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Monat: Mai 2014

Lieblingsbiber

Heinrich Ignaz Biber, Violinsonaten Nr.1-8, 1681Der auf ganz bescheidene Weise beste Satz der Woche steht in meiner Lieblingsabteilung, und darin in meiner Lieblingsunterabteilung, allein schon wegen des Namens: Alte Musik Neuheiten. Und darin auf den Violin Sonatas von Franz Biber:

Mit unglaublicher Musizier- und Fabulierlust bringt Andrew Manze uns seinen Biber nahe.

Hach. Wenn es diese Neuheit von 1994 jetzt auch noch auf die Spiegel-Sammlung Die besten guten Klassik-CDs schafft, brauch ich nicht mal mehr den Postillon, sondern allenfalls noch eine Sammlung “Die besten Scheiß-CDs”.

Und das halten die Leute für ernste Musik.

Soundtrack: Heinrich Ignaz Franz Biber:
Violinsonate 2: Praeludium/Aria e variatio/Finale,
Trio Romanesca.

Biberbild mit Kranich: Heinrich Ignaz Biber (1644-1704):
Violinsonaten Nr.1–8 (1681)
, Doppel-CD.

May contain language/Kann Spuren von Aussagen enthalten

Alle Welt hat dieses Buch gelesen, aber sich noch niemand erschossen. […] Ich weiß aber, daß einer sich erhängt hat, der einen theologischen Schrieb gegen Goethe bis zum Ende durchgelesen hat.

Christian Gottlieb Hommel, 1778.

Nach dem Essen, Rauchen, Vögeln und Radfahren wurde endlich auch das Bücherlesen als gesundheitsgefährdend erkannt — ausnahmsweise kein Witz, und vorerst nur in Amerika, wo alles Gute herkommt, das erfahrungsgemäß fünf Jahre bis Europa braucht. Bücher (und die alten Papierstöße, die ebenfalls Bücher heißen) sollen deshalb im weiteren Verlauf Trigger warnings tragen, die Schwangere, posttraumatisch Belastete, Minderjährige und Simpel vor den Folgen des Lesens bewahren.

Warum ich das verstehe: Auf CDs und Computerspielen muss ja auch irgendwo draufstehen, wenn irgendwann in den siebzig Minuten einer kurz “Fuck” dazwischennuschelt: “Contains explicit lyrics”; Museen sind gehalten, ihre letzten gelangweilten Rentner zu vergraulen, indem sie das “Material” anprangern, das “manche Besucher als verletzend empfinden” können. Die fürsorgliche Zensur, die keine sein mag, hebt uns also schon niemand mehr auf.

Dolly's Underworld of Edits, 9. Januar 2014Beim Konsum schon geringer Dosen Marcel Proust werden häufig Anfälle von Narkolepsie beobachtet. Beim Hinaufkraxeln zum Buchstaben A in der Stadtbücherei hat’s mich als Kind mal fast von der Leiter grebröselt. Die leichtfertigen Ermutigungen in “Fifty Shades of Grey” (ich hoffe, das ist nicht übersetzt…) führen immer wieder zu Haushaltsunfällen — der häufigsten Todesursache nach dem Missbrauch von Tabak und Lebensmitteln. Wenn also heutzutage immer noch das Gehen auf Straßen, das ungeschützte Kochen von Kaffee und das Betreiben von Wäschetrocknern, in denen sich Personen und Wellensittiche aufhalten können, legal sind, muss wenigstens jeder Nutzer von Bierflaschen und Büchern jedes liebe Mal wieder darauf gestoßen werden, dass einem von Frank Schätzing mindestens so schlecht wird wie von Oettinger Hell. Überhaupt rechne ich seit jeher zu meinem Recht auf freie Information – und schätze es hoch –, dass ich Sachen, die ich nicht vertrage, nicht lese.

