Bewirtschaftet von Vroni und Wolf

Monat: Dezember 2019

Please don’t tell what train I’m on, they won’t know what route I’m going

Bei allem berechtigten und verbreiteten (was selten genug zusammentrifft) Bahn-Bashing muss einem im fortgeschritttenen Alter doch endlich auffallen: Man kann nirgends so flüssig und nachhaltig lesen wie im Zug. Einen eigenen Sitzplatz vorausgesetzt, auf Hin- und Rückfahrt. Der Verwandtschaftsbesuch dazwischen ist im Preis fürs Bayernticket mit drin, aber gegen solche Schmerzen hilft der Glühwein ganz gut.

Für die Rückfahrt sind wegen des Glühweins nicht die Eichendorff-Gedichte, die man sich auswendig merken muss, sondern der Charles Dickens. Auf allen Ausgaben steht nämlich vorne drauf: “Weihnachtsgeschichten”, manchmal auch “Weihnachtserzählungen”, jedenfalls ein Plural. Das bedeutet: Der Mann hat noch mehr von dem Zeug geschrieben als das ewige A Christmas Carol. In Prose. Being a Ghost Story of Christmas (mit dem ansonsten nichts verkehrt ist).

Als Soundtrack drängt sich in diesem Sinne mein wichtigster Musikus des Jahres 2019 auf: Der altgediente Mundharmonika-Recke Adam Gussow, der mit der Zeit immer verblüffender wie ein abgemagerter Clint Eastwood aussieht, seit er sich in die YouTube-Tutorials zurückgezogen hat, einem dort didaktisch nichts schenkt, aber so hilfreich wirkt wie sonst nur noch die Soundvideos mit Soloklavier von Bach und Mozart.

Adam Gussow entstammt der Generation, die noch das Tuten einer Sirene mit dem Erscheinungsbild eines Eisenbahnzuges verbindet. Seine meisten anderen Videos handeln in C-Dur, für den Zug benutzt er ein Beißblech in A-Dur:

Das war’s für 2019. Gussow würde sagen: See you down the road.

Heiligabend ist: La Storia. Vor 2000 Jahren und jetzt – es hat sich nichts verändert.

Es bloggt der Kater

I have always looked on disobedience toward the oppressive as the only way to use the miracle of having been born. Oriana Fallaci († 2006)

 

Das Kind nackt, nur im Stroh, und dessen Eltern fern der Heimat ohne anständige Herberge. Was immer euer Pfarrer heut Nacht von der Kanzel predigt (bei uns ist es der Pfarrer Schießler, der nach der Christmette nachts mal Dominosteine verteilte, nett): Es ist nicht süß, es ist nicht romantisch und es ist nicht stimmungsvoll mit Lichtern.

Es ist furchtbar.

Keine der in den Kirchen aufgebauten semi-kitschigen Krippen bringt das rüber. Es ist bei diesen religiösen Aufstellungen alles malerisch, sauber, putzig, hübsch und tierlieb.

So ist es aber nicht.

Nein, auch kein abgekämpfter Zeltcamper kann mitreden, der halt mal eine Woche – was ist eine Woche –  in Regen und Matsch zeltete oder an einer irischen Bucht tagelang nach beißenden Mücken schlug. Es ist Märchenschloss dagegen.

 

Wer immer das Buch La Storia als Hobby-Italiener oder als Nichtitaliener von Elsa Morante kennt, der liest darin mit wachsender Verzweiflung,  welche inneren und äußeren Verheerungen Kriege, das Chaos und die Unmenschlichkeit für Mütter und Kinder anrichten (um das zu vervollständigen: für Soldaten natürlich genauso).

Dieses ihr berühmtestes Buch ist politisch und literarisch umstritten. La Storia stieß z. B. auf scharfe Kritik linker Rezensenten, die sich mit seinen strengen anti-Establishment-Themen auseinandersetzten, obwohl sympathischere Rezensenten sagten, es verkörpere “das ideale literarische Werk” der Desillusionierung Mitte des 20. Jahrhunderts. (Quelle: aus dem englischen Wikipedia)

Hab dieses Buch vor 16 Jahren gelesen mit Tränen in den Augen.

(Zur Zeit lese ich Celines Reise ans Ende der Nacht)

Mit wachsender Verzweiflung geht seit 2015 mein aktueller Blick gen Jemen oder zu den Lagern auf Lesbos, in denen vom Krieg traumatisierte Kinder (sie wollen sich nur noch umbringen, schlagen mit Kopf gegen die Wände und mehr) in verheerenden Zuständen leben müssen. Wer immer von: “die EU muss” oder von “Griechenland verschleppt Anträge” oder von “da sind eh nur zu 80 % junge, potenziell gewalttätige Männer” oder von “die Kinder werden doch nur Familiennachzug nach sich ziehen” redet, der ist vielleicht als Realpolitiker und staatlich im Recht – vielleicht auch nicht, der sollte sich zu welcher Fraktion er oder sie immer gehört, diesen Film einfach nur aus purer Menschlichkeit anschauen um nicht als Mensch zu scheitern. Und dann neu urteilen. Und: Parteien mit dem “C” im Logo sind mir ein Rätsel: Seid endlich Menschen! Ein Habeck ist euch Pfeffersäcken menschlich weit voraus, der Populismus-Vorwurf gegen ihn ist schnöde und billig.

Unfassbar.

 

Ich wünsche euch einen stimmungsvollen Heiligabend ohne Streit. Vergesst die Ärmsten nicht.

Der Kater

Lektüren:

 

A question of SEO

Mein Instagram-Account hat genau 0 Einträge. Deshalb lohnt er sich nicht zu verlinken. Mit meinem Instagram-Account, der so wenige Einträge hat, dass er sich nicht verlinkt zu werden lohnt, genauer: gar keinen, folge ich 18 anderen Instagram-Accounts. Diesen 18 Instagram-Accounts, denen ich folge, stehen 19 andere Instgram-Accounts gegenüber, die meisten davon mit mehreren tausend Einträgen, die ihrerseits meinem leeren Instagram-Account folgen. Nicht schlecht, so rein prozentual.

Das schaffen die wenigsten, die’s unter geldwertem SEO-Aufwand drauf anlegen. Nicht auszudenken, wenn man so eine Effizienz auf alle Gebiete außer SEO ausweiten könnte. Fast schade, dass Instagrammen sowas von 2019 ist. Zeit, ein paar Transferanwendungen zu testen.

In diesem Sinne:

You’ve got to ask yourself one question: “Do I feel lucky?” Well, do you, punk?

Dirty Harry, Filmstart: 23. Dezember 1971.

Ihnen auch schöne Feiertage.

Bild & Film: Dirty Harry, Warner Brothers 1971,
via Bad Wolf, Daily Mail Online: ‘Do you feel lucky, punk?’: From Dirty Harry to Star Wars, the famous movie quotes that fans always get wrong, 28. August 2013.

Clint Eastwood, Dirty Harry, Warner Brothers 1971, Bad Wolf 2013

Für Weihnachten ist alles erledigt.

Hier bloggt der Kater

 

Vergesst im Winter die Tiere nicht
Es ist bald Weihnachten und draußen wirds kalt
Die Tiere suchen Futter im verschneiten Wald
Jetzt sollte man auch an die Vögel denken
Auch denen kann man was leckeres schenken
Ein schneedichtes Vogelhaus wäre da richtig
Das Futter sollte trocken bleiben, das ist wichtig
Weizenkörner und andere Dinge
Für die Meisen gibts leckere Futterringe
Auch im Feld die Rehe und Hasen
finden im Schnee fast nichts zu grasen
Da sollten Heu und leckere Möhren
Zum Futterplan hinzu gehören
Walnüsse braucht man nicht zu zerhacken
Eichhörnchen und Raben können die knacken
Auch das Pferd im Stall in der Boxenecke
Freut sich über eine Rückendecke
noch etwas Hafer und trockenes Stroh
Das braucht ein Pferd und macht es froh
Und die Moral von dem Gedicht
Vergesst im Winter die Tiere nicht

Leo Houben Nohra

Eine Woche vor Weihnachten.

So, die Geschenke sind alle da und harren nur noch des Verpacktwerdens. Der Enkel kriegt das meiste. Wir als Erwachsene schenken einander nichts. Das ist seit Jahren so vereinbart. Jetzt kommt die unerwartete Nachricht, dass uns doch jemand außerhalb der Vereinbarungen beschenken will.  Muss ich halt mal wieder in einen Buchladen und dort nach dem Rechten sehen …

Die Fischlein sind versorgt, das zweite große Becken wartet auf den Bezug, der genau zu Weihnachten sein wird. Netter Termin für Wassertiere. Die Muscheln dürfen anschließend in den leer gewordenen Fischtank einziehen. Ich werde Fischleins und Muscheln wohl ebenfalls ein Mistelzweiglein über ihre neuen Zuhause hängen.

Merlin und Murr gehts gut. Sie haben, da es jetzt rasch dunkel wird am Nachmittag, Halsbänder bekommen die leuchten. Damit wir sie während ihres Hofgangs besser sehen können. Einmal hat der schlaue Murr sein grün leuchtendes Halsband in den Büschen abgestreift. Ist kein Problem,. Da es leuchtet wird es auch sofort vom Herrchen gefunden. Die Meisenködel hängen. Die Christbaumkugeln liegen bereit.

