Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Ungewöhnliche Geschenkideen

Auf ins neue Unbekannte

2024: Fangen wirs mit Biologischem Glitzersekt an!

Ein gutes gesundes neues Jahr euch allen!

Der Jahresübergang war mal anders als sonst: brav ein neues Raclette-Gerät ausprobiert und ironisch ein neues Glitzer-Getränk vom Basic. Foto folgt!

Aber dass es mit dem ironischen Hipster-Öko-Geglitzer (1 sparsame einsame Flasche für den modernen, sparsam gewordenen Bürger; keine Palette voll) ein gutes Jahr wird, das glaube ich nicht. Gar nicht. Kriege, Wetterkatastrophen, wütende Bauern, Verteilungskämpfe allenorten – ignorant oder im Wachkoma erscheinende Politiker …, nichts Gutes.

 

Der Geschenktipp des Jahres (doch, echt jetzt)

Der Advent liegt heuer skurril. Zum praktischen Gebrauch stehen nur drei Adventssonntage zur Verfügung, der vierte ist schon Heiligabend, worüber sich der Einzelhandel nicht genug zerfleischen kann, als ob es heute noch Angestelltenverhältnisse gäbe, in denen man nur das bisschen arbeiten muss, das in den Arbeitsverträgen aus dem Abreißblock vom Kaufhof steht.

Silvester ist quasi fünfter Advent. Und wo wir gerade beim Einzelhandel sind: Liebe Kinder, es werden mir keine Gegenstände gekauft, Weiterlesen

Bibliothek deutscher Knauserer

Als Kathrin Passig, die grande vieille dame des Webloggens (ich darf das sagen, ich bin der Ältere) noch cool war, was nach ihrem Bachmannpreis nachgelassen hat und sich deshalb auf 2006 festlegen lässt, konnte sie außer Entbehrlichem wie One-Rope-Bondage, Fußfetischismus oder dem Beschriften von Backup-CDs immerhin auch Bücher als Geldanlage empfehlen.

Gut, das war 2001, da wurden Gegenstände und Dienstleistungen sowieso noch gegen Geld gehandelt. Seit das meiste Geld dem Umlauf entzogen wurde, ist mit Büchern das passiert, was Frau Passig 2001 dem Elektroschrott bescheinigt hat: Da muss man sogar die — selbstverständlich ehrenamtlich ihre Tagesfreizeit hinbringenden — Hausfrauen bei Oxfam anbetteln, dass sie einem das ganze Altpapier als “Bücherspende” abnehmen.

Seit 1985, als das Ding erschienen ist, spare ich auf die erste und einzige vollständige — und vor allem: anständig kommentierte — Ausgabe Phantasus von Ludwig Tieck. Vor 31 Jahren hat dieser sechste von zwölf Einzelbänden der Gesamtausgabe 198 D-Mark gekostet, seit dem Zusammenbruch der europäischen Währungen 2002 kostet er 102 Euro; man kann also gar nicht sagen, dass er in über einer Generation wesentlich teurer geworden wäre. Leider ist die Leinenausgabe in einen durchsichtigen, dennoch hässlichen Plastikeinband gewandet, was dem geschätzten Erdölaufwand einer Fahrt mit einem VW durch die Euro-Zone entspricht, und dann am Ende noch bei dem verführerisch naheliegenden Amazon.de, also überhaupt nicht zu verantworten ist.

Es muss deshalb heutzutage die streichelweiche Lederausgabe sein, für 164 Euro. Dafür kriegen Sie den in literaturwissenschaftlicher Pionierarbeit erschlossenen zuverlässigen, maßgeblichen Text, “nach Erstdrucken ediert, die wichtigen Abweichungen von den Handschriften und der von Tieck selbst veranstalteten Gesamtausgabe werden im Kommentar ausgewiesen. Erstmals werden die Texte durch grundlegende Kommentare erschlossen”, auf über 1500 Seiten alleredelsten, bei Schoeller & Hoesch eigens für die Bibliothek entwickelten alterungsbeständigen Dünndruckpapiers, in rotes Leder gebunden (man korrigiere mich, aber es müsste Schaf sein) und im vertrauenerweckend stabilen Schuber, und bei der einzuschätzenden Drehzahl sollte es mich nicht wundern, wenn Sie bis heute bei Verlagsbestellung aus der Erstauflage bedient werden. In dieser Art ist jeder Band der Bibliothek Deutscher Klassiker: leider. Jeden. Cent. Wert.

Die 164 sind der Neupreis. Sollte ich Sie also gerade zu einer mittelgroßen Geldanlage animieren, dann möglichst nicht ausgerechnet bei Amazon.de: Wenn Sie das Ding ohne Aufpreis und diskutierwürdigen Premium-Status auf den nächsten Tag in einem kuschligen Buchlädchen bestellen, kriegen Sie wahlweise vom Inhaber oder der hübschesten Azubine auf den Mund geschmatzt oder wenigstens die Tür aufgehalten. Was die 164 vormals in D-Mark waren, hat mich anno 1985 gar nicht groß interessiert: Damals wäre ich mir sogar vermessen dabei vorgekommen, die Bierdosen mit 0,33 statt der im im Literpreis effizienteren 0,5 Liter wegzulitern.

Gebraucht gibt’s die Lederausgabe schon mal um 95 Euro, die im Laufe des Klimawandels indiskutabel gewordene Leinenausgabe für 65. Für einen 47-Jährigen wie einen ehemals 17-Jährigen immer noch ein Haufen Holz für 1500 Seiten angehendes Altpapier, das ich bei meinem Lebenswandel vielleicht noch 20 bis 30 Jahre ausnutzen kann, wofern weder meine Sehkraft noch mein Auffassungsvermögen wesentlich nachlässt, und auf das meine mir persönlich bekannten Erben garantiert keinen Wert legen werden.

PS: Der Diels/Kranz ist genauso theoretisch erhältlich: alle drei Bände, zweisprachig, in halbwegs ordentlichem Zustand bei Amazon.de ab 182 Euro, bei anständigen Leuten für 200 aufwärts. Noch theoretischer gibt’s Die Gelehrtenrepublik von Klopstock: als abkopierten Nachdruck eines nicht näher ausgewiesenen Fraktur-Schinkens von einer amerikanischen Klitsche, die einen für ihr bisschen Bindearbeit ganz schön aufkommen lässt, und für den man sich lieber selber ein Stündchen an den Münzkopierer der Unibibliothek stellt und den Stapel dann zum Copyshop trägt. Mitnichten erhältlich sind Der Geheimnisvolle von E.T.A. Hoffmann, Isle of the Cross von Herman Melville, Das Kind und die Stadt von Franz Kafka und Clemens von Thomas Mann, wofür aber kein heutiger Verlag etwas kann. Das Trauerspiel dabei ist ja: Wenn einem nach hundert Jahren endlich doch noch die Abflussrohre unter dem Kellerboden wegrosten, müssen auch auf einmal ein paar Tausend für nix da sein.

So hätte das bestimmt Kathrin Passig als Studentin gehalten, als sie noch Bücher gekauft hat, statt ihnen als überzähliges Material, das sich gerade noch bedingt zur Wanddämmung eignet, zugunsten unkopierbarer Textdateien, die auf einem Fernsprechapparat gespeichert werden, Hausverbot zu erteilen. Und ich hätte Dosenbier gekauft — hab ich wahrscheinlich sogar, meine Erinnerung an diese Zeit verschwimmt vor allem in den Teilen, welche die Wochenenden anbelangen. Aber damals war sogar ich noch cool.

PPS: Gibt es eigentlich Buchhändlerwitze? “Ein Grossist heißt nicht Großist, weil er groß ist” oder so?

Sinnvoll feiern

Meine Kamera ist nicht nagelneu. Sie ist für meine Verhältnisse neu. Eine neuere hat Vroni, die darf das, die ist Grafikerin und steht viel lieber hinter als vor Kameras.

Vroni klagt bei ihrer halbwegs neuen Kamera über die Funktion “Antischock”. Man stellt sich so leichtfertig vor, das sei ein Bildstabilisator, und benutzt sie, um sein Bild nicht zu verwackeln. Und verwackelt es dann leichtfertig erst recht. Geisteswissenschaftler und Technik.

Die jetzt aber wirklich neue Citylight-Werbung des Weihnachtsgeschäfts hat mir nahegelegt, jetzt aber wirklich nagelneue Kameras zu verschenken, die vorausberechnen, wie sich ein Fotomotiv weiterbewegen wird. Die “Technik der Zukunft” erringt ganze neue Bedeutungsebenen.

Wenn die Kameras so beschaffen sind, ist es am besten, man lernt ein bissel zeichnen. Mein Geschenktipp der Woche ist deshalb: ein Bleistift, am besten Faber Castell, die sind traditionsreiche Nürnberger Wertarbeit, neu nur wenige Millimeter kürzer als vor fünfzehn Jahren, und machen richtig Spaß. Im Schreibwarenbedarf Ihres Vertrauens unter 1 Euro. Wenn’s ein bissel mehr sein darf: Anständige Skizzenbücher aus Papier, dem weder Radiergummi, der eine oder andere Tintenklecks noch gemäßigtes Aquarell viel anhaben können, hat der Kaut-Bullinger. Hemdentaschenformat, das reicht vollkommen, für keine 5 Euro, weil man den überschätzten Namen “Moleskine” nicht mitzahlt.

Fröhliche Bescherung am Mittwoch! Und um 22.30 Uhr nicht die Christmette in Sankt Maximilian vergessen — zum Thema “Gott existiert — aber du bist es nicht, also entspann dich” mit anschließender Birthday Party.

Besetzt

Als Kind, da hab ich noch das Prinzip eines Adventskalenders verstanden: 1. aufessen, 2. fertig.

Wahrscheinlich liegt’s wieder an mir, aber was mir der namhafte Büroartikelanbieter Viking saisonbedingt außerhalb seiner unangezweifelten Büroartikel anbietet, überfordert mich: Krieg ich jetzt ein Tablet, wenn ich genug “Office Depot Toilettenpapier” kaufe, oder krieg ich ein Bürovorratsgebinde Klopapier extra, wenn ich ein Tablet kaufe?

Wahrscheinlich ist es wieder so wie sonst auch: Egal wird’s sein. Die Benutzung bleibt sich gleich, ob man sein Tablet aufs Klo mitnimmt oder default dort aufbewahrt. Ist Hackfleischsoße eine Beilage zu Nudeln, oder sind die Nudeln ein Trägermedium für die Soße? Wurscht, auf dem Teller sieht’s gleich aus und im Magen kommt alles zusammen, und warum sollte sich das auf dem weiteren Weg groß ändern.

Vielleicht eignet sich so ein Büroklopapier sogar als Endloswalze für den Drucker. Gewisse Inhalte, die mich aus der Bürowelt erreichen, lassen deutlich derlei Zusammenhänge erahnen. Hauptsache, man hat genug Work in der Life-Balance, gell?

Adventsbildchen: Viking, 2. Dezembertürchen 2014.

Mia san mia – und Kaiser simma eh.
Was das Maldöschen auf Gleis 1 mit der Landesausstellung Regensburg zu tun hat …

An was ich mich erinnere, war die extreme Dunkelheit im Dom und das gleißende Licht draußen. Die gute, aber viel zu kurze Führung und wie laut es in einem Dom sein kann, wenn mehrere Führungen auf einmal stattfinden. Man durfte innen nichts fotografieren und die Madonna mit dem Distelfink in der Kapelle am Kreuzgang wäre eine Sünde (also ein unerlaubtes Foto) wert gewesen.

Dabei sind wir eigentlich nur nach Regensburg, um mein metallenes Maldöschen aus dem Gleis 1 zu fischen, das dort am vorigen Wochenende beim Umsteigen in Regensburg aus seinem Rucksack fallend verloren ging.

Genauer: Das Maldöschen war meins. Und ich greinte, dass er es so lässig in eine äußere Rucksacktasche gestopft hatte, musste ja. Bekam ich einen erneuten Samstag in Regenburg geschenkt. Wir gleich auf Gleis 1 mein Einbein-Stativ (Manfrotto) ausgefahren und mit Klebeband unten an der Spitze präpariert, zwei nichtsnutzige Sonnenbrillen und mein Döschen aus dem Schotterbett gefischt. Gleich warense da, die Bahnbeamten: “Was machen Sie denn da?”

Waren wir aber schon fertig, hehe. Wir: “Nix!”

Und wenn man schon einmal da ist in diesem Regensburg, dann ab zum Ludwig, damit es sich rentiert. Hört sich an wie eine Kneipe, ist aber ein stock-eigensinniger Bayer wie er im Buche steht.
Ludwig der Bayer: Wir sind Kaiser!
Bild: Junggesellinnenabschiede unten, und alter Sack oben.

Wo Ludwig sich einst mit der Obrigkeit, den Päpsten, anlegte, sitzen heute ganze Regierungen samt ihrem Volk die Probleme aus und wenden sich Schabernack und Kostümparties zu.

Aus dem Besucherbuch 25.05.2014: “Lieber Ludwig, wir bitten für Deine Entlassung aus dem Fegefeuer.”

Junggesellinnenabschied im Schatten des Doms
Man sucht an diesem Tag lieber den Schatten.

Figur mit Löwe an der Fassade des Regensburger Doms Figur mit Löwin an der Fassade des Regensburger Doms
Wüstentieren wie Löwe und Löwin ist das schon lange ziemlich wurscht.

