlern. Oder haben Sie sich in finsterer Stunde – in jĂŒngstem Fall vor kurzem, als noch Ausgangssperre “wegen Corona” war – an AnwĂ€lte und BĂŒchsenmacher gewandt? Oder an KĂŒnstler?

Und bevor einer davon anfĂ€ngt: Nein, weder bin ich ein ausgebildeter KĂŒnstler noch will ich mit Herrn Selenskyj tauschen. Der scheint das einzige GlĂŒck zu sein, das sich die Ukraine seit langem eingehandelt hat. Falls ich genug Krieg konsumiert hab. Und falls er zum Zeitpunkt der Niederschrift noch lebt.

Soundtrack: Joachim Witt & Peter Heppner: Die Flut,
aus: bayreuth eins, 1998: