Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Kategorie: Der Mittelstand im wirklichen Leben (Seite 1 von 5)

Buenos Dias, wir wollen uns mal unterhalten

Dia-lekt

Dia-lekt, der: diálektosgriech (διάλεκτος) ‘Sprache der Unterhaltung

 

In München nicht Sprache der Unterhaltung

Sondern Sprache, die kein Mensch nicht kennt.

In München ist es ja so, dass man als zart mit dem fränkischen, weich-rollenden R ausgestatteter Exil-Franke kaum noch den gepflegten echten Münchner Zungenschlag hört. Dafür mehr so hochdeutsche abgehackte, kehlkratzige R-Krächzer aus Braunschweig, Hannover oder Münster: ‚Wo geht es denn hier zum Spocht-Stadion?‘

Was gelegentlich dazu führt, dass meinereiner entweder für so ein seltenes münchnerisch sprechendes Exemplar gehalten wird (nein!) oder gleich für eine Art Hausmeister. Auch nein. Nur weil ich mal midm Besn für Kinder und Hunde gefährliche Glosscherm oder Kippenstummel der Zigareddnbörschla wegfege.

Könnt’ einigen stehen, vom Wind umgschmissne Blummadöpf aufzurichten, schorfa Scherm (scharfe Glassplitter) wegzumachen oder dode Jungvöcherla zu beerdigen, anstatt vornehm zu versuchen, über das Zoich drüber zu steigen.

Wo bin ich stehengeblieben? Achja, beim Fehlen des lieblichen Sounds weicher Rs und gar lieblichen, verhaltensoriginellen Wörtern wie Bissguhrn. Was für ein weicher Klang.

 

Dialekt, der Sound der Heimat, sounded nicht mehr in der Heimat

Er sounded nur noch nei in Literaturbetrachtungen und in von Idealisten verlegter Heimatliteratur. Dafür wird er dort gepriesen wie sonst nur noch in Kochsendungen der luftgetrocknete Schinken aus Apulien oder in der ARD-Mediathek seltene Cellokonzerte. Cello kann auch keiner spielen, aber schön, dass es diesen antiken Holzkasten noch gibt, aber hey.

„Du bisd ja a schöns Früchtla!““ © Vroni Gräbel

Im Alltag wird er und sein Reichtum an Wörtern nicht gepriesen, sondern aktiv vermieden.

Weil man mit ihm nicht ernst genommen wird, sondern hoddigschwind zum elendichen Volldebbn mutiert. Innert ungefähr 1 Sekunde, nachdem der weiche Schall den Mund verlässt.

 

Er ist schön phonetisch und sprachlich kreativ

Dennoch verrät man sich heute nur noch als unterschichtiger Doldi, wehe wenn man ihn spricht.

Vielleicht dient er noch als uriges Kolorit für Touristen, die meist nicht einmal Hochdeutsch verstehen, die aber auf Schützen- und Bierfeste gehen, das ja. Dabei muss man trotzdem erlesen höflichen Japanern auf Schul-Französisch erklären, wo es zum öffentlichen Pottschamperl geht.

Oder vielleicht noch bei Huber mit-ohne den Staller, oder wenn der BR einen Bürgermeister aus Oberzupfing oder Unterdingharding interviewt. Der derf. We will appreciate it.

Das ist die zweischneidige Sache mit dem Dialekt. Er ist eine schöne Medien-Leich.

Wunderschöner Januar, außer:

Wenn der Kaminkera einmal klingelt

Der Kater bloggt.

Die Flammen im Kamin sind wie Gedanken, die im Dunkeln leuchten.

Victor Hugo

Wenn draußen der Winter tobt, findet man im Kamin die Wärme des Herzens.

Pierre de Ronsard

Aquarell: Zündflämmchen  © 2024 Vroni Gräbel

Die Kaminkera, das sind schwarze Männer mit schwarzen Taschen und schwarzem Hut, die zu Jahresanfang gleich nach den Sternsingern – einem ähnlich lustigen Volk – auf niederbayrisch Einlass begehren, um des Katers Lieblingsstätte, den Kaminofen, zu untersuchen. Das ist sehr stressig für einen Katz, der naturgemäß Fremde nicht mag und schwarze Männer mit schwerem Schuhwerk im besonderen. Und weil er dann nicht an seinen Kaminofen kann.

Da der Kaminkera (bayr. Schornsteinfeger) endlich da ist – und endlich auch wieder weg, kann sich der notorisch Kaminkehrer-flüchtende Kater nach 14 Stunden hoch oben im unbequemen Kleiderhochschrank wieder entspannen, runterklettern und sich seinen interessanten Dingen widmen. Doing things. Für ein Jahr. Dann geht der Schwarzmann-Zirkus wieder los.

Money makes the World go round …

Naturzerstörung einfach gemacht: Beispiel Forst Oderberg

Der Kater bloggt.

 

Zu viel Photovoltaik: Bayerisches Stromnetz am Limit. (Bayrischer Rundfunk, br.de)

Schwächelndes Netz in Brandenburg: Viel Strom, zu wenig Leitung. (tagesspiegel.de)

Die Schwemme an grünem Strom verstopft und destabilisiert die Netze. Ökonom Manuel Frondel, https://www.nzz.ch/wirtschaft/

 

Oder hier: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wenn-windraeder-baeume-verdraengen-fuer-den-wald-ist-es-eine-katastrophe-spiegel-tv-a-20732808-4e4c-4219-89a8-29b8d4854d68

Auszug daraus: „Die Bundesregierung hat das Naturschutzgesetz geändert. Das heißt: Ab jetzt müssen auch Landschaftschaftsschutzgebiete dran glauben. Für Investoren ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten.“

 

Mein Kommentar zu diesen Widersprüchlichkeiten

Auf der einen Seite massivst in PV und Windanlagen von Geschäftemachern investieren lassen – auf der anderen Seite kann dieser Strom nur unzufriedenstellend genutzt werden, weil das unterentwickelte Stromnetz diese Strommenge überhaupt nicht tragen kann, der Strom daher entweder gar nicht erst eingespeist werden kann oder billigst exportiert werden muss.

Das leuchtet vielen Leuten nicht ein – sie wollen keine zerstörten Wälder und wollen nicht gleichzeitig unter sehr teurem Strom leiden.

Irgendwann kommt jeder an den Punkt, ab dem er versteht, warum viele, vor allem aber die ‚Ostbevölkerung‘ die Politik der Grünen und Wessies so heftig ablehnen.

Der Umweltminister Brandenburgs, der nichts gegen diese Rodungen unternimmt, ist Axel Vogel, kommt aus Bochum, dann Bayern – und ist Gründungsmitglied der Grünen.

Non olet - doch jeder m² zählt

Schlechter Saisonstart für ein paar m² Garten

Der Kater bloggt.

 

Schau tief in die Natur, und dann wirst du alles besser verstehen. Albert Einstein

2021-07-23 biowaste 01

Tiefer Blick auf gemischten Biomüll in der Tonne: Küchenabfall und Kaffeepads Achim Raschka, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

 

Heckenkahlschlag

Verwaltung verpennt es, rechtzeitig vor dem März den Profi zum Heckenschneiden zu bestellen. Darob ward es Mai. Heckenschneiders kommen dann doch. Pecunia und so weiter. Rasieren die dicke Hecke über dem Müllhäuschen und entlang der langen Mauer komplett auf Stumpf ab, weil vorgeblich kein Nest gesehen. Nachbarin sagte, dass doch Nester.

Doch das ist sogar unerheblich: Hecken dürfen am 1. März auch ohne Nester nicht auf Stumpf geschnitten werden.

Das Bundesnaturschutzgesetz sagt das. Hecken bieten auch Klein- und Kleinsttieren (Insekten, Käfer, Schnecken), nicht nur Vögeln, Schutz und Nahrung. Dieses Gesetz darf gern nachgelesen werden, steht im Netz. Stichworte ‚Heckenschneiden’ ‚Frühjahr’ ‚Verbot’.

Die Hecke fehlt den Tieren schon jetzt. Habe die Beobachtung gemacht, dass sich von den vielen Blattläusen auf der einst prächtigen Hecke Meisen ernähren, die in den letzten Jahren verstärkt den Garten besuchen. Es zieht sie an.

 

Aber jetzt

Mauer kahl und Müllhäuschen nach oben nackt – ohne dicke Grünzeugbedachung.

Für Stockwerke mit Balkon wird es im Sommer so sein, dass ohne das dämmende Grünwerk, das Hitze und Geruch abhält, der Biomüll aus seinen energetischen Tiefen brutal nach oben stinkt.

Im Kleinen wird auf jedem popligen m² trotz guter Absichten aus Zeitnot oder Nachlässigkeit und Unwissenheit der Natur systemisch und systematisch der Garaus gemacht. Das nur ein Beispiel im Kleinen für überall im Land. Und am Ende wird sich selbst geschadet, Wohnqualität im Kleinen wird schlechter, Gestank, keine Vogelstimmen mehr außer den Krähen. Immer heißere Städte, Insekten- , Vogel- und Artensterben im Großen.

Jeder Quadratmeter zählt.

 

Heute leicht angefressen

Der Kater

 

Bußgeldkatalog: https://www.bussgeldkatalog.org/umwelt-hecke-schneiden/

Was wäre gewesen, wenn man von Anfang an dem Müllhäuschen, das einst oben offen gebaut wurde, einfach ein Lattendach verpasst hätte? Auf dass die Hecke darüber fröhlich wachse, ohne in den Innenraum zu wuchern.– Was der Grund ihrer ordnungswidrigen Entfernung zur Unzeit war.

Was wäre, wenn man es endlich jetzt macht?

 

Arbeitsbedingungen bei Kreativschaffenden

Keine zehn Pferde

Keine zehn Pferde bringen mich je wieder in eine Agentur

Geschweige denn an ein Filmset

 

Manche mögen es – ähnlich dem berühmten Ficus Benjamina – gemeinhin etwas gröber. (Zitat memoriert aus dem Film ‘Männer’. Der Ficus wurde im Film später von einem unbotmäßigen Sittich namens Schewardnadse, ähm entlaubt.)

 

Nicht dass es in einer Agentur toujours so zuginge wie aktuell an den Filmsets eines bekannten deutschen Filmregisseurs.

Doch. Ähnlichkeiten gibt es durchaus.

Omnipotente Chefs, die herumbrüllen, plötzliche Konzeptänderungen von Ihrognaden, wenn eigentlich alles morgens um acht fertig gebügelt und geschniegelt sein soll – inklusive der unvermeidbaren Handouts. Welche sich auch nicht von alleine herstellen.

Der unmaßvolle Konsum von Alkohol.

 

Black Rat Snake (Central Illinois) Urheber: American Lotus, CC Wikipedia

 

Übernächtigte Mitarbeiter, die trotz vier Stunden Schlaf – erst gegen drei Uhr nachts fertig geworden – wissend und absichtlich als Newbie morgens um acht extra mit Order per Mufti einbestellt wurden (Befehl). Sonst konnte man seine Sachen packen. Für die interne Endpräsi. So etwas wie eine Generalprobe unter vom CEO als normal betrachteten giftigen Bedingungen: Kritikhagel statt konstruktive Anmerkungen. Motto: Das muss man doch aushalten können. Um als Neuzugang weinend vor versammelter Restmannschaft gedemütigt zu werden, weil sie eine halbe Stunde verschlafen hatten. So geschehen einer fähigen Kollegin.

Ausbeutung von Praktikanten aus der Hochschule, wo sich selbst der Hochschul-Dekan eingeschaltet hat, um das abzustellen und keine mehr hinließ. Seines Zeichens selbst ein Arbeitstier mit olympischen Augenringen. Also wenn selbst der.

Nicht dass es in einer Agentur toujours so zuginge wie am Filmset bekannter Regisseure: Bossing-Schlangengrube plus Unterlaufen von Arbeitsrechten. Brüste mussten da von Casting-Newbies gemeinhin nicht gezeigt und be-eddingt werden. Demütigungen anderer Art jedoch: täglich.

 

Keine zehn Pferde würden mich je wieder in eine Agentur bringen.

Nicht alle Agenturen sind so, gewiss. Es gibt die, bei denen Kreative in halbwegs angenehmer Atmosphäre ohne von allzu viel Machtspielchen behelligt zu werden, produktiv, konstruktiv und in Ruhe arbeiten können.

Gewiss.

Jedoch.

Die Branche, egal ob Film, Sound, Media oder Design ist seit Jahren massiv unter Druck. Die Kosten, die Bedingungen, der schnelle Rhythmus. Mit in Folge Ausbeutung der Kreativen und einem übertriebenen Selbstverständnis der ‘Who is Who’. Wobei normale Kreative dazu neigen, sich grundsätzlich zu den elitären ‘Who is Who’ zu zählen. Gutes Selbstbewusstsein braucht man doch, aber hey! Bis sie merken, dass sie es doch nicht sind und ein Leben lang zu unsäglichen Bedingungen ‘spuren’ müssen, weil sie Masse sind.

Wenn angestellt sein in Agenturen schon nicht das große Los ist: Kreative Soloselbständige sollten sich einen lukrativen Hauptberuf suchen, um sich solchen ‘Marktkräften’ nicht komplett ungeschützt ausliefern zu müssen.

 

Wenn du dich trotzdem da reinbegeben willst, erzähle es nicht deiner Mama

Außer ihr gehört das Unternehmen, für das du kreierst. Gewiss. Ansonsten: Erzähle ihr irgendwas mit Computern.

Oder außer dein Onkel oder Papa hat ein großes Unternehmen, ist ein Anständiger, und will dich ein Leben lang als Leaddesigner für seinen Markenauftritt installieren. Dann hab ich nichts gesagt. Bedenke dabei immer, Beziehungen, Ämter und solide Unternehmen sind nicht mehr von Dauer. Eher wie Rauch und Nebel: schnell weg, Exit, filettiert, verkauft, irrelevant, aufgelöst. Wie die Leoni Drahtwerke, wie Karstadt, wie Hersteller von Gasthermen, die sich nicht rechtzeitig umgestellt haben. Wir leben in hastigen Zeiten.

 

Verfasser ist Designer mit Hochschulabschluss, hat in Groß- und Mittelagenturen in leitender Position gearbeitet, zwischendurch und später als Freiberufler. Nicht alle Erfahrungen waren negativ, das Verhältnis war zwei Drittel positiv und ein Drittel negativ. Die letzten Jahre vor und nach Corona waren trotz gewitzter Erfahrung im Umgang mit Egomanikern aller Art: aufreibender als je zuvor.

 

Endlich enthüllt: Warum aus mir nichts geworden ist

Aus einer Kleinstadt zu stammen muss ein verbreitetes Schicksal sein; besteht Deutschland ja zur Hauptsache nicht aus seinen paar Metropolen, sondern aus der endlosen Steppe dazwischen, die im unbeholfenen Jargon der Eingeborenen (“Deutsch“) Provinz heißt.

Wenn man schon zwischen Stadtkindern und Landeiern unterscheiden muss, ist man als gebürtiger Kleinstädter in urbanen Umgebungen immer der einzige, der die Leute fragt, ob sie bei den Schützen oder bei der Freiwilligen Feuerwehr sind, und auf dem Land der einzige, der seit Jahrzehnten mit keinem Luftgewehr mehr geschossen hat, nicht am Motorengeräusch erkennt, dass in sieben Minuten der Metzen-Willi seinen Birngeist vorfinden will, und in der Stube rückwärts über den schlafenden Hund stolpert.

“Kann man”, fragt Vroni, “kann man das nicht auch so sehen, dass man auf dem goldenen Mittelweg geboren ist und sein Leben lang aus the best of two worlds besteht?”

“Kann man schon”, sag ich.

“Wolfwolfwolf.”

Soundtrack: Lael Neale: For No One For Now,
aus: Acquainted with Night, 2021.
Das ist die mit dem Omnichord; siehe
ihre Würdigungen im Zündfunk und im Tagesspiegel:

Die 3 von den 7 Todsünden

Bräsigkeit, Kleinlichkeit, Geiz – und fehlende Beherztheit

Der Kater bloggt

 

Beherzt ist nicht, wer keine Angst kennt, beherzt ist, wer die Angst kennt und sie überwindet.

Khalil Gibran

Mutige Katze

 

Man muss diesen beamtigen Kleinmut ablegen und Visionen für die Zukunft entwickeln.

Das Volk und seine Medien aber schleppen sich seit Jahrzehnten mit einer bräsigen Lustlosigkeit und einer merkwürdigen Vermeidungshaltung und willfährigen Pseudo-Loyalität durch die Gegend, die katastrophalen Dinge nicht anzusprechen. Die beherzt anzusprechen sind.

Es war leider immer so: mickrig angelegte Großzügigkeit, spitzer Buchhalterbleistift, Faxgerät, Empfangsbeleg.

Diese Dinge haben zu Corona eine wenig angenehme nationale Charaktereigenschaft verstärkt bis zur Kenntlichkeit. So besiegt man keine Probleme, man verstärkt sie.

 

Es grüßt
der großzügige Kater
kein Fax seit 2008

– Leben und leben lassen –

 

Die 7 Todsünden:

  1. Stolz
  2. Habsucht
  3. Neid
  4. Zorn
  5. Unkeuschheit
  6. Unmäßigkeit
  7. Trägheit oder Überdruss (acedia)

 

Der CSU nachträglich zu ihrem fünfundsiebzigsten

Marihuana verdammen und dazu Schnaps ausgeben

Der Kater bloggt.

 

O, wie der Falschheit Außenseite glänzt!

William Shakespeare (Der Kaufmann von Venedig)

 

 

Die Stammtischpartei, die alles darf, was der bayrische Bürger hinter vorgehaltener Hand auch darf: sich gegenseitig reinlegen, Suff-Fahrten, hinterkünftige Vetternwirtschaft, gieriges und scheinheiliges Gekungel um Grundstücke, samstags ab in den Beichtstuhl und am Sonntag gebadet, flauschig gefönt in die Katholische Messe gehen.

 

Glückwunsch!

Der Kater

 

So schnell geht’s

Vor der Kneipe
gönnt sich der
Home Office Agent,
der eigentlich noch
den Zusammenbruch verwalten
muss, ein Weißbier,
lässt sich die
Atemmaske auf die
Brust baumeln, reibt
sich die Augen
und raucht eine.

Soundtrack: Nachdem Son of the Velvet Rat: I Will Survive, aus:
Reaper, 2013 (am besten live in der Wiener Sargfabrik, 26. April 2018) nicht verfügbar ist:
derselbe featuring Lucinda Williams: White Patch of Canvas,
aus: Red Chamber Music, 2011:

Die Menschen ändern sich nicht.
Realitäts-Check 2020

Es bloggt der Kater.

 

Ich muss völlig betäubt sein,
um die Welt zu ertragen, die wir geschaffen haben.
Wenn ich mich jetzt zurückziehe,
wenn ich hinaus in die Natur gehe und mich beruhige,
dann kann ich im meiner Welt sein.
Und wenn ich in meiner Welt bin,
dann weiß ich im tiefsten Innersten meiner Seele,
dass wir aufhören müssen, sie zu zerstören.
(Anne Wilson Schaef)

 

 

Diverse Verwandtschaftsbesuche auf dem Land, aber auch in der Stadt.

Es wird von den Gastgebern weiterhin Auto gefahren, es wird weiterhin in den Skiurlaub gefahren, man hat weiterhin zu warm geheizte Wohnungen.

Man stört sich nicht an der neu zu bauenden breiten Umgehungsstraße. Man will weiterhin in seinem im Sommer von langen Klimawandel-Dürreperioden heimgesuchten Garten tiefgrünen samtigen englischen Rasen haben (Realitätscheck: seit Jahren gelb, stark vermoost, nährstoffarm und trocken).

Man schimpft über die Kräuterwiese des Nachbarn, welche bei Westwind den Samen rüberwehen lässt und den eigenen Rasen verschandle. Man kauft weiterhin immer neue Outfits.

Über die Klimakrise wird nicht geredet. Man will sich nicht mit Problemen belasten.

Ich nehme das auf, sage nichts dazu. Wie es ist, wenn ich etwas dazu sage, weiß ich aus unschönen Teenie-Tagen.

Meine Wenigkeit fährt mit der Bahn hin und wird beim Besuch auf dem Land den Eindruck nicht los, als Bahnticketkäufer als ineffizienter Loser betrachtet zu werden. Mein Befürworten einer herrlich duftenden Kräuterwiese, ideal bei nährstoffarmen Böden, löst den leeren Blick aus, den man Hippies gegenüber pflegt wenn man auf sich hält. Man wechselt unverzüglich das Thema.

Unangenehme Stimmungen von früher klopfen bei mir an, die ich abschütteln will.

Bei Tines Grab gewesen. Die Grabfläche besteht zu 80 % aus poliertem rosa Granit, quasi ein versiegelter Steingarten. Er bietet kaum Platz für individuell Gärtnerisches. Beim letzten Mal störte mein Mitbringsel (bunt blühende Hyazinthen statt toter Schnittrosen) wohl die streng eingehaltene Trauer-Lila-Erika-Standard-Minimalgestaltung. Bringe diesmal 2 Töpfchen Christrosen mit. Für ein anderes Grab.

Wolf, der einen von zwei Besuchen auf dem Land mitgefahren ist,  freut sich, in der Bahn endlich zügig und konzentriert ein Buch gelesen zu haben.

Einer der weiß, wie man die Bahn nutzt.
Die schöne Erfahrung, dass Kräuterwiesen ein Erlebnis sind und dass Bahnfahren samt Bücherlesen kein Zeitverlust ist. Sondern das Gegenteil.

I, Yoky [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)]

Heimkommen in der Stadt fühlt sich gut an.

Gruß

Der Kater

 

Das ist der wahre Untergrund

Wie viele Zeitungsartikel trifft man im Laufe eines Lebens, die einen auf Jahrzehnte hinaus beeindrucken? Es läppert sich. An einen meiner persönlichen drei wurde ich gerade kürzlich erinnert, als Hedwig Müller, die Wirtin vom Kropfersrichter “Happy-Rock” (an der B 85 bei Sulzbach-Rosenberg, wer’s kennt), 92 (in Worten: zweiundneunzig) wurde:

Das sind die die Sachen, die Kultur ins Leben und Leben in die Kultur tragen, oder genauer: lebenswert machen. Und sie bestehen unabhängig von Lebensalter und Region:

——— Christian Kortmann:

Let it rock

in: Die Zeit 18/2000, 27. April 2000:

Minutenlange Gitarrensoli, Ausdruckstanz, Mädchen, die Luftgeige spielen — im “Mobile” in Bad Salzdetfurth ist alles erlaubt, was in der Großstadt noch als uncool gilt. Und das ist gut so. Ein Abend in der Rock-Disco

Mittwoch ist Rockdisco-Tag. Um 20.30 Uhr wird ein solider Mainstream-Film (Flatliners) gezeigt und anschließend gerockt, so einfach ist das. Also fährt Andreas mit mir am Mittwochabend nach Bad Salzdetfurth ins Mobile. Gestern habe ich behauptet, dass uns eine Renaissance der harten Rockmusik und ihrer Gitarrenvirtuosen bevorsteht. Andreas, Musikexperte und langjähriger Gitarrist, schüttelte den Kopf und belehrte mich, dass der Hardrock kontinuierlich neben allen musikalischen Moden in einem Paralleluniversum zelebriert werde: “Das ganze Gerede von Clubculture und performativer Feier des Körpers ist doch Quatsch. Ich zeige dir, wo der Körper mit all seinen Schwächen wirklich gefeiert wird!”

Nur wenige Fahrzeuge sind auf der Landstraße unterwegs, dann tauchen links und rechts die Salzberge und Kalifabriken der Kurstadt auf. Das südniedersächsische Bad Salzdetfurth teilt mit Lüdenscheid den Ruhm, durch einen Komiker bekannt geworden zu sein. Dort war es Loriots “Herr Müller-Lüdenscheid”, hier Harald Schmidt, der in Schmidteinander regelmäßig fiktive Zuschauerbriefe von “Gabi aus Bad Salzdetfurth” verlas. Es gibt wirklich nicht viel in Bad S., außer Salinen und Rentnern im Sommer und seit über 30 Jahren das Mobile, eine “Hard Rock, Funk, Reggae, New Wave”-Discothek, die laut Eigenwerbung “Famous & Fantastic” ist. Wir parken auf dem hauseigenen Parkplatz mitten in einem Wohngebiet, wo man sich traditionell noch im Auto zur elfminütigen Live-Version von Stairway To Heaven eine Grastüte reinzieht.

“Voilà”, sagt Andreas, “willkommen im Uterus des Rock ‘n’ Roll!” Von innen erinnert das Mobile an die Scheune auf dem Cover von Neil Youngs Harvest. Links und rechts erheben sich Emporen mit alten Polstersesseln, und in der Mitte liegt die Tanzfläche, kurz: ein Raum, in dem in amerikanischen B-Movies Dorfversammlungen abgehalten werden, wenn eine Invasion der Außerirdischen droht. Auch hier versammelt sich eine Gemeinde, und was sie eint, ist die Liebe zur Gitarrenmusik alter Schule. Die Wände sind mit kultischen Motiven aus den siebziger Jahren, der großen Zeit der Supergruppen, geschmückt. Es gibt ein aufwändiges Dark Side Of The Moon-Fresko, und an der Decke hängt zwischen kokonartigen Lampions ein fliegender Stuhl des Yes-Designers Roger Dean. Und dann ist da noch eine Wandmalerei, ein Fensterblick auf die offene See, die rhythmisch von einem Scheinwerfer angestrahlt wird. Man spürt, dass dies hier ein magischer Ort ist, ein Teil vom Netzwerk des geheimen Lebens. Denn solche Etablissements existieren überall, heißen Point One, Exit, Farmer’s Inn, Rockfabrik oder Schlucklum und liegen in Dörfern wie Uetze oder Lucklum, doch sind sie außerhalb ihrer Klientel nicht bekannt. Anders als bei Techno handelt es sich um eine Subkultur ohne Lobby, das ist der wahre Untergrund: Für den Rockdisco-Besucher ist der ästhetische Code der Großstadt ungültig. Trotz der realen und medialen Vorherrschaft der Clubculture nimmt er sich das Recht, nach wie vor uncool tanzen zu gehen.

Die Liturgie ist dabei genau festgelegt, denn der DJ darf keine eigenen Platten mitbringen, sondern muss sich aus dem Repertoire bedienen, das alle Favoriten der Mobile-Stammgäste enthält. Nirgendwo sonst könne der DJ es sich erlauben, mit verschränkten Armen neben seiner Holzbude zu lehnen, während ein Musikstück läuft, sagt Andreas, der uns erst mal zwei Flaschen Einbecker Brauherrenpils holt. Verglichen mit dem Kopfhörer-Heftpflaster-Reinhör-Markier-Gewese des Techno-DJs, ist es schon extrem lässig, so im Westernerstil an der Saloontür zu lehnen und auf das einsame, weite Land der Tanzfläche zu blicken. Zu Mike Oldfields verspielten Gitarrensoli will und kann nun mal niemand tanzen, doch ein selbstbewusstes Lächeln steht im Gesicht des DJs. Er vertraut auf die Kracher, die er sich am Musikpult zurechtgelegt hat. Dann tritt er ins Innere der Holzbude, lässt eine Platte aus der Hülle gleiten und legt sie auf.

Schon springen die Aficionados von allen Seiten herbei und tanzen in Jeansjacken und Lederwesten zu langen Passagen von Aphrodite’s Childs Konzeptalbum 666 und anderen Liedern von ungeahnter Tanzbarkeit wie Tori Amos’ Cornflake Girl. Auf den Bänken und Amphitheaterstufen rund um die Tanzfläche sitzen dunkel gekleidete Gestalten mit angezogenen Beinen, hier und da glimmen selbst gedrehte Zigaretten. Man kann im Mobile sowohl ekstatische Lebenslust wie apathisches Abhängen beobachten und fragt sich, wieso Vergnügen und Langeweile so eng miteinander verknüpft sind. Liegt es daran, dass die Rockdisco-Nacht streng ritualisiert ist? Schließlich werden nur bekannte Lieder gespielt, die immergleichen aus dem langsam nur sich erweiternden Rockdisco-Kanon. Es fehlt der Reiz des Neuen, der sonst ein wesentlicher Bestandteil von Jugendkultur ist. Hier jubeln die Tanzenden, wenn ihr Lieblingslied kommt, und hüpfen dann auf und ab, als wollten sie den Boden nie wieder berühren.

Das Getränk zur Langeweile ist ein vorgeblicher Muntermacher: Kaffee. Den gibt es draußen an der Theke im Foyer, vor der eigentlichen Disco. Man verkauft selbst gebackene Pizza, und es läuft andere Musik, meistens AC/DC. Am Tresen stehen unscheinbare Typen in Jeans und Lederblousons, die einen Becher Kaffee nach dem anderen bestellen, den der VoKuHiLa-Wirt aus einer chromsilbernen Tanksäule abzapft. An Kicker und Flipper hängen ein paar junge Einheimische rum, die so aussehen, als hätten sie schon mal bei H & M eingekauft: die Jungs in Cargopants, die Mädchen in Flokati-Jacken. In Bad Salzdetfurth gibt es halt nichts anderes, wo man abends hingehen kann, auch deshalb landet man in der Rockdisco. Das war früher im Sauerland nicht anders: Jede Freitagnacht galt es, eine Mitfahrgelegenheit nach Oberbrügge ins Infinity zu finden. Man überzeugte den starken Mann an der Kasse, dass man schon 18 war, trank Flensburger, stand blöd rum und fragten den DJ, ob er “was von Living Colour” da habe.

Zurück auf die Tanzfläche: Hippiemädchen in Batikpullovern und Lederwesten tanzen wie Waldgeister am Tor zur Dämmerung, was ihnen zur Vollkommenheit noch fehlt, sind die Panflöten; ein junger Mann läuft auf der Stelle, er befindet sich, comichaft wild gestikulierend, auf der Road to Nowhere und wird so schnell keine Ausfahrt finden. Ein Enddreißiger in erdfarbenem Strickpulli tanzt schlangenhaft, als sei er schon oft in einem indischen Ashram gewesen, vielleicht zu oft. Aber das ist ja gerade das Sympathische, dass die körperlichen Unzulänglichkeiten hier keine Rolle spielen. Wenn einer kein Taktgefühl hat, dann springt er halt am höchsten, und es ist voll in Ordnung.

“Da drüben!”, unterbricht Andreas meine Vision. “Das Hippiemädchen spielt Luftgeige!” Tatsächlich: Barfuß tänzelt sie im weiten Batikhemd über das irische Moos und lässt ihre imaginäre Fidel erklingen. Wahnsinn. Sie zeigen einem hier, was man mit Popmusik machen kann, nämlich alles: Zu einem berserkerhaften Gitarrensolo haken sich zwei hagere Woodstock-Veteraninnen mit Zöpfen unter und rasen in einem Folkloretanz der Trance entgegen.

Spät in der Nacht spielt der DJ dann noch Lieder von Faith No More, den Smashing Pumpkins oder Depeche Mode. Durch die Veränderung weniger Parameter wie Ort, Zeit, Lautstärke und Reihenfolge können Songs ihre Bedeutung vollständig verändern. Zu Californication von den Red Hot Chili Peppers, das man morgens entspannt beim Zeitunglesen hört, wird hier wild abgerockt. Es ist nicht etwa Nostalgie, die die Menschen seit nunmehr drei Jahrzehnten ins Mobile lockt, sondern die außerzeitliche Übereinkunft einer exklusiven Gesellschaft, deren Erkennungszeichen das Gitarrenriff ist. So greift man auf die Musikgeschichte von den Rolling Stones (Satisfaction) bis zur Bloodhound Gang (The Bad Touch) zu, und so hat es auch Fat Boy Slim ins Mobile geschafft. Der Rockafeller Skank wäre schließlich der kleinste gemeinsame Nenner, wenn Clubber und Rocker eine ökumenische Party schmeißen müssten. Aber dazu wird es hier so schnell nicht kommen. Denn sollten sich die Guitarreros aus ihren Gräbern erheben, um einen Rachefeldzug gegen die Clubculture zu starten, dann wird das Mobile ihr Hauptquartier sein.

Playlist der angeführten Lieder:

Playlist typischer Bauerndiscolieder, die seit 2000 in die Repertoires vorgelassen wurden (kurz, aber von besonderer Hupfbarkeit):

Muss ich da dabei sein?

In Bearbeitung
Buchhaltung
Zum Beschprache

Besprechungsmappe

——— Joseph Freiherr von Eichendorff:

Der Isegrim

1837:

Aktenstöße nachts verschlingen,
Schwatzen nach der Welt Gebrauch,
Und das große Tretrad schwingen
Wie ein Ochs, das kann ich auch.

Aber glauben, daß der Plunder
Eben nicht der Plunder wär,
Sondern ein hochwichtig Wunder,
Das gelang mir nimmermehr.

Aber andre überwitzen,
Daß ich mit dem Federkiel
Könnt den morschen Weltbau stützen,
Schien mir immer Narrenspiel.

Und so, weil ich in dem Drehen
Da steh oft wie ein Pasquill,
Läßt die Welt mich eben stehen –
Mag sie’s halten, wie sie will!

Soundtrack: Tocotronic: Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk,
aus: Digital ist besser, 1995:

Was müde macht

Der KATER berichtet

 

Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Albert Einstein

 

Neulich schon wieder einen am Hörer, der wollte dass das Büro meiner Herrin auf die Schnelle und auf Verdacht eine Summe nennt. Zack. Ins Blaue. Kann doch nicht so schwer sein. Wieder einmal kurz vor ‘Ladenschluss’ Viertel vor Sechs abends. Weiterlesen

Das Haustier und das Nutztier und die schöne regionale Welt

Unser Umgang mit Tieren

Hier spricht mal wieder der Kater.
DEM KATER SÎN BLOG: Hier spricht der Kater. 17 und forever young.

Wenn der moderne Mensch die Tiere, deren er sich als Nahrung bedient, selbst töten müsste, würde die Anzahl der Pflanzenesser ins Ungemessene steigen. (Christian Morgenstern)

Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt. (Christian Morgenstern)

Die Tiere empfinden wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück. (Charles Darwin)

 

Moritz am Ende ihrer Tage

My sun sets to rise again. (Moritz,17, † 17. Mai 2015)

Es geht um Anzeigen gegen Schlachthöfe, die CO2-Gruben, abgebrühte Schweine im Todeskampf und den juristischen Kampf gegen uneinsichtige Betreiber und lahme Kommunen.

Der Staat gibt sich – fast wie immer  – hilflos.

Ich wiederhole der Einfachheit halber den Link dort unten zum Spenden:

Mit Ihrer Hilfe schalten wir für die Tiere die Justiz ein.

 

Man kann viel gegen PETA e. V. haben, aber hier spenden ist eine wirklich gute Sache!

Falls Interesse an Infos aus der unabhängigen, investigativen Presse besteht, der Schlachthof Landshut lässt es grade „tierisch“ krachen. Die SZ berichtet am 27. Juli 2016:

http://www.sueddeutsche.de/bayern/verbraucherschutz-tierquaelerei-und-ungeziefer-auf-niederbayerischem-schlachthof-1.3097244

CO2-Begasung die nachgewiesen qualvoll ist (siehe auch Bundesfleischforschungsanstalt Kulmbach), Ü-Stunden bis oder über 10 Stunden/d der überlasteten Arbeiter (Akkord, nehme ich mal an), die den Tötungstich den nicht mehr sauber setzen und die Tiere im Brühgang erst qualvoll verecken.

Einfach nur kein Fleisch mehr essen reicht nicht, wenn sich was für die Tiere und wenn sich unser Umgang mit Tieren verändern soll.

Der Fleischkonsum in Deutschland sinkt stetig. Aber díe Fleischerzeugung steigt widersinnigerweise dennoch. Die Fleischerzeuger machen dann eben schwer auf massiven (Billig?-)Export. Und zerstören dann eben die heimischen Infrastrukturen eben dieser anderen Länder.

Am Ende auch noch EU-subventioniert ist anzunehmen. Aber auf den Webseiten der einschlägigen “Erzeugergemeinschaften” ein Werbe-Gesülze an Texten, dass man pfeilgrad fast glauben könnte, den Tieren und der heiligen regionalen Erzeugung würde ante und post Mortem ein rosarotes Himmelreich errichtet. Dass sogar ein Werber im Gesicht rot wird. Ob diese ungesunde Gesichtsfarbe von Scham oder vor Wut kommt, ist auch schon egal.

 

Gruß

der Kater

Hier bin ich Mensch hier kauf ich ein

Beim dm haben sie die hübschesten Kassiererinnen, wo immer sie die auch her haben.

Es fällt schwer, sich bei der Hübschesten anzustellen, darum nimmt man am besten die längste Schlange. Da ist es auch schon egal, dass vor mir eins der weltweit verbreiteten Business-Rollkoffermännchen ansteht. Doch, wirklich, man glaubt immer, es gibt nur das eine, das man ständig beobachten kann, aber wenn man sein Auge für Details geschult hat, ist das tatsächlich jedesmal ein anderes.

Das Exemplar vor mir hat bei dm anscheinend zur Konkurrenzbeobachtung allerlei Flaschen eingekauft, die möglichst viel Platz in einem Einkaufswagen und nachher in einer Einkaufstasche einnehmen: Badeschaum, Spülmittel, Allzweckreiniger. Die — falls noch nicht erwähnt: junge, blonde und vor allem hübsche — Kassiererin zieht mit versonnener Professionalität ein attraktives dm-Angebot nach dem anderen über ihren Scanner und lächelt stillvergnügt bei der Arbeit. Das durch die Eingangstür strömende Sonnenlicht spielt verliebt mit dem dünnen Flaumrand um ihre Wangen. Das Leben ist schön.

Nach der letzten Familien-Sparflasche Weichspüler nennt die Kassiererin freundlich den Preis und wartet. Das Rollkoffermännchen packt unbeirrt Produkte in seinen Rollkoffer.

“Wenn Sie erst bezahlen und dann einpacken”, sagt die Kassiererin, als sei es die beste Spielidee des ganzen Kindergeburtstags, “kann ich schon den nächsten Kunden drannehmen.” Damit bringt sie mich ins Spiel. Das wird böse enden. Bis vor fünf Sekunden hätte noch Rennen geholfen, seitdem kann man nur noch verlieren.

“Ich packe aber erst ein und bezahle dann”, ranzt das Männchen. Sie zuckt die Schultern, verkneift sich das auf der Hand liegende “Auch gut, Rindviech” und beschwichtigt stattdessen: “War ja nur ein Vorschlag.”

“Ihre Vorschläge können Sie sich sparen. Sie werden bestimmt nicht für Ihre Vorschläge bezahlt.” Die Kassiererin lächelt.

“Ich lass mir doch von Ihnen keine Vorschriften machen”, erklärt sich das Männchen genauer. Die Kassiererin lächelt immer noch, als sie nach längerem Zuschauen, das ihr viel Zeit zum Überlegen gelassen hat, sagt: “Und ich lass mich nicht von Kunden anpflaumen.”

“Wo nehmen die in dem Saftladen nur das Dienstleistungsmaterial her”, mault das Männchen, während es doch noch einen Hunderter vor der Kassiererin fallen lässt. Genau das, was ich mich auch bei jedem Besuch frage, darum ist jetzt meine Stunde. Außerdem bin ich sonst wieder tagelang blockiert.

Es muss aber sitzen. Es darf keine Einmischung sein, es darf nicht paternalistisch sein, und ich will nicht dafür als erster auf Maul kriegen. Gar nicht so einfach, aber das lebenslange Studium sämtlicher Geisteswissenschaften einschließlich Beziehungsführung und Menschenkenntnis darf auch nicht für die Katz gewesen sein.

“Was brauchst denn du Grattler die junge Lady jetzt gar so saudumm anreden? Die hat grad versucht, gleich zwei Kunden auf einmal zu helfen”, sag ich zu dem Männchen, “erst dir und dann mir. Das ist das glatte Gegenteil von einem Saftladen.”

“Was mischen Sie sich hier ein”, ranzt es, ohne mich anzuschauen. “Haben Sie was mit der oder sind Sie bloß blutsverwandt oder beides?”

“So”, sag ich, “jetzt langt’s”, und einmal mehr macht es sich bezahlt, große Teile seiner Jugend damit verbracht zu haben, vor dem Spiegel wie Clint Eastwood zu gucken. “Jetzt schleichst dich.”

“Ach so” sagt er, fortfahrend, nach seinen Einkäufen eine Handvoll Wechselgeld zu verstauen, “das sieht diesem Saftladen ja ähnlich, dass die Zwangsgestörten hier das Hausrecht ausüben.”

“Du hast mich schon verstanden”, sag ich. Der Trick hat funktioniert, wenn der Gegner ganz selbstverständlich daran glaubt, dass man Gewalt anwenden wird.

Immerhin schaut er mich jetzt an. “Loser”, sagt er und zieht ab.

Ich bin dran. Taschentücher, Lakritzbonbons, Glasreiniger, das kann ich fliegend im Stoffbeutel verstauen, noch während die — übrigens durchaus hübsche — Kassiererin kassiert, und zahle passend.

Loser hat der zu mir gesagt. Das höre ich öfter, offenbar war ich also doch zu paternalistisch. Um meinen Respekt vor ihrer Arbeit zu äußern, sage ich zur Kassiererin: “Also, ich würd jederzeit gern Vorschläge von Ihnen annehmen.”

“Leck mich, Arschloch”, zischt sie.

Schon eine tolle Rasse, die Rollkoffermännchen. Gewinnen einfach immer.