Alles leuchtet. Jetzt muss nur noch der Baum leuchten.

 

 

Weihnachten, der Enkel, Amazon und das Klima – ausgerechnet das Fest der Liebe macht den Planeten kaputt.

Der Kater bloggt nu wieder.

 

Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. Blaise Pascal

 

Um es als Oma-Kater kurz zu machen: Weihnachten ist alles andere als klimaneutral. Es ist sogar einer der größten Klimatreiber im Jahresverlauf.

Die menschlich und klima-technisch heiklen Problemstellungen:

 

Besuche zu Weihnachten

Ganz arg CO2-heikel. Auch mit der Bahn zigzeug CO2-Fußdapper. Alternativ zu noch entfernterer Verwandtschaft mit dem Auto oder dem Fliegzeug: Will ich jetzt gar nicht ausrechnen. Zu viel jedenfalls.

 

Essen zu Weihnachten

Auch CO2-heikel. Es wird gekocht oder ins Restaurant gegangen, was das Zeug hält. Zu viel, zu gut, zu viel Fleisch. Dazu ehrgeizige Aufwände über die bescheidene selbst erstellte Alltagspizza hinaus. Selbst vegane Ideen wie Begnadigte Ente oder Austernpilze in Rieslingschäumchen oder so was, egal. Was für ein Käse. Warum diesen blödsinnigen Aufwand, wenn man im Januar wieder alles herunterhungern muss.

Und warum überhaupt dieser komische übertriebene, finanzielle Luxus zu Weihnachten.

Weil ein kleiner Bub frischgeboren in einem Stall schlief, weil keiner seine armen fremden Eltern in die Herberge aufnahm? Dann sind zu dieser Zeit die fette, stundenlang gebratene Gans oder das 5-Sterne-Luxusessen im Restaurant enorm peinlich und unangemessern, ja skandalös. Ein Hirten-Gericht wie Stew oder Linsen mit-ohne Würstchen wären angemessener.

 

Geschenke zu Weihnachten

Ziemlich Co2-heikel, auf diese Art Liebe zu zeigen. Ratio versus das Zwischenmenschliche: Schenkt man nix und schlägt damit gottseidank auch keine CO2-heikle Geschenkpapierschlacht, weil man das so gegen den nixnutzigen Konsumrausch einvernehmlich vereinbart hat, kommt das sogar bei manchem Klimawandel-Bewussten eigenartig asozial rüber. Die uralte Konditionierung ruft.

In Zeiten, in denen jeder alles hat, in denen die Kinder übervolle Spielzimmer haben, ist es mit dieser Konditionierung trotzdem immer noch komisch, einfach dann “nix !” zu schenken.

Kriegt man selbst nix geschenkt: auch komisch, obwohl man das ausdrücklich so gewollt hat.

 

Einkaufen für Weihnachten

Ziemlich Traffic-heikel. Man hat die Wahl: Entweder ab August so langsam zu den einschlägigen Münchner Geschäften fahren und herumrennen. Oder Amazon, oder Tausendkind etc. samt DHL nehmen: Der zusätzliche extra CO2 Ausstoß ist in allen Fällen nicht von Pappe.

Schenkt man als kluge Menschen einander stattdessen Zeit statt Zoich: Eigentlich löblich. Oft muss man dazu aber wieder herumfahren, um sich zu treffen. CO2-Alert wiederum. Siehe der Punkt Besuche.

 

Basteln für Weihnachten

Ausnahmsweise nicht heikel. Selbst basteln und noch besser basteln mit dem Kind wäre angesagt. Zeit und Zoich.

 

Das Klima

Weigert sich voraussichtlich erneut, ausgerechnet am Fest der Liebe zu schneien. Da seit Jahrzehnten zu warm. Leute, das Klima weigert sich plötzlich, zu euren Vorstellungen zu passen!

Irgendwas läuft schief, finde den Fehler. Tipp: es könnten diese heiklen, ziemlich schräg konditionierten zwischenmenschlichen Dinge sein und auch das konditionierte Missverständnis, was Liebe ist. Das heizt unsre Erde auf. Der Österreicher würde sagen: Is ois a bisserl Ding. Wir können nicht mehr so weitermachen. Ding hin, Ding her. Unser konsumistischer und auseinandergerissener Ding-Lebensstil steht zum ersten Mal wirklich auf dem Prüfstand.

 

 

© 2024 Freitag! Logbuch

Theme von Anders NorénHoch ↑