Update zu Fuck Yes:
Kennt das noch jemand? — :
Das ist Music Box Dancer von Frank Mills, 1974, als Single 1978, in einer Live-Aufführung von 2014, die ausweislich YouTube als offizielles Musikvideo angesehen wird. Es pianiert der Meister selbst, 71-jährig und offenbar vor einer Art Altersheimausflug, aber mit einer Attitüde, als ob er das Lied verdammt gut kennt und nach den seither vergangenen vier Jahrzehnten immer noch zu ihm steht. Nebenbei sieht er äußerlich meinem Herrn Vater nicht ganz unähnlich, vor allem auch in der unaufdringlichen schwarzen Kunstlederjacke, wie man sie von russischen Taxifahrern kennt oder alten Herren, die sich zu fein für beige Windjacken sind.
Frank Mills, wenn man ihn auf sein eigenes angejahrtes Lied loslässt, spielt es einen Tick schneller als alle seine Cover-Interpreten — hupfiger, übermütiger, verspielter. Wenn der das nicht darf, wer dann?
Es ist eins der Lieder, bei denen man darauf verfallen kann, dass die Welt vielleicht doch nicht ganz verrottet ist. Das funktioniert auch ohne Text, weil sich Herr Mills möglicherweise etwas dabei gedacht hat, es instrumental zu belassen. Wenn Sie sich trauen, vergleichen Sie ein paar Versionen auf YouTube und schrecken Sie nicht zurück vor den Kommentaren darunter. Aus denen erhellt, dass diese Melodie nicht nur für mich einzigartig verschrobenen Kauz eine nachhaltige Kindheitserinnerung sein kann; die Leute haben ausgewachsene, teilweise richtig anrührende Geschichten dazu. Dergleichen ist verdammtnochmal zu respektieren, wenn man sich schon nicht mitfreuen kann; ich will nicht mal den “Alterheimausflug” von oben allzu verächtlich verstanden wissen. Das soll so eine magere, im besten Sinne kindliche Melodie nämlich erst mal leisten.
Abgeraten wird sowieso von der Version von James Last: viel zu überinstrumentiert, und das Klavier ist eine Art Midi-Dateien-Quäkse. Für meinen Begriff hätte schon das Original auf die Orchesterbegleitung und vor allem den Mädchenchor aus dem VCS-3 verzichten können, weil die Melodie stark genug wäre, um auch als Knochengerüst genauso weit zu tragen. Eine einzige Cover-Version muss trotzdem her.
Es ist die deutsche Schlagerversion von Marion Maerz von 1979, weil sie dem Klaviermuckel etwas hinzufügt, das vorher nicht drin war, und das vor allem dem Text von Peter Orloff zu verdanken ist. — Der Peter Orloff? — Jawohl, allerdings. Deshalb ergeht Schnulzenwarnung der Alarmstufe Rot; wenn Sie zu cool sind, um das auszuhalten, können Sie gern weiter die Babyshambles hören, sich einen Wilhelm-Busch-Bart wachsen lassen und mit einem MacBook in einem Veganercafé ein Startup für irgendwelche Solutions gründen.
Einzuwenden habe ich gegen Text nicht, wie fürchterlich er doch schmalzt, sondern allenfalls, dass der kleine alte Musikus eine Goldene Schallplatte hat. Es dürfte ruhig um einen gehen, der eben gerade mit seinem Geklimper ein Leben lang erfolglos bleibt, aber Ringsgwandl hat anno ’74 noch keine stillen Helden und Loser gefeiert, sondern Medizin studiert. Erfolglose Musiker gewinnen weder mit 30 noch mit 60 endlich ihre Goldene Schallplatte, um es doch noch allen zu zeigen, wie einschlägige “Du kannst alles schaffen”-Geschichten nahelegen. Und doch:
Und ein kleiner Mann, der sitzt in seiner Ecke ganz still
und freut sich so, dass jeder gern sein Lied hören will.
Das geht schon klar. Ist doch Schlager. Und ein Liedchen in die Welt gesetzt zu haben, das jemandem was bedeutet — wie nahe kann man dem Sinn des Lebens noch kommen?
Das sollte als Ohrwurm für die ganze Woche reichen. Sie müssen sich nicht dagegen wehren, entspannt tut’s weniger weh und macht im Falle Mills/Orloff/Maerz sogar glücklich. Jeder wie er kann, sagt mein Vater.
Denn solange es Musik gibt und solang sie gefällt,
bleibt ein bisschen Glück und Freude auf dieser Welt.
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