Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: Januar 2008

Sonstwo hinstecken: Alfred M. Waldron: Less Than Thou Knowest

Waren tieferer Sinn und höhere Aufgabe von Weblogs nicht immer das Herumzeigen von Katzenbildern und das Bearbeiten von Stöckchen? Gut, Moritz hat gerade einen Bad Pelz Day, nehmen wir also das meiner Beobachtung erste Stöckchen in der kurzen Geschichte des Bloggens, das sich die Leute reihenweise von selber klauen — sogar welche, die sich Stöckchen ansonsten höflich verbitten (wir zum Beispiel).

Es geht so: Man baut sich ein CD-Cover.

Name der Band ist der erste Zufallsartikel der englischen Wikipedia.

Name der CD sind die letzten vier Wörter des letzten Zufallszitats auf der Quotation Page.

Cover-Illustration ist das dritte “interessante” Bild auf Flickr.

Bildbearbeitung ist erlaubt, schummeln nicht. Also nix da von wegen Zufallsartikel, -zitate und -bilder generieren, bis endlich was Gescheites rauskommt.

Bis jetzt hab ich kein Ergebnis gesehen, das nicht von seiner eigenen Schönheit und vor allem einer frappierenden Glaubwürdigkeit wäre. Besuchet diesbezüglich auch — alphabetisch —: Anke-Art, Aoife, Deine Tapete, Dennis, Herrn Schmidt, die Hochhaushex, Planet 9, Sven K. und die Wortteufelin. Nur so zum Beispiel. Sie ergoogeln mit Leichtigkeit viel mehr, und alle machen Spaß.

Bei mir war der Zufallsartikel Alfred M. Waldron, der Zitatausriss von Shakespeare und das Bild It was like this in a dream von Officially a Mom, und das sieht dann so aus:

Alfred M. Waldron: Less Than Thou Knowest würde ich sofort kaufen. Eindeutig independent, also melancholisch melodiöses Klampfengeschrammel, durch raue Coolness gebrochene Schnulzen, Balladen über Albträume, durchsetzt mit dem einen oder anderen Schreianfall, die Bassistin bringt durch feenhafte Backing Vocals ein Fantasy-Element rein. Reservieren Sie sich Ihr Exemplar jetzt und Sie erhalten es pünktlich zum Erscheinungstermin.

Klasse, oder? Und jetzt kommen wieder die Obergestaltungsexperten und Billigheimer und sagen: Jaaaaa, das is ja ganz einfach. Drei Zufälle aus drei öffentlich zugänglichen Gratiswebseiten, und schon haben wir ein marktfähiges Produkt. CorelDraw hab ich gesaugt, kann ich auch, geht in fünf Minuten.

Ja, können Sie auch. Und das Ergebnis sieht aus wie ein marktfähiges Produkt. Der Trick ist aber: Das funktioniert nur — Obacht —: rückwirkend. Mit diesem zugegeben sehr netten Spielchen bauen Sie ein Werbemittel, von mir aus auch das Design, für ein Produkt, das Sie nachträglich erschaffen müssten. Knipsen Sie also das geldgeile Leuchten in Ihren Äuglein wieder aus, gründen Sie erst mal die Kapelle dazu. Und wenn Sie ein paar Gitarrengriffe gelernt haben, geht’s weiter mit einem CD-Booklet nicht unter acht Seiten, und zwar im gleichen Look & Feel, Konzertflyern (doppelseitig bitte) und dem Anbohren von Vertriebskanälen über den WOM, die wichtigsten Konzertveranstalter und die derzeit angesagten Underground-Plattenläden, und zwar mindestens europaweit.

Na, noch Lust?

Ihr Otternbrut, wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid?

Update zu Lemmatisieren heute:

Ich sage euch aber, daß die Menschen müssen Rechenschaft geben am jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Worte, das sie geredet haben.

Matthäus 12,36

Überschätzte Tugenden, Teil 1: authentisch sein.

Wissen Sie, was authentisch ist? Ich sag Ihnen, was authentisch ist: Eine Authentik ist ein von zuständiger Stelle mit Siegel beglaubigtes Dokument. Mittelalterlicher Bürokram. Das Adjektiv hat überlebt und wurde in neuerer Zeit abgesoftet zu "glaubwürdig", im Sinne der allfälligen Null-und-Gratis-Empfehlung Sei einfach du selbst. Besonders, wenn du ein Arschloch bist, gell?

Authentisch sein dient nicht der Glaubwürdigkeit. Wenn Sie von der Bedienung gefragt werden, ob’s geschmeckt hat, sagen Sie auch nicht: "Als letale Dosis hätte schon die Hälfte gereicht", schließlich sagt der Küchenbulle zu seiner Restepfanne aus Gemüsestrünken auch "Ratatouille". So einigt man sich auf eine gewisse Grundhöflichkeit, das muss okay sein.

Ich war mal in Schottland. In Schottland regnet es immer aus zwei Richtungen gleichzeitig. Aus den Mustern, die sich dabei zeigen, sind die Schottenkaros entstanden. Außer in den paar Tagen, wo ich da war. Strahlender Sonnenschein von Papa Westray bis Dumfries. Bei Loch Lomond setzte ich mich in eine Kneipe, deren Tür am hellen Nachmittag offen stand. Und was soll ich sagen: Kein Mensch da. Der Wirt, die Wirtin und zwei Küchenhilfen, alle ausgeflogen, um ihre eigenen Ansichtskarten zu knipsen, the first fine day in five years, wie mich der Wirt am selben Abend belehrte.

Schottland bei Sonne! Soll das vielleicht authentisch sein? Nein, aber der Grocery Store, in dem ich mir zu dem Bier verhalf, das mir in der Kneipe niemand wegen Lizenzüberschreitung verweigern konnte, gehörte sowieso der Schwester der Wirtin.

Authentische Weblogs sind die, in denen am meisten gestritten und gespamt, getrollt und hitlerverglichen wird. Ich bin Schreiber, nicht Quassler, und werde meine Einträge weiterhin korrekturlesen. Schön, dass wir drüber gesprochen haben.

Unternehmergeist (Für mich auch noch einen!)

"Schau, was ich gefunden hab", sagt Moritz und zeigt mir auf seinem katzenfähigen Notebook:

Im Bewusstsein, dass der freie Markt eine gefährliche Wildnis sei, warnen doppelt so viele befragte Deutsche wie Amerikaner davor, ein Geschäft zu eröffnen, wenn man erwartet, dass es scheitern wird.

Foreign Policy January/February 2008: Europe’s Philosophy of Failure

"Und?"

"Na, ich stell mir gerade lauter dynamische Amerikaner vor, strotzend vor Bewusstsein, dass der freie Markt ein Supermarkt ist, und lauter Geschäfte eröffnen, über die ihnen klar ist, dass sie scheitern."

"Jahaa, das ist der Geist des freien wilden Westens!"

"Etwas in der Art muss es wohl sein…"

"Moritz, mein Moritz, hast du schon mal versucht, in Deutschland ein Geschäft zu eröffnen?"

"Ja. Auf dem Kreisverwaltungsreferat wollten sie eine Gewinnkalkulation bis zwotausendzwanzig, weil der Sachbearbeiter noch nie was von Mausefallenwartung gehört hat."

"Siehst du? Mit solchen Unwägbarkeiten geht’s los. Geschäftserfolge hängen von der Tagesform eines lustlosen Sachbearbeiters ab."

"Wie bist du eigentlich selbstständig geworden, o mein gnadenvoller Meister aller Dosenöffner?"

"Auf dem Kreisverwaltungsreferat haben sie schon mal was von Werbeagenturen gehört. Die werden in München jeden Tag eröffnet."

"Wow. Sind sie in München so risikofreudig, dass selbst der Ami nix einwenden könnte?"

"Nicht freiwillig. Die Leute machen sich ja nicht selbstständig, weil sie so tolle Unternehmernaturen sind, sondern weil sie nirgends angestellt werden."

"Und sind lieber selbstständig als arbeitslos?"

"Das hast du gesagt, Katze."

"Lieber pleite als verhungert?"

"Moritz!"

"Ist ja gut. Schau, was ich noch gefunden hab."

"Wieder eine von deinen Geschäftsideen?"

"Keine Angst. Mit dem Kreisverwaltungsreferat bin ich durch. Viel besser: eine politische Aussage der Ersten Allgemeinen Verunsicherung.

Es wird das Proletariat
ohne Kohle rabiat.

Auf sowas stehst du doch."

"Das kenn ich. Der Ökonom Karl D-Marx. Das war auf dem Konzert zur Geld oder Leben, mein erstes großes Rockkonzert. Da hatte ich frisch meinen Führerschein und durfte mit Mutters Laubfrosch hin. Hinterher bin ich auf dem Parkplatz gestanden, hab eine geraucht und bin mir sehr gebildet und fürchterlich erwachsen vorgekommen."