Schattiger Innenhof mit Platane des Café Prock Regensburg
Kluge Wölfe retten sich in einen schattigen Hinterhof.

Wolf im Innenhof des Café Prock beim Eiskaffee

 

Es gibt frischen Beerenkuchen (Erdbeere, rote Johannisbeere, scharze Johannisbeere) und jede Menge Sahne
Tortenporn: Kühle, frische Beerentorte (Erdbeere, rote Johannisbeeren, Heidelbeeren) mit saftiger Mohnunterlage und Sahneberg.

Vertreter der Regensburger Hofspatzen
Vertreter der Regensburger Hofspatzen warten auf Krümel.

Sonnendurchglühter Fuchsengang, Regensburg
Der Fuchsengang in Regensburg präsentierte sich sogar noch beim Heimgehen um 18:00 als sonnendurchglühte, menschenleere Gasse. Diese verdammte Hitze! Aber die Dose ist wieder da, das ist das Wichtigste … . Lieber Ludwig magst ruhig sein.

 

Mehr Zeit statt Zoich

Auch dieses Weihnachten wünsche ich mir keine Hetze, sondern mehr Zeit für und mit meinen Lieben, meinem Mann, meiner Tochter, meiner Katze, meiner Familie.

Und dafür lieber keine Geschenke.

Ich wünsche mir und uns einen Kaminabend mit gutem Wein und guten Gesprächen, ich wünsche mir gemeinsames Kochen. Ein gemeinsamer Wander- oder Maltag mit meiner Tochter wäre auch nicht schlecht. Ich wünsche uns einen schönen Konzertabend mit stimmungsvollem eating out & getting drunk …

Diese Aktion hier kann dazu beitragen, dass sich der Gedanke mehr verbreitet, wie wertvoll geruhsame gemeinsame Zeit miteinander ist.

Die Website Zeit statt Zeug - eine gute Aktion nicht nur für Weihnachten.

 

Ich wünsche euch allen eine gute Zeit!

 

 

À la recherche du Personalausweis perdu

Ein größerer Kollege von uns, der ebenfalls immer freitags bloggt, wenngleich im Print, berichtet in dieser Woche von einer röhrenförmigen Preserve Box oder Preservation Box oder so ähnlich, die käuflich zu erwerben und dazu gedacht ist, Gegenstände für die Ewigkeit einzudosen. Ein materielles Vermächtnis, vergleichbar einer persönlichen Voyager Golden Record, mit Zeug befüllt.

Eschatologisch gesehen eine gute Idee. Das geht über die typische Frage hinaus, die einem immer gestellt wird, wenn es auf einer Feier zu langweilig zum Bleiben und zu lustig für Apfelschorle wird: Welches Buch würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Prinzessin Wilhelmina Sophie Marie Luise von Oranien-NassauJa, blöde Frage, das Buch natürlich, das auch in meine Preservation Box muss. Nein, keine blöde Frage, weil mein dickstes Buch gerade mal dreieinhalbtausend Seiten hat, und wer sagt mir denn, dass mich jemals einer abholen will? Außerdem hab ich die Frage zu oft gehört, um mir noch die Schlaubergerei zu verkneifen: ein Kindle mit Download-Flatrate, ein Pflanzenführer mit gegenübergestellten essbaren und giftigen Kräutern, und für hinterher noch mein Sparbuch.

Und überhaupt: Zählt die Recherche du temps perdu als ein Buch oder als sieben (der dreibändige Kompromiss war meines Wissens eine Idee der Büchergilde Gutenberg)? Wie ist es mit Gesamtausgaben? Der Insel-Goethe für die nicht ganz so fleißige Hausfrau kommt mit sechs Bänden aus, die Sophienausgabe braucht geschlagene einhundertdreiundvierzig; zählt mein Jean Paul dann als eins oder zehn?

Wie persönlich sollte man werden, wenn man Sachen wirklich sehr lange aufheben will? Feiern die dann ihre Obsoleszenz ohne mich? Etwas Persönlicheres als mein Personalausweis, den man immer wieder brauchen kann, auch wenn man ziemlich alt aussieht — ja gerade wenn man ziemlich alt aussieht — will mir nicht einfallen. Und will ich wirklich einer Nachwelt imponieren, die ich ja gar nicht kenne?