Soundtrack: Die Ärzte: Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist; es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt, aus: Geräusch, 2003.

Fühlingsolle

Jetzt, wo die Firma lange genug erloschen ist, kann man’s ja veröffentlichen: Die Anzeige aus den Nürnberger Kino-News (Rückseite, war bestimmt nicht billig) hab ich lange über meinen Arbeitsplatz in der Werbeagentur aufgenagelt, als Mahnmal zum Korrekturlesen. Außerdem war die kleine Schnelle auf dem Bild, die man bestimmt im Express treffen konnte (und wahrscheinlich sogar mal getroffen hat), ganz ansehnlich. Man schrieb 1994.

Fühjahrsmode reduziert, Bebop 1994

Bebop: Charlie Parker & Dizzy Gillespie: Hot House, April 1952.

Achtung an alle! Bitte beachten! Es gilt: und zwar folgendes. Was ist zum Beachten. Bei uns wird der Böhmermann groß geschrieben. Das ist das A und das O.

Update zum Langenscheidt Deutsch—Mutter/Mutter—Deutsch:

Um wieder mal meta zu werden: Wer bloggt überhaupt noch? Nachdem klar geworden war, dass ein Blog-Eintrag doch einen gewissen Aufwand erfordert, war alsbald Sense mit der Blogosphäre, und Twitter kam gerade recht, um sich herauszureden, dass man da gar nicht mehr als 140 Zeichen reinschreiben kann. Zum Vergleich: Ich brauche für einen üblichen Eintrag zwei bis drei Stunden, mit Nachdenken wird’s ein Tageswerk, wenn ich Bilder, Bildlizenzen, belegende Links, ausschmückende Links, zurechnungsfähiges Deutsch, handgeschriebenes HTML, einen Soundtrack, ein Layout und womöglich auch noch eine Idee haben soll, geht die ganze Woche drauf. Meine literaturtheoretischen Auslassungen über die aufregenden Abenteuer von Doctor Faustus und seinen komischen Freunden sind eigentlich zwei Vollzeitjobs. Selbstverständlich sind wir nur die Besten, nicht die Schnellsten. Wenn mir wieder einer seine wertvollen Tipps mitteilen will, wie ich schneller sein könnte — kein Problem: Dann verschieb ich den Eintrag halt einen bis zwei Monate.

Darum gibt’s bei uns kaum jemals was Aktuelles wie den Böhmermann (gestern war sein Pipikackaficki-Video noch da). Es bloggen mithin nur noch die Unerschrockensten und die Schmerzbefreitesten. Bloggen sollten aber solche, die mehr zu sagen haben als 140 Zeichen. Viel zu selten vernommen und gelesen wird der gewinnend markige, allzeit eindeutige Tonfall des deutschen Mittelstands. Noch zu erstellende Weblogs hätten sich Themen zu widmen wie (alphabetisch):

  • Achtung an alle!!!
  • Augen auf und flexibel sein!
  • Bei uns ist der Fortschritt Tradition.
  • Bei uns wird der Kunde groß geschrieben.
  • !!!!!Bitte beachten!!!!!
  • Das ist das A und das O.
  • Da muss man da das Gespräch, das muss man da suchen und in einen Dialog, da muss man da treten.
  • Es gilt: auf Zack sein!
  • Und zwar folgendes.
  • Was ist zum Beachten.

So passiv-aggressiv mein ich das gar nicht: Auch wenn ich mich nicht vor der IHK mit den Kollegen messen lassen muss, wird man wohl noch neidisch sein dürfen.

Soundtrack: Das Handwerk: Die Wirtschaftsmacht von nebenan, 2010.

Das Herz eines Boxers

Update zu Familiärer Hardcore:

Tired of being fat and ugly, just be ugly, Boxschule KnochWenn bloß alle solche Werbung machen wollten wie manche, die ganz was anderes gelernt haben, aber halt ihr Ding sagen wollen wie alle anderen anständigen Leute auch.

Eine der zahllosen Definitionen von Anstand ist ja, nicht mehr zu versprechen, als man halten kann. Irgendwie, was selbst gelernte Werber nie garantieren können, kriegt die Boxschule Knoch (Boxen für alle: ab 16 Jahren bis Urgestein) es hin, dass ich mir zum flockigen Spruch sogar die Firma gemerkt hab. Und endlich mal nicht solche Sissy-Kampfkünste wie Capoeira und Tai Chi.

Zum ersten Mal im Leben hab ich erwogen, Boxen zu lernen, die Gegend (Flößergasse 8, der 1. Stock in einem Mittersendlinger Rückgebäude) sieht recht authentisch danach aus, als ob man da ein paar Boxstunden gebrauchen könnte — aber nicht sehr lange. Das Konzept ist nämlich gar nicht so schlecht, wie ich schulsportgebranntes Kind jeder Sportschule automatisch unterstellt hätte:

„ Float like a butterfly, sting like a bee “
(Drew Bundini Brown)

Die Boxschule Knoch bietet Dir ein hochquallifiziertes Boxtraining…von der Pike über den Breitensport bis zum Leistungsträger.

Du selbst entscheidest, Deinen Ansprüchen und Deiner Verfassung entsprechend, über Deine persönliche Trainingsintensität.

Wichtig: Das Duell im Ring (bedingtes, begleitetes oder freies Sparring) ist FREIWILLIG !, und stellt nur einen Teil des komplexen Trainingsinhaltes dar.

Für dieses hochwertige, vielseitige Trainingsprogramm stehe ich mit meinem Namen, und wünsche Euch vor allem viel, viel Spaß.

Euer Rainer Knoch

Wenn ich jetzt in dem Laden nachfrage, ob und wie das 1993er Album Krieg & Spiele von den Abstürzenden Brieftauben, auf dem das Lied Fett & häßlich drauf ist, mit deren 1994er Single Das Herz eines Boxers, die gar nirgends drauf ist, und beide mit dem Geschäftskonzept und der Außenkommunikation der Boxschule Knoch zusammenhängen, handle ich mir dann einen rechten Schwinger ein?

« Ältere Beiträge

© 2024 Freitag! Logbuch

Theme von Anders NorénHoch ↑