Warum ich das nicht verstehe: Wer geldwert arbeitet, kann gar nicht risikofreudig genug sein. Ein Job, der nicht gleich eine “Herausforderung” ist, kann nur liederliche Freizeit sein. Und in der Freizeit, die man sich politisch noch nicht so recht der freien Verfügung des Arbeitsviehs zu entwinden traut, muss es am sorgfältigsten beaufsichtigt werden. Aber Shakespeare stiftet zum Antisemitismus an (“Der Kaufmann von Venedig”!), E.T.A. Hoffmann zur Verhöhnung von Obrigkeiten (“Meister Floh”!) und zum Saufen (“Der goldne Topf” u.ö.), Erich Maria Remarque zur Vorbereitung eines Angriffskriegs und Rosamunde Pilcher zum voreiligen Auswandern nach Cornwall? Die neue, viel weiter reichende Qualität daran ist, dass nicht mehr moralisch zum Schutz von Minderheiten argumentiert wird, sondern gesundheitlich. Eine Zensur findet nicht statt. Eine Frechheit schon, aber die steht in keiner Landesverfassung.

Warum ich das überhaupt nicht verstehe: Seit wann wird Literatur so ernst genommen? Zuletzt ist das mit dem “Werther” passiert, der “eine Empfehlung des Selbst Mordes” sein sollte. Aber das war punktuell in einzelnen Städten, voran Leipzig, mit einem einzigen Buch, und es war 1775, tief im Feudalismus, kurz vor der Französischen Revolution. Und ich bin nicht sicher, ob das hierher gehört.

Ungesunder Lesestoff: Dolly’s Underworld of Edits, 9. Januar 2014.

Meistens ist offen.

Türschild Geschäftszeit Antiquariat Hauser, Schellingstraße 17, München

Die Stunden verrannen unmerklich, und noch immer schritt ich mit hungrigen Augen prüfend von Regal zu Regal, als ich in einer Ecke einige grosse, eben erst geöffnete Kisten erblickte und bei ihnen den Buchhändler, wie er sorghsam Band um Band heraushob, aus der Papierhülle befreite, aufmerksam die für seine Kataloge erforderlichen Angaben notierte und nach kurzerm von jahrelanger Übung zeugender Überlegung, rasch und sicher neben jedes Buch seiner Liste den Preis setzte. Ich trat hinzu und fragte nach Herkunft und Inhalt der Sendung; worauf er mir, mich mit den alten klugen Augen ansehend, vertraulich und wie einem Eingeweihten seine Auskunft erteilte. Die Bücher kamen aus Upsala und enthielten in bunter Reihenfolge Werke von Holberg und Sars, seltene Nachdrucke älterer deutscher Dichter wie Fouqué und Wieland und ganze Reihen von Öhlenschläger Ausgaben und Übersetzungen. Ich griff nach dem nächsten Stapel und sah eine Ausgabe der Werke von E.T.A. Hoffmann in 10 Bänden, Berlin, 1827–28 in entzückenden grünen Einbändenmit goldenem Rückenschildchen; ich hatte zufällig den Band herausgegriffen der die “Prinzessin Brambilla” enthielt mit ihren Kupfern nach Jacques Callot, den phantasstischen Masken und ihren seltsamen Tänzen, und dachte der Stunden, da ich zuerst bei sommerlichem Lampenschein die Erzählungen des Kammergerichtsrates las und in ihm den großen Zauberer und Dichter verehren lernte.

Arno Schmidt: Die Insel, 1937, Einleitung,
in: Bargfelder Kassette 1, Juvenilia.

Bienen-Porn

DEM KATER SÎN BLOG: Hier spricht der Kater.

 „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“
Albert Einstein

Rosa Tulpe mit Stempel innen

Diese schamlosen Tulpen.
Sex, Sex, nichts als Sex im Sinn, den ganzen Tag!!

Sex in Filmen, auf Plakaten.Jetzt auch noch die Blumen!
Ich roll mich lieber wieder in mein Körbchen.

Tulpen, ihr werdet gescholten von sentimentalsten Kennern, Aber ein lustiger Sinn wünscht auch ein lustiges Blatt.
Johann Wolfgang von Goethe 1749 – 1832

 

 

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