Will ich wirklich — nur mal als ganz hypothetisches Beispiel — will ich wirklich die Briefe meiner einstmaligen Freundin und heutigen Frau wiederlesen, die sie mir in einer Art selbst gebastelter Pralinenschachtel aus vergoldeter Wellpappe für ein Höllenporto schickte (“Mein geliebter W.! Vermisst Du vielleicht Dein weißes Hemd? Möglich, dass Du es auf den beigelegten Bildern erkennst. Wie gefällt Dir diese FRAU im MÄNNERhemd?? Willst Du es wiederhaben? Hol’s Dir doch! Ich freu mich auf unser gemeinsames Wochenende! Deine Dich liebende Barfuß-V.”), während ich damit beschäftigt bin, E-Mailbeschimpfungen aus sehr viel jüngerer Vergangenheit zu verdrängen (“Lieber W., ich würde mich freuen, wenn du deine Hemden ab sofort rechtzeitig in die Wäsche geben könntest. Danke. MfG, V.”)?

Es geht nicht darum, seine Spur in der Welt zu hinterlassen; das ist eine Idee für dreißigjährige Spielkinder. Es geht darum, wenigstens seinen eigenen Dreck aufzuräumen. Aber zum Verschenken geht so ein Preservadings schon klar.

Bild: Prinzessin Wilhelmina Sophie Marie Luise von Oranien-Nassau (1824—1897), die mit der Sophienausgabe in der Public Domain.

Unbekanntes Obermenzing

Die Versorgung der Obermenzinger Bevölkerung mit Nagelpflegestudios, die einen Namen mit “Oase” tragen, ist langfristig gesichert. Schade, dass die Obermenzinger offenbar so miese Fingernägel haben, aber niemand soll sagen können, dass in diesem gesegneten Stadtteil jemand weiter als 100 Meter bis zu seinem Nagelstudio laufen muss. Wir wollen deshalb an dieser Stelle von deren Dokumentation absehen.

Weiterhin unterschätzt bleiben die Geschäftsideen der umtriebigen Obermenzinger, auf die man nicht ohne weiteres kommt. Bei meiner Suche nach dem etwas abgelegenen Schloss Blutenburg hat mich besonders beeindruckt, wie man beim Eisessen auch gleich seine Stoffknöpfe erneuern lassen kann (Sarasatestraße 67):

Und auf der Lebensader Obermenzings, der Verdistraße, lassen sie’s gleich dermaßen krachen, dass sich der weiland Arverner Alkoholix mit seiner Diversifikation auf gerade mal Wein und Kohlen verstecken kann. Eine Änderungsschneiderei mit angeschlossenem Schreibwarenladen und Glaserei, alle Achtung. Es waren halt andere Zeiten.

Wie Schloss Blutenburg, das ich dann doch noch gefunden hab, so beieinander ist (vollständigste Kirchenausstattung der Spätgotik Deutschlands mit kaum wurmstichiger 1488er Madonna! Internationale Kinder- und Jugendbibliothek mit Erich-Kästner-Zimmer, Michael-Ende-Museum und Binette-Schroeder-Kabinett! James-Krüss-Turm! Agnes Bernauers Bett!), kann in meinem Skizzenbuch eingesehen werden; für die digitalen Darstellungen war die Speicherkarte dann leider schon voll.

(Die Bilder sind alles meine. Dürfen Sie aber gern benutzen, wenn Sie dazusagen, von wem sie sind. Das geht, weil ich sie nicht kommerziell nutzen will. Wozu denn schon.)

Urlaub für immer: Eine Anleitung in 3 Schritten

Schritt 1: Studieren Sie, was Ihnen Freude bereitet! In Zeiten des umfassenden Zusammenbruchs kann sich ohnehin niemand eine Ausbildung leisten, die seinen Neigungen zuwiderläuft. Germanistik, Sinologie, Soziologie, Theaterwissenschaften, Kommunikationswissenschaften, Töpfern und Ikebana, irgendsowas, und dann am besten auf Magister. Faustregel: Die DFG schmeißt den Forschungsprojekten nicht ungebeten die Millionen hinterher, sondern lässt sich von ihnen die Radiergummis einzeln beantragen; Ihre Mutter kriegt bei der Nennung des Studienfachs in Ihrer Gegenwart sofort ihren weinerlich-ratlosen Blick.

Schritt 2: Bloggen Sie darüber! Richten Sie ein YouTube-Konto ein, um die Videos leichter zu bookmarken, mit denen Sie Ihre Einträge irgendwann mal garnieren wollen. Die meisten davon sind sowieso nach drei Wochen “für dein Land” gesperrt, vor allem wenn Musik drin vorkommt, wodurch Sie trotz unermüdlichen Sammeleifers stets die Übersicht behalten. Bekommen Sie den ewigen Langnese-Spot Like Ice in the Sunshine auf der Startseite empfohlen, der Sie schon anno 1986 den Mitternachtsvorstellungen verrufener Programmkinos, in denen Zigaretten und Schlimmeres geraucht werden durften, und dem Mitbewerber Schöller in die Arme getrieben hat.

Schritt 3: Lernen Sie leben mit dem Stigma, dass Sie an Ihrer Consumer History eine Target Ability zu Langnese-Spots erkennen lassen. Fortgeschrittene kaufen sich in der Steampunk-Shopkette für Studienräte noch den Columbus Großglobus Glas, da kommt es eben drauf an, ob Sie mit den Studienfächern aus Schritt 1 in der Essigfabrik den Schaum von den Bottichen schöpfen, vor Ihrer Manufactum-Filiale mit einem verbeulten Kornett Ihr Hartz IV aufstocken oder gar auf Werbetextaufträge angewiesen sind, und genießen Sie das Urlaubsfeeling.

Eiskonfekt! Happy Kirsch!: Beagle Music Ltd., 1986.

Nicht denken — kaufen

Alte Marketenderregel: Ein Kunde, der zuviel nachdenkt, kauft nicht.

So also nicht:

Wenger Schweizer Offiziersmesser Giant Messer:

Wenger Schweizer Offiziersmesser Giant Messer

4.796 von 4.888 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

So ist z.B. der integrierte Teilchenbeschleuniger nur dann korrekt in Betrieb zu nehmen, wenn die Nagelfeile und der Korkenzieher in einem Winkel von exakt 107,2 Grad ausgeklappt sind. Nervig ist auch das unangenehme Summen, das der Schutzschild-Generator von sich gibt, wenn der Schild von Luft-Boden-Rakten getroffen wird. Außerdem ist die Notfall-Rettungskapsel mit einer Kapazität von 6 Personen eindeutig unterdimensoniert und kann nur dann abgesprengt werden, wenn das Messer sich in waagerechter Lage befindet. Hier sollte der Hersteller eindeutig nachbessern.

1.272 von 1.335 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

Wir sind letzte Woche in das Messer eingezogen und haben es nicht bereut! Nur beim Lüften habe ich mich jetzt schon öfters geschnitten, bei der Sylvester-Party bildeten einige Besucher bei der 12 Uhr-Polonaise einen Schaschlik, das war nicht sehr schön!

Aber nur noch

3 von 3 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

Bin von diesem Messer begeistert. Meine Steuererklärung sieht nun sehr übersichtlich aus und erfüllt alle Anforderungen des Finanzamts. Dank des integrierten Einkommenssteuerprogramms kann ich jetzt mit einer schönen Steuererstattung rechnen. Auch hat mich als Vielflieger überzeugt, direkt im Taschenmesser in der Business Class einchecken zu können und auch mein Gepäck abgeben zu können. Der direkte Shuttletransfer zum Flugzeug halte ich an dieser Stelle für eine funktionelle Zusatzfunktion für das nächsten Update, wenn, so wie in der aktuellen Version des Messers, meine Duty-Free-Einkäufe wieder ins Flugzeug geliefert werden. Einen Minipunktabzug gibt es für die Software zur Lösung der Hungersnot in der Dritten Welt, die ab der siebten Nachkommastelle ungenau rundet.

Darin liegt das Problem: Die Leute wollen kaufen, nicht nachdenken. Und darin die Lösung: Mampfen.

Krassolade. Kreiere deinen eigenen Schoko-Style

Das Gezänk der Weisen

But in a last word to the wise of these days let it be said that of all who give gifts these two were the wisest. Of all who give and receive gifts, such as they are wisest. Everywhere they are wisest. They are the magi.

O. Henry: The Gift of the Magi, 1906.

Heuer schenken wir uns nichts. Uns schenkt auch keiner was, und wer hat schon was zu verschenken. Heuer schmeißen wir lieber mal Sachen raus, die uns vom Wesentlichen abhalten. Als erstes sparen wir uns das Merchandising zum Thema Lebensvereinfachung, zumal ich den Thoreau vor Jahren für eine Mark (und nicht etwa einen Euro) auf dem Ramsch erwischt hab, von dem haben noch unsere Enkel was.

Gewinner der Weihnacht 2008 wird Moritz: Ich werde ihm endlich die Ecke freiräumen, die er für seine Janosch-Decke braucht und die bislang von meinem Plattenspieler belegt wird. “Auf modern machen und dann mit LPs hantieren”, mault Moritz, “ist auf deinen Myspace-Kapellen jetzt auch schon Abspielschutz drauf?”

“Katzen sind ja so gemütlich und romantisch”, maule ich zurück.

“Deine passiv-aggressive Argumentationsweise kannst du dir für deine Frau aufheben”, schließt Moritz ab und bestellt noch Brathendl mit Reis an Sahnesauce.

Dass ich anno 1990 der letzte Mensch in Nordbayern war, der von LP auf CD umgestellt hat, zählt heute nicht mehr als Romantik und Loyalität zur wichtigen Musik, sondern als Rückständigkeit in geradezu selbstverletzerischem Ausmaß. Dabei hab ich es in all den Jahren nie geschafft, auch nur die Skirl o’Carson von meinen alten Nürnberger Lieblingsiren Carson Sage aufzutreiben: 1991 bei den Fürther Musical Tragedies in einmaliger Auflage von tausend Stück gepresst, nie als CD erschienen, schon auf den ersten paar Konzerten rettungslos vergriffen, während ich für die Uni gelernt hab. Das Leben besteht aus verpassten Gelegenheiten.

In der Nacht vor Heiligabend lagere ich meinen Technics-Turm an einem stillen Waldstück zwischen, an dem es nicht drauf ankommt. Mir blutete das Herz, wenn nicht so ein schneidendes Sauwetter wäre.

Am Heiligabend selbst sorge ich für die nötige Weihnachtsstimmung, indem ich ein paar Youtube-Videos mit Weihnachtsliedern bookmarke, damit ich sie nacheinander aufrufen kann. Schon praktisch: Die Spieldauer hält viel länger vor als eine LP, wenn man sie alle drei Minuten anklickt, die Sounddateien knacksen nicht und wiegen keine fünf Tonnen, die man vor und nach jedem Anhören abstauben muss. Wenn es kein DSL gäbe, die Hardcore-Romantiker unter uns müssten es erfinden. Moritzens neuer Schlafplatz mit seiner Janosch-Decke erstrahlt nicht gerade in weihnachtlichem Glanze, aber immerhin abgestaubt; Weihnachten ist ja die wenigste Zeit des Jahres.

Als Moritz die Zeit für die Weihnachtsbescherung geeignet hält, springt er mir mit allen vier Pfoten auf den Bauch und schiebt sich vors Buch. “Hier wird nicht auf urbane Konsumverweigerung gemacht”, schnarrt er, “es ist der Heilige Abend, die Nacht, in der Tiere Musik verstehen.”

“Sie verstehen Musik? Und das ist jedes Jahr?”

“Man könnte glauben, es ist dein erstes Weihnachten.”

“Nein, aber Musikverständnis ist mir bisher noch selten bei anderen Viechern außer mir aufgefallen.”

Moritz, unwillig zu wohlfeilen Sophistereien, lotst mich ins Bescherungszimmer. Dass er eigenmächtig Türen öffnen kann, hinter die er nicht soll, wusste ich. Auf meinem abgestaubten Janosch-Deckenplatz prangt groß und bunt: die Skirl o’Carson.

“Moritz, mein Moritz”, sag ich, “das ist der Platz für deine Decke!”

“Die Janosch-Decke? Vergiss die. Hab ich für deine Carson-Platte eingetauscht. Ein Blogkumpel war so freundlich, der hat die seit 1992 nie angehört und ist inzwischen sowieso eher im Alter für Jazz.”

“Du hast deine Janosch-Decke hergegeben?”

“Für dich, o mein Meister der Dosenöffner.”

“Und dich gar nicht gewundert, wo mein Plattenspieler hin ist?”

“Doch, schon irgendwie. Und was mich deine Renovierungsanfälle interessieren, ist dir bekannt.”

“Stellen wir die Platte halt jetzt schön vor die anderen. Ist ja ein schönes Bild drauf. Das können die wenigsten Youtubes ersetzen.”

“Und ich schlaf jetzt immer bei dir im Bett.”

“Halleluja.”

“Frohe Weihnachten, Meister.”

Es gab dann noch Brathendl mit Reis an Sahnesauce.

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An dem alten Tränendrüsentorpedo (sprechen Sie das mal auf Fränkisch aus…) “Das Geschenk der Weisen” hat mich dramaturgisch immer gestört, dass Della sich die Haare ohne weiteren Aufwand wieder wachsen lassen kann (“Es wird wieder wachsen — du nimmst es nicht tragisch, nicht wahr? Ich musste es einfach tun. Mein Haar wächst unheimlich schnell.“), aber Jim seine goldene Uhr nicht.