"Auch schon länger her, oder"

"1985 war das."

"Halb so schlimm, hüstel."

"Mein Katzenherz, da war dein Großvater noch ein Glitzern im Auge deines…"

"Schon gut, genauer brauchen wir’s nicht. Aber schau, da hab ich noch eins:

Ja i sog net a so
und aa net a so,
net dass irgendwer sogn kannt,
i sog so oder so.

Das werden unsere Leser außerhalb des Biermooses schon verstehen, wa?"

"Kenn ich auch. Die Biermösl Blosn auf der Tschüss Bayernland."

"Weißt du, von wann die ist?"

"Auch 1985…"

"Und welcher dieser Aussagen würdest du dich nun anschließen?"

"Der Aussage, dass du zu viel surfst, Miezekatze."

"Bei mir ist das was anderes. Aus meinungshaltigen Kommentaren halt ich mich raus. Ich bin eine gesunde Miezekatze, weil ich mit Engagement nicht politisiere. Bei mir ist das keine Feigheit, sondern eben: Engagement. Bei dir dagegen…"

"Moritz?"

"O mein Meister?"

"Geh Mausefallen warten."

"Mrr."

Auftraggeber, die keine Ahnung haben, was für ein Aufwand das ist

 

Aus gegebenem Anlass.

Die 49 Kommentare von buenalog sind schon von 2006 und dieser eines Illustrators und Designers von 2007, aber so aktuell, als wäre es gestern: Es hat sich nichts geändert.

Gemeint ist my-hammer.de

Zitat eines auf buenalog Kommentierenden, gute Warnung an alle Dienstleister: “Auf Plattformen wie My Hammer & Co. fokussiert sich aber die ganze unverschämte Erwartungshaltung sehr vieler Auftraggeber[…] Ein Auftraggeber, der Bitten zur Kontaktaufnahme ignoriert, nachdem man einen qualifizierten Beitrag im Forum seiner Auktion hinterließ, halte ich ohnehin nicht für seriös und ernsthaft. Auf diese Auftragsvergaben kann man getrost verzichten; denn wenn er bereits VOR Zusammenarbeit unwillig für Kommunikation ist, wird er sich vermutlich kaum kooperativer verhalten, wenn man nach 4 Wochen anfragt, wo das Geld bleibt.[…]”

Dem kann ich nichts mehr hinzufügen, so ist es. Dienstleister, die mir persönlich bekannt sind, die extrem viel zahlungsunwillige Kunden haben, haben tatsächlich im Vorfeld jeden Billig-Kunden genommen (oft noch zu jedem Preis, das war dann noch die Quittung: Denn wer den Schaden hat, braucht für den Sport nicht zu sorgen.)

Ach ja, und Kostprobe aus dem my-hammer-AGB:

8.3

Untersagt ist die Einstellung von Aufträgen, die geltendes Recht (einschließlich der Rechte Dritter), die Bestimmungen des Nutzungsvertrages oder die guten Sitten verletzen. Dies gilt insbesondere für Aufträge,

–   
deren Inhalt gegen die gesetzlichen Bestimmungen zur Verhinderung von Schwarzarbeit verstößt,
[…]

 

Mein Kommentar:

Schwarzarbeits-Stundenlöhne wie 2 € (da drin gesehen) werden jedoch von my-hammer nicht geahndet. Man sollte my-hammer.de an seinen eigenen AGB aufhängen, es traut sich nur niemand.

 

Das schreiben die anderen: Was ist virales Marketing?

Update zu Hokus Pokus Viribus und And you still can hear me singin’ to the people who don’t listen:

Bis Sie die verbleibenden Raunächte mit Überlegungen zugebracht haben, was eine auf Geld angewiesene Werbeagentur dazu treibt, sich erneut (!) mit "Du bist Deutschland"-Faxen zum Horst zu machen, lassen Sie mal den Beitrag des Radiokollegen Hamlet Hamster vom Meerschweinchenreport Virales Marketing – Was ist das? so lange laden, bis alle Youtube-Filme erscheinen, so lange dauert das nämlich locker.

Wenn wir selbst von der Historie abgelebter Werbeformen genügend durchleuchtet sind, gibt’s vielleicht auch mal von uns einen Beitrag außerhalb von Freitagen. Stehen ja länger da und gelten länger als jeder Virusfilm.

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