Bitte nichts Selbstgemachtes und keine Aktien. Am sichersten sind Überweisungen. Unter unserer bekannten Münchner Adresse werden Geschenkgutscheine und Bargeld entgegengenommen. Am besten in großen Scheinen, das spart Porto.

xkcd, Theft of the Magi, December 2008

Bild: Randall Munroe: Theft of the Magi, Dezember 2008.

Der Globus quietscht und eiert

Update zu Errungenschaft von Dänen und denen, denen Dänen nahestehen:

Diese Woche gelernt:

  1. Es ist weniger wahrscheinlich, von einem Klavier erschlagen, als von Angelina Jolie adoptiert zu werden.
  2. American beer is much like sex on the beach: It’s fucking close to water.
  3. Der Globus quietscht und eiert:

Bild: Mondglobus Nasa Moon Modell 38245. Jetzt schon an Weihnachten denken!

PS: Leider muss ich aus juristischen Gründen an dieser Stelle vermerken, dass das Bildmaterial meinem eigenen Copyright unterliegt, weil ich keine 8000 Euro zuviel hab. Die Bilder sind zur Gaudi auf meinem Flickr-Account, die schenk ich Ihnen.

Adventsrätsel im Konjunktiv

Kaum ist der letzte Totensonntag durchtrauert, droht schon der liebe Advent. In den Endspurt des Weihnachtsgeschäfts wäre the missing link, Ihre Lieblingsagentur für unermüdliches Schaffen und ausgefallene Feiertage, deshalb gern mit einem Adventsrätsel gegangen. Angesichts der Bedenken, dass Bloggen sowieso ja sowas von Web zweinull ist und Preisverleihungen im besonderen von minderem wirtschaftlichen Interesse, verraten wir nur, was Sie hätten erraten müssen und was Sie hätten gewinnen können.

Die Frage wäre gewesen: Wofür wirbt eine Firmen-Site, die unter großem Flash-Aufwand Leute darstellt, die sich gegenseitig über die Möbel querlegen?

  1. Möbel
  2. Youporn
  3. iPods zur ehetechnischen Untermalung

Richtig wäre selbstverständlich Antwort 1. Ob die verantwortliche Firma Love Your Mouse, Tok & Stok oder Cannes Lions 2005 heißt, wollen wir gar nicht wissen, weil wir unsere eigenen Werbebotschaften immerhin eindeutig genug zu formulieren pflegen, dass man den Firmennamen unseres Kunden erkennt.

Was es für diese einfache Multiple-Choice-Aufgabe zu gewinnen gegeben hätte? Nun, der derzeit grassierende Gratis-Bildschirmreiniger hätte genügen müssen.

Und damit zum Ausklang noch was Besinnliches: Die Biermösl Blosn featuring die Toten Hosen, Campino am Triangel.

Errungenschaft von Dänen und denen, denen Dänen nahestehen

Dänisches SturmglasWomit Darwin die Stürme rund um die Galápagos-Inseln witterte, könnte sich the missing link, Ihre Lieblingsagentur für wissenschaftliches Wohnen und Deep Thought Blogging, ab Weihnachten an die Wand nageln.

Das dänische Sturmglas wird seit 1750 auf Segelschiffen für die Sturmwarnung verwendet. […] Das in dänischer Manufaktur hergestellte Glas ist heute noch ein zuverlässiges Instrument für die Wettervorhersage. Und sicher auch das geheimnisvollste.

Es besteht aus einer hermetisch abgeschlossenen Glasröhre mit einer gesättigten, farblosen Kupfersulfat- oder Campher-Alkohol-Lösung. In dieser Lösung wachsen bei Wetteränderung Kristalle. Anhand der Größe und der Form können Sie das Wetter bestimmen. Bis heute gibt es keine genaue Erklärung für die Funktionsweise. Der Wissenschaftler Hans Baumer konnte Temperatur und Druck als wesentliche Einflussfaktoren ausschließen: Er zeigte, dass die Größe der Kristalle mit dem Auftreten elektromagnetischer Längstwellen, die in Tiefdruckgebieten entstehen, zusammenhängen. Ungeachtet der Erklärung, gibt es keinen Zweifel, dass es funktioniert.

"Bis heute gibt es keine genaue Erklärung für die Funktionsweise": Für die 139 Steinchen kann man wenigstens verlangen, einen Moment lang in Ehrfurcht vor der Schönheit solcher Grenzerscheinungen zwischen Natur und Technik verharren zu dürfen. — Auch haben?

Bild und Beschreibung: Bild der Wissenschaft